Klingende Lyrik, sprechende Musik
„klang_sprachen“ – ein inspirierendes Erlebnis und hervorragende Kooperation
Silvia Thurner ·
Jun 2025 · Musik
Musik und Text brachten die renommierte Lyrikerin Nora Gomringer und das Kammerorchester InnStrumenti unter der Leitung von Gerhard Sammer auf nicht alltägliche Weise in einen Dialog miteinander. Speziell für diesen Anlass komponierten Victor Báez, Katharina Blassnigg, David Helbock, Peter Herbert und Martin Lichtfuss Werke, denen sie Gedichte aus Nora Gomringers Band „Poesiealbum 358“ zugrunde legten. Jede Komposition überzeugte durch ihren individuellen Zugang zum lyrischen Ausgangsmaterial. Das Kammerorchester InnStrumenti und Gerhard Sammer interpretierten die Werke mit viel Offenheit auch für außergewöhnliche Sounds. Im Mittelpunkt des Abends in der Remise in Bludenz stand Nora Gomringer. Sie rezitierte ihre Texte mit feinem Gespür für die musikalischen Abläufe und sympathischer Bühnenpräsenz. Als Solist am Kontrabass begeisterte Peter Herbert. Er motivierte einige Musiker:innen zu Improvisationen im Duo und brachte viel Energie in die dichte Konzertlesung ein.
Eine überregionale Kooperation machte diesen erfrischenden Konzertabend möglich. Denn klang_sprachen ist der Zusammenschluss des Innsbrucker Lyrikfestivals W:ORTE, des Tiroler Kammerorchesters InnStrumenti, des Vereins allerArt sowie der Vorarlberger Landesbibliothek. Zur Zusammenarbeit eingeladen war die im deutschsprachigen Raum als Schriftstellerin, Rezitatorin und Lyrikerin weithin geschätzte Nora Gomringer. Sogleich das Eröffnungsstück „laut-los-laut (<Flüstern>) von Katharina Blassnigg zeigte originell die Qualitäten auf, wenn Vokalisen und Laute ganz selbstverständlich als musikalische Motive eingesetzt und werden. Aus einem leisen Flüstern und Zischen entfaltete sich der fein nuancierte Klangfluss, der mit feinen Obertönen langsam in den Tonbereich driftete und sich sodann wieder verflüchtigte. In ihrer Rezitation spielte Nora Gomringer mit der Stille und der Dynamik und kristallisierte den humorvollen Text mit viel Gespür und ausgeprägter Mimik heraus.
Victor Báez vertonte Nora Gomringers Gedicht „An die Neue“. Aus der sprachrhythmischen Textur des Gedichtes heraus entwickelte er eine intensive Musik, hintergründig wurden ironisch gebrochene Textinhalte gespiegelt. Bei der Aufführung korrespondierten die Musiker:innen und die Rezitatorin gut miteinander, sodass sich die unterschwelligen Differenzen und die humorvolle Oberfläche spannend die Waage hielten.
Ein beklemmendes Werk
Eindringlich und bewegend wirkte das „Triptychon“ von Martin Lichtfuss. Er vertonte drei Texte von Nora Gomringer und schuf eine wirkmächtige musikalische Grundlage für das geschilderte Grauen der Deportationszüge nach Auschwitz. Nie illustrativ, sondern allmählich Gestalt annehmend, entwickelte sich im Zusammenwirken des Textes mit der Musik ein mitreißender Sog. Das Cellonachspiel mit jüdischem Idiom unterstrich die beklemmende musikalische Deutung der Gedichte.
Peter Herbert – musikalisch erfrischend am Kontrabass
Peter Herbert stand im Mittelpunkt des Konzertes für Kammerorchester und improvisierenden Kontrabass von David Helbock. Er legte seiner Musik zwei Gedichte von Nora Gomringer zugrunde und komponierte dazu eine kontrastreiche Musik. Zunächst erklangen Streicherflächen, über die eine wirkungsvolle Kantilene in den Bläsern ausgebreitet wurde. Hierfür bildete der Kontrabass eine kräftige Grundlage. Nach etwas spröde wirkenden Flageoletts trat Peter Herbert als Solist in den Klangvordergrund und setzte mit treibender Kraft und im Zusammenwirken mit dem Orchester viel Energie frei. Wunderbar dazu passten Nora Gomringers Steigerungen des mehrfach in unterschiedlichen Tonlagen rezitierten Verses: „Ein Baum pflanzen / Auf ihm ein Haus bauen / Da rein ein Kind setzen / Das Kind zweisprachig / Anschreien“, der zum Weiterdenken anregte.
Als Komponist brachte sich Peter Herbert mit der klanglichen Metamorphose „Wandel“ ein. Von rhythmisierten Spiel- und Luftgeräuschen ausgehend, nahm der musikalische Duktus allmählich Fahrt auf. Melodische Fragmente in den Bläserstimmen verdichteten sich im Wechsel mit expressiven Solopassagen zu einem immer ausgeprägter werdenden Bewegungsfluss. Darin brachte Peter Herbert seine mitreißende Ton- und Klangentfaltung am Kontrabass mit individuellen Spieltechniken voll zur Geltung.
Die Improvisationen von Peter Herbert im Duo mit der Cellistin, dem Konzertmeister, der Flötistin und dem Hornisten lockerten die Konzertlesung auf und führten mitten hinein in die Freude an der spontanen musikalischen Kommunikation. Zwischen den Uraufführungen trug Nora Gomringer „solo“ Gedichte vor und zog die Zuhörenden mit ihrer messerscharf formulierten Lyrik in ihren Bann.
Dringend erwünschte Fortführung dieses herausragenden Projekts
Gerhard Sammer und das Kammerorchester InnStrumenti begeisterten mit ihrer Empathie für die Texte und der großen Gestaltungskraft bei der Interpretation der neu verfassten Kompositionen. Mit jubelndem Applaus dankten die begeisterten Zuhörer:innen.
https://www.allerart-bludenz.at/musik-meile/klangsprachen-s52xs
https://innstrumenti.at