Serdar Somuncu im TAK: Meine Wut hat sich potenziert Anita Grüneis · Feb 2020 · Kleinkunst,Kabarett

Er ist klug, witzig und tiefsinnig, er ist aber auch laut, vulgär und platt – diese Ambivalenz prägte das Programm «GröhaZ», Größter Hassias aller Zeiten, mit dem Serdar Somuncu im TAK gastierte. Ab März wird er damit in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Tour sein und sein 33-jähriges Bühnenjubiläum feiern.

Serdar Somuncu passt in keine der üblichen Comedy- oder Kabarettisten-Kategorien. Er ist anders. Das zeigte sich gleich zu Beginn seiner Show, als er scheinbar improvisatorisch einstieg. «Ich habe Angst», meinte er, «riesige Angst. Panik». Er umriss das Thema «Sterben» ganz allgemein und meinte dann lakonisch: «Wer stirbt schon an Corona? Das ist der Luxus.» Wobei sein Corona doppeldeutig zu verstehen war, es gibt ja nicht nur einen Virus, sondern auch ein Bier mit diesem Namen. Er spielte mit einer Wasserflasche vor seinem Schritt und behauptete, Liechtenstein sei deutscher als ganz Deutschland zusammen, Feldkirch sei das stadtgewordene Liechtenstein und Buchs das Arschloch der Schweiz, über das er früher, als er nur Türke war, von Liechtenstein aus in die Schweiz einreiste. «Da habe ich Liechtenstein lieben gelernt», schmetterte er ins Publikum, das ihm begeistert zujubelte.

Unser Umgang wird immer faschistoider

So waren die lauten und eher vulgären Momente des Programms von Serdar Somuncu. Daneben stand aber auch ein Künstler auf der Bühne, der sich deutlich gegen Rechtsradikale und Rassismus engagiert. «Unser Umgang miteinander wird immer faschistoider», rief er wütend, und dass wir alle nur einen Hashtag brauchen, um ein Urteil zu fällen. Für ihn sei die Zeit des Propheten vorbei, man müsse die Leute wieder heilen. Und schon sprach er über den Wunderheiler Braco aus Kroatien, den - seiner Meinung nach - vor allem die «zu wenig gebumsten Frauen» aufsuchen. Bevor er aber zu tief unter die Gürtellinie fiel, fand er zurück zum Thema «Angst» und meinte: «wir haben keinen Respekt mehr vor dem Tod anderer. Je näher uns der Tod ist, desto mehr Empathie entwickeln wir. Er war überzeugt, dass wir eher an der Angst erkranken, als an der Krankheit selbst und forderte alle auf, sich nicht im Ungleichgewicht einzunisten, sondern sich wieder mit Inhalten auseinanderzusetzen: «Wir können nicht so leben, dass wir keinen Schaden anrichten», meinte er, und dass die Vernunft heute ganz weg sei von unserem Denkvermögen. 

Von Ostdeutschland und dem Drecksloch

Als Serdar Somuncu das Fürstentum Liechtenstein als das «Ostdeutschland der Schweiz» bezeichnete, applaudierte das Publikum begeistert, auch als er es später als «Drecksloch» betitelte, in Anlehnung an Mr. Trump. Im Gegensatz dazu beschrieb er Köln und seine eigene Heimatstadt Neuss – «die kleine behinderte Schwester von Köln» – mit ihrem manischen Karnevalsgehabe und den Fußballfans wie ein kleines Theaterspiel. Und dann gab es da den besonderen Moment, als Serdar Somuncu das Mikrofon zur Seite legte und gefühlte fünf Minuten lang einfach still an der Rampe stand. Er fragte ruhig: «Spüren sie die Stille»?, bekam aus dem Publikum ein einsames lautes «Ja» zur Antwort und antwortete leicht süffisant «Quält die Stille Sie?» Das waren die leisen Momente, wenn er von Spiritualität sprach, von dem Live-Erlebnis, das gerade in diesen Momenten im Theater passiert, und dass jeder spüren könne, wenn er wolle. «Es erzeugt etwas zwischen uns», sagte er, und dass er diesen Moment gerne für heilig erklären möchte.
Zum Abschied schenkte Serdar Somuncu dem Publikum am Flügel ein Liechtenstein-Lied, weil «hier so eine neutralisierende Atmosphäre ist» und das Lied klang, als würde Herbert Grönemeyer vom fehlenden Menschen singen.

Nächster Auftritt im TAK, Schaan: Freitag, 28.2., 20 Uhr
Am 31. März, 22 Uhr ist Serdar Somuncu bei „Willkommen Österreich“ zu Gast.

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