Bissiger Blick auf Alltägliches: Gerhard Polt und die Well-Brüder Walter Gasperi · Dez 2022 · Kleinkunst,Kabarett

Zwei Jahre ging aufgrund von Corona wenig, doch jetzt sind Gerhard Polt und die Well-Brüder wieder unterwegs. Auch nach 40 Jahren Bühnenpräsenz zeigen sie keine Abnützungserscheinungen und begeisterten im Dornbirner Kulturhaus das Publikum.

1982 traten der bayrische Kabarettist Gerhard Polt und die aus Michael, Christoph und Hans Well gebildeten Biermösl Blosn erstmals gemeinsam auf. 2012 ersetzte bei letzterer Karl Well seinen Bruder Hans und aus der Biermösl Blosn wurden die Well-Brüder aus´m Biermoos, doch das Konzept der Programme blieb gleich.
40 Jahre ist die Formation damit inzwischen schon unterwegs, immerhin 80 Jahre alt wurde Gerhard Polt in diesem Jahr, doch von Abnützungserscheinungen oder Altersmüdigkeit ist nichts zu spüren. Frisch wie eh und je ist das Programm, besticht durch Polts genauen Blick aufs Alltägliche und menschliche Abgründe auf der einen Seite und musikalische Vielfalt der Well-Brüder mit bissigen Gstanzln auf der anderen.

Menschliche Abgründe hinter harmloser Oberfläche

Schon mit dem Einzug mit Dudelsack und riesiger Tuba wird man auf den Abend eingestimmt. Tagespolitik kommt ins Spiel, wenn die Well-Brüder die Werbetrommel für die in ihrer Heimat ansässige Firma Rupp-Rohr Rohrbach rühren. Dieses Unternehmen sorgte nämlich nicht nur für die Kanalisation des Ortes, sondern war auch bei einer Weihwasserpipeline von Tschenstochau über Altötting bis Lourdes und bei Nord Stream 2 beteiligt. Doch solche politischen Kommentare werden immer nur beiläufig eingestreut und bleiben im Hintergrund. Im Zentrum steht das allgemein Menschliche.
Immer wieder geht Polt dabei vom Allgemeinen aus und verleiht seinen Geschichten Durchschlagskraft, indem er dann persönliche Erfahrungen ins Spiel bringt. Das gilt für eine Erzählung über das Verhältnis zu den Nachbarn, bei dem Feindseligkeiten, Überwachung und Denunziation aufgedeckt werden, ebenso wie für eine Geschichte über seine Tatenlosigkeit angesichts des Ertrinkens eines Nichtschwimmers.
Einerseits wirken diese Geschichten oder Sketche schon durch den bayrischen Dialekt authentisch und erdig, andererseits versteht es Polt, sie bestechend im realistisch geschilderten Alltag zu verankern und konsequent weiterzutreiben und zu steigern. Punktgenaue Sprache, mit der auf Erwartbares immer noch eins draufgesetzt wird, sorgt einerseits für große Pointendichte, andererseits werden hinter dem scheinbar Harmlosen und Banalen immer wieder menschliche Abgründe sichtbar.

Bissige Kirchenkritik

Mangel an Priestern und Kirchgängern wird in einem großartigen Interview mit einem indischen Pfarrer, der Bayern rechristianisieren soll, thematisiert. Hinreißend ist schon, wie genau Polt dabei in seiner Mischung aus Englisch, Bayrisch und Kunstsprache hier die Sprachprobleme des ausländischen Priesters trifft, aber auch inhaltlich besticht diese Nummer durch treffliche Beobachtung.
Bissige Kirchenkritik üben die Well-Brüder in einem Gstanzl über das Fensterln – das Priester bis Papst verbieten, Gott aber gestattet – eines jungen Mannes, , der aus seiner hoffnungslos veralteten Kirche doch schon längst ausgetreten ist. Aber auch mit den kirchlichen Missbrauchsskandalen wird mit dem Einsatz des Well´schen Instruments des Brunfttopfes, das eindeutige Assoziationen weckt, abgerechnet.

Musikalische Vielfalt und Sprachakrobatik

Faszinierend ist überhaupt, wie die Well-Brüder zwischen den Instrumenten wechseln, auf Ziehharmonika und Harfe ebenso spielen wie auf Blockflöte, Querflöte und Geige und schließlich bei der Zugabe auch drei Alphörner einsetzen, denen sie wiederum jazzige Klänge entlocken. Aber es wird auch geschuhplattelt, wenn Andreas Gabalier sein Fett abbekommt, ein Bauchtanz geboten oder in Erinnerung an die schottischen Vorfahren der Wells ein Highland-Tanz vorgeführt.

Feine Spitzen gegen die Politik

Bestens getimt ist die Mischung der sprachakrobatischen Einlagen von Polt, der auch mal in die Rolle eines Tiroler Tourismuschefs schlüpft, der über die nach den mageren Corona-Jahren für Ärzteschaft und Krankenhäuser wieder erfreuliche Steigerung an Skiunfällen referiert, und den musikalischen Einlagen der Well-Brüder.
Fein dosiert eingestreut werden auch immer wieder politische Spitzen, wenn Putin, Erdogan, Orban und Co. zu Stubenmusik aufgefordert werden, mit der Konflikte behoben werden können, oder in Gstanzln kurz die Inseratenaffäre des Vorarlberger Wirtschaftsbunds, Herbert Kickl, Johanna Mikl-Leitner und Karl-Heinz Grasser kommentiert werden.
Keinen Leerlauf gibt es so in diesen zweieinhalb Stunden, sondern eine Pointe jagt die andere und gleichzeitig bewegt sich der ganze Abend auf sprachlich und musikalisch höchstem Niveau: Ein pures Vergnügen, das das sichtlich begeisterte Publikum immer wieder zu Szenenapplaus und zu langanhaltendem Schlussapplaus motivierte.

https://polt.de
https://well-brueder.de/

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