Vince Ebert im TAK - Vom Wissensvermittler zum Gesellschaftskritiker Anita Grüneis · Mai 2021 · Kleinkunst,Kabarett

Der Physiker Vince Ebert war bereits mehrmals im TAK. Vor fünf Jahren begeisterte er das Publikum mit seinem Programm «Evolution», in dem er in 90 Minuten die Entwicklung von 13 Milliarden Jahre erklärte. Drei Jahre später meinte er «Zukunft is the future» und zeigte auf, dass die menschliche Vorstellungskraft jedem Computer weit überlegen ist. Nun gastierte er im TAK mit seinem Programm «Make science great again». Ein irreführender Titel, denn nicht die Wissenschaft stand im Mittelpunkt, sondern die Gesellschaftskritik. Es wurde trotzdem zu einem äußert amüsanten und spannenden Abend mit vielen neuen Eindrücken.

Im Mittelpunkt standen drei Themen: Corona, sein USA-Aufenthalt und die Frage «Was ist wirklich wichtig im Leben?» Er sei nun über 50, meinte er gleich zu Beginn des Abends, und seit 20 Jahren auf Tour. «Das macht etwas mit einem». Für die männliche Midlife-Crisis gebe es verschiedene Bewältigungsstrategien, darunter das Marathon-Laufen und den Traum von der Entspannung. Er habe sich für die USA entschieden und mit seiner Frau neun Monate in New York verbracht. Er trat dort als Stand-up-Comedian auf und versuchte, das polarisierende und oft auch irritierende Land zu verstehen. Getroffen habe er Menschen, die aus den verschiedensten Ländern stammen, friedlich zusammenleben, sich gegenseitig inspirieren und den Dingen ihren Lauf lassen. Kein USA-Bashing also, und kein Gerede über Trump. Der Aufenthalt hatte Vince Ebert mehr dazu gedient, das eigene Land und die Deutschen kritisch zu hinterfragen. Und darüber erzählte er.

Die Liebe der Deutschen zum Detail

«Wir Deutschen sind von Problemen so fasziniert, dass wir es schade fänden, sie zu lösen», meinte er, dass Deutsche extrem auf ihre Gesundheit fixiert seien und eine akribische Liebe zum Detail haben. Daher stamme auch ihre Verbundenheit zur Ingenieurskunst und zur Wissenschaft. «Vor 150 Jahren war Deutsch die Sprache der Wissenschaft. Heute geht die Hälfte aller wissenschaftlicher Nobelpreise an die USA». Vince Ebert untersuchte in seinem Programm, woran das liegen könnte, und kam zum Schluss, dass heutzutage mehr Wert auf verletzte Gefühle gelegt wird als auf Erkenntnisgewinn. Zudem werde alles bis zum Exzess ausdiskutiert und die politische Korrektheit sei wie eine schleimige Hautkrankheit. «Wir hätten eigentlich alles Grund, glücklich zu sein. Aber das macht keinen Spaß». Der Deutsche fühle sich schwach, wenn sein Handy nur noch zehn Prozent Ladung hat. «Je komplizierter die Welt, desto größer die Sehnsucht nach dem einfachen Leben». So biete ein Bauer im Odenwald nun «Sensenmäh-Workshops» an, bei denen er seine Wiese von gestressten Städtern mähen lässt, andere denken bereits über «house cleaning workshops» nach. Aber von den Wissenschaftlern erwarte man in Zeiten von Corona genaue Vorhersagen. Dabei könne Wissenschaft nur sagen, wie bestimmte Mechanismen funktionieren – oder auch nicht.

Widersprüchlich und ohne absolute Wahrheit

«Wir haben den Blick auf das Wesentliche verloren», meinte Vince Ebert und bewies mit diesem Programm, dass er zwar als Kabarettist auftritt, im Grunde aber doch ein Wissenschaftler ist. Nüchtern konstatierte er Fakten um Fakten, analysierte daraus die jeweilige Situationen und zog seine Schlussfolgerungen: Wir Menschen sind widersprüchlich und niemand hat die absolute Wahrheit gepachtet. „Wir wollen die Welt retten, aber der Mutter den Müll nicht runtertragen“... „Die Windräder sollte man mit Kernkrafträdern ersetzen“ ... „In Deutschland übersteigt die Zahl der Lehrstühle für Gender-Forschung die der Pharmazie“ – das sind nur einige Beispiele aus diesem Abend, in dem Vince Ebert kulturübergreifend Irrationalitäten, Denkfehler und gegenseitiges Überlegenheitsgefühle aufzeigte. Wir sollten aufhören uns über Facebook, Twitter oder Instagram zu beschimpfen und verfolgen, wir sollten überhaupt aufhören zu chatten, zu posten, zu streamen und zu zoomen. «Let’s talk und make science great again», meinte er zum Schluss. Da wurde der Wissenschaftskabarettist dann fast zum Prediger.

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