Gehoben, getragen, berührt und gelacht – C!RCA feiert sein Stück „Humans“ und wir feiern mit Manuela Cibulka · Jun 2022 · Kleinkunst,Zirkus

Einladend begrüßen die beleuchteten bunten Oberlichten des Freudenhauses in Lustenau sein Publikum. Die Terrasse ist voll besetzt, das Zelt mit Menschen, die sich an den mit weißen Tischdecken bestückten Kaffeehaustischen angeregt bei Wein und Brötchen unterhalten und sichtlich gespannt des Kommenden harren, gefüllt. Angekündigt: die Österreichpremiere des Stückes „Humans“ der Gruppe C!RCA – 2004 in Australien gegründet, inzwischen in mehr als 40 Ländern auf Tour, von über 1,5 Millionen Zuschauer:innen bejubelt und mit Preisen ausgezeichnet. Die Erwartungen sind hoch und in Anbetracht der ausverkauften Vorstellung ist der vorauseilende Ruf der „Rockstars des Zeitgenössischen Zirkus“, die nicht das erste Mal in Lustenau begrüßt werden, offensichtlich.

Alle sind in Vorbereitung – auch die zehn Artist:innen, die sich aus dem Publikum heraus nach und nach auf die Bühne bewegen, sich der Alltagskleidung entledigen und mit ihrer Entspanntheit und Coolness den Abend einläuten.
Es sei vorweggenommen: die 90 darauffolgenden Minuten erfüllen wie versprochen alle Erwartungen und bieten eine Perfomance voller Spannung und geballter Kraft, voller Mut vereint mit Eleganz und Leichtigkeit, mit Momenten, die das Herz stocken lassen um im gleichen Atemzug durch das unglaubliche gegenseitige Vertrauen der Akrobat:innen gestützt, das Publikum zu erlösen und mittels ästhetischer Bilder begeistert zurücklehnen zu lassen. Keine Sekunde kann man sich loslösen und man ist mitten drin in dieser Welt der „Humans“ – der Menschen, so wie sie sind, oder besser, wie man sich wünscht, dass sie wären. Wie angekündigt erlebt man auf der Bühne „die Menschlichkeit als erlösende Kraft in ihrer ganzen Stärke und feiert, was es heißt, ein Mensch zu sein.“

Alle und alles findet Platz

Bilder aller Akrobat:innen gemeinsam auf der Bühne, die wenigen Quadratmeter bespielend ohne für den Zuschauer fassbar zu machen, wie sich das überhaupt ausgehen kann, leiten den Abend ein – ein Drunter und Drüber, ein Schwingen und Rollen, Werfen, Fangen und über die Bühne Schleudern. Licht und Musik perfekt abgestimmt unterstreichen die Stimmung und man ist mitten drin im Leben. Die Künstler:innen präsentieren sich mit Solonummern hängend im Reif, am Seil oder in Bändern ebenso wie im Dialog. Witziges, wenn nicht nur die Liebe zwischen Mann und Frau sondern zu James Browns „Please, Please, Please“ auch zwei Männer ihre Körper ausgiebigst flirten lassen, ebenso wie Berührendes, wenn eine Partnerin völlig „muskellos“ sich ihrem Gegenüber übergibt und dieser ihren Körper verformt und ihre Bewegungen führt.
Besonders eindrücklich ist, wenn die Solist:innen abgelöst, aufgefangen und getragen werden und so die Übergänge fließend gelingen und durch ein neues Musikgenre eingeleitet werden.
Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Selbst Menschen, deren Körper scheinbar zu allem fähig sind gelingt es nicht, mit der eigenen Zunge ihren Ellenbogen zu berühren. Durch die verzweifelten Versuche aller Akrobat:innen dazu, werden diese nahbar und verletzlich und wahrscheinlich ist genau das eine besondere Stärke der Inszenierungen von Yaron Lifschnitz, dass neben den künstlerischen Höchstleistungen auch eindrückliche Szenen, die nicht nur den Wow-Effekt steigern, sondern zum Nachdenken anregen, Platz finden.

Ein Bogen gespannt über das Leben

Der Abend steigert sich: über Köpfe gehen, Menschentürme und -brücken bauen, zu fünft auf einem Paar Schultern stehen – volle Konzentration im ganzen Zelt.
Dass der Bogen dann aber nicht im Höhepunkt endet, sondern gespannt wird an den Beginn, als die Alltagskleidung abgelegt und voller Erwartung gestartet wurde, ist besonders schön. Kurze letzte Auftritte, ein Kommen und Gehen, kleine Gesten der Erinnerung, Reminiszenzen an die jeweils markanten Momente der Auftritte jedes Einzelnen, das Ausziehen der Kostüme als Abstreifen der Aufgaben und Abschließen eines Abends, der alle Beteiligten zusammenführte und jetzt zum Abschied ruft. Werden wir uns wiedersehen?
Emotionalität gepaart mit so viel Freude und Energie, dass das Publikum schon steht, bevor mit Klatschen begonnen wird – mitgerissen, hingerissen und in der Hoffnung auf ein Wiedersehen.

C!RCA: „Humans“
weitere Vorstellungen: 23./24./25.6. jeweils um 20.30 Uhr
Freudenhaus, Lustenau

www.freudenhaus.or.at

Teilen: Facebook · E-Mail