Mummenschanz im SAL: Ein Abend der Nostalgie, der Poesie und der Macht der Stille Anita Grüneis · Jän 2022 · Kleinkunst,Kabarett

Sie sind faszinierend und einmalig – auch nach 50 Jahren begeistert «Mummenschanz» sein Publikum, und zwar nicht nur das treue Stammpublikum, sondern auch die jungen Zuschauer:innen. Das war in Schaan im ausverkauften SAL deutlich zu spüren. Niemand konnte sich ihrer Kunst, dem Charme der sprachlosen, humorvollen und tiefgründigen Poesie, entziehen.

1973 waren sie zum ersten Mal im TAK – ein Jahr zuvor hatten die Italo-Amerikanerin und Pantomimin Floriana Frassetto und die zwei Schweizer Clowns Bernie Schürch und Andres Bossard in Paris ihre Gruppe «Mummenschanz» gegründet. Der Name leitet sich von Verhüllen (Mummen) und dem französischen Wort Chance (Schanz) ab. Die drei schufen mit ihrer Kunst ein neues Genre in der Theaterwelt, das in keine Sparte passte und deswegen zu Beginn auch Mühe mit der Akzeptanz hatte. Das finanzielle Überleben war schwierig. Ihre Spielweise vor schwarzem Hintergrund, ohne Musik aber mit zahlreichen Vermummungen, basierte ausschließlich auf der körperlichen Ausdruckskraft.
Nach der ersten Europa-Tournee, wo sie auch im Schaaner TAK gastierten, engagierte sie ein Theateragent und brachte sie nach Amerika – und dort, in New York, begann der weltweite Erfolg der Schweizer Truppe, der nun seit 50 Jahren anhält. Gründungsmitglied Andres Bossard ist 1992 gestorben, Bernie Schürch zog sich 2012 zurück, aber Floriana Frassetto hielt weiterhin die künstlerischen Zügel in der Hand. Ihre Truppe hat sich verjüngt und das Repertoire umfasst nun über 100 Nummern, auch Masken- und Spieltechnik wurden erweitert – die Qualität aber ist die gleiche geblieben.

Die Highlights aus 50 Jahren

Mummenschanz zeigte im SAL 90 pausenlose Minuten lang die Highlights aus den letzten 50 Jahren, das waren oft ganz kurze Auftritte, wie beispielsweise zwei riesengroße Augen, die sich öffneten und schlossen, und als dann ein Mund daher spazierte, war da plötzlich ein Gesicht auf der Bühne. Zu erleben waren die inzwischen klassischen Lehmmasken, die sich streiten und dabei gegenseitig das Gesicht demolieren oder besser: immer wieder neu formen. Dann die Klopapier-Gesichter mit ihrer Liebesgeschichte, bei denen die Tränen meterweise abrollten oder die luftgefüllten Giants, die über die Bühne schwebten und einen geheimnisvollen Zauber verbreiteten. Ebenso die berühmten Röhrenfiguren, die sich in erstaunliche Formationen verbiegen können oder mit dem Publikum Ball spielen. Ganz in schwarz mit einem Kastenkopf ließ sich Floriana Frassetto vom Publikum mit Klebstreifen ein Gesicht verpassen.
Neben diesen Klassikern waren auch neue Sketche zu erleben, wie die Nummer mit den Handy-Wesen in ihren Kapuzenpullovern und den wunderbar formbaren Handyrahmen, über die sie eifrig wischten oder tippten. Und dann entpuppten sich die Wesen als MusikerInnen, unter den Kapuzen verbargen sich wilde Haarlocken, die Musik dröhnte aus den Rahmen-Handys, sie begannen zu tanzen und schon waren wir in der Jetzt-Zeit.  Damit zeigte Mummenschanz auch einen Weg auf, die das bisher stille Theater mit neuen Mitteln auf neue Wege führen könnte, ohne ihre Poesie und Darstellungskraft zu verlieren.
Mummenschanz erzählt Alltagsgeschichten, schaut den Menschen in ihre Seelen, beobachtet ihre körperliche Ausdrucksweisen und spiegelt sie. Und jeder im Publikum erkennt die Situationen und die Emotionen. Denn die Menschen sind überall auf der Welt gleich bezüglich Liebe oder Kommunikation, daher ist diese Kunst auch weltweit verständlich. Ganz ohne Worte. Play it again and again, Mummenschanz!

www.mummenschanz.com

Teilen: Facebook · E-Mail