Kuhn Fu: Katastrofik Kink Machine Peter Füssl · Dez 2024 · CD-Tipp

Schon der an die gleichnamige amerikanische Fast-Food-Kette angelehnte, 12-minütige Opener „Waffle House“ ist ein unglaublich buntes, vielschichtiges, abwechslungsreiches, permanent mit überraschenden Wendungen gespicktes Monster von einem Song, und in derselben Spielart – wenn auch in kürzeren Einheiten – geht es auf dem fünften Studio-Album von Kuhn Fu weiter. Das 2012 vom aus Köln stammenden und in Berlin lebenden Gitarristen und Komponisten Christian Achim Kühn ins Leben gerufene, in unterschiedlichen Größen operierende Band-Projekt sieht sich selber laut Eigendefinition im „Jazz-Rock-Psychedelia“-Bereich, was nur als harmloser Hinweis auf den wilden, teils exzessiven Mix aus Jazz, Rock, freier Improvisation, Big-Band-Sound, Metal, Cabaret, Kammermusik und jede Menge humorvollen Freidenkertums à la Frank Zappa verstanden werden darf.

Der Band-Name Kuhn Fu ist aus einem Wortspiel mit dem Namen des Bandleaders, wie er zu Studienzeiten am Conservatorium Groningen in den Niederlanden fälschlich ausgesprochen wurde, und den populären, TV-tauglichen chinesischen Kampfkünsten entstanden. Kuhn Fu ist eine multikulturelle Band, deren Mitglieder in Deutschland und in den Niederlanden stationiert sind. Das wendige, grundsolide Rhythmus-Trio setzt sich aus dem türkischstämmigen Bassisten Esat Ekincioglu, dem englischen Drummer George Hadow und dem Bandleader, der natürlich auch ausgiebig, unkonventionell und stilistisch vielseitig soliert, zusammen. Der israelische Bassklarinettist Ziv Taubenfeld, die argentinische Baritonsaxophonistin Sofia Salvo, der amerikanische Tenorsaxophonist John Dikeman und der gebürtige Hamburger Frank Gratkowski an Altsax, Flöte, Altflöte, Klarinette und Bassklarinette fungieren je nach Bedarf als kompakter, exakter und soundfarbenreicher Bläsersatz, oder als alle Facetten zwischen Duke Ellington und Free Jazz auslotende Solisten. 

Der Albumtitel sei mittels KI generiert worden, so Kühn, klingt aber auch nicht origineller als die Titel der Vorgänger-Alben „Kuhnstantinopolis“, „Kuhnspiracy“, „Chain The Snake“ oder „Jazz Is Expensive“. Positiv wirkt sich der im Vergleich zu den eben genannten Produktionen weitestgehende Verzicht auf Verbales aus, denn die Musik vermittelt auch ohne literarische Zutaten immer wieder ganz großes Drama. Unglaublich energievoll, aber auch höchst sensibel, mit grobem Besteck und feiner Klinge, werkelt man an unterschiedlichsten Tempi und Stimmungen, ohne das große Ganze aus dem Blick zu verlieren. So schleicht sich Gratkowskis intensive, nahezu kollabierende Klarinette im ansonsten fast schon gefällig wirkenden „Low and Slow“ in die Gehörgänge der geneigten Hörerschaft. „Grand False“ ist eine elegische Klanglandschaft mit unterschwellig brodelnden Spannungselementen, „Die ID“ lebt vom reizvollen Kontrast aus Rock-Balladen-Feeling und explosivem, in freie Bereiche ausuferndem Sax-Solo – cineastisch anmutende Twists and Turns natürlich immer inklusive. Das zwischen Psychedelic-Rock, Noise und Free-Jazz changierende „Kink“ wirkt wie der unaufhaltsam davongaloppierende Sound-Track zu einem absurden Horror-Thriller, in dem Donnerndes auf fast Lautloses trifft. Das Flöten-verzierte „Enigma“ schwebt daraufhin auf der sanften Sound-Wolke daher, ehe mit „Simple & Charming“ ein nochmals den gesamten musikalischen Wahnsinn durchdeklinierender Closer die kreativen Eruptionen von Kühn & Co beendet und zum Druck auf die Repeat-Taste animiert – denn jeder Hördurchgang fördert weitere witzige Details zutage. Und Kuhn Fu sind übrigens auch live ein musikalisches Vergnügen!

(Berthold Rec)

Konzert-Tipp: 22.3.25 Altes Kino Landeck; 27.3. Jazzport Friedrichshafen, 28.3. Kulturquartier Allgäu Kempten

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR Dezember 2024/Jänner 2025 erschienen.

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