Berührendes und unterhaltsames „Teatro Delusio“ der Familie Flöz im Freudenhaus Lustenau Thorsten Bayer · Sep 2017 · Kleinkunst,Zirkus

Maskentheater der Extraklasse bringt die Familie Flöz auf die Bühne. Ihre aktuelle Produktion „Teatro Delusio“ stellt drei Figuren in den Mittelpunkt, die sonst nie dort zu finden sind. Das Stück ist heute, Donnerstag erneut zu sehen. Es gibt noch Karten.

Die Familie Flöz, ein Künstler-Kollektiv aus Berlin, das seine Wurzeln an der Folkwang-Hochschule in Essen hat, ist ein alter Bekannter im Freudenhaus. Die Produktionen „Ristorante Immortale“ und „Hotel Paradiso“ waren hier bereits zu sehen. „Teatro Delusio“ entstand in Kooperation mit dem Theaterhaus Stuttgart. Es beleuchtet das Geschehen auf der Hinterbühne eines Theaters, die von den unterschiedlichsten Gestalten bevölkert wird: vom greisen, tattrigen Geiger über den Dirigenten-Impresario bis zum aufdringlichen Ballett-Tänzer. Insgesamt 29 Figuren mit individuellen, ausdrucksstarken Masken treten so auf und ab. Verkörpert werden sie von nur drei Darstellern, die blitzschnell ihre Rollen wechseln.

Ohne Worte

Die Klammer dieses bunten Treibens sind die drei Bühnenarbeiter Bob, Bernd und Ivan. Dass sie so heißen, weiß nur der Leser des Pressetextes. Denn ebenso wie alle anderen Figuren bleiben sie stumm und kommunizieren ausschließlich über ihre Gestik. Die Masken sind starr – und doch wirkt es immer wieder, als würde man eine Regung auf den Gesichtern erkennen. So plastisch werden die Figuren und Charaktere, dass Worte überflüssig und vielleicht sogar stören würden.
Während auf der Bühne, die der Zuschauer nur erahnen kann, alle Stücke von der Oper bis zum Mantel-und-Degen-Abenteuer gespielt werden, spiegeln sich diese Stoffe auf der Hinterbühne; bei Bob, Bernd und ihrem Chef Ivan. Es sind denkbar unterschiedliche Charaktere: hier der sensible Bernd mit zwei linken Händen, der am liebsten in seinen Büchern versinkt, dort der Kraftprotz Bob, der nach Aufmerksamkeit giert. Ivan möchte die Kontrolle über das Geschehen behalten und kann oft nur den Kopf über seine zwei Kollegen schütteln. Als sich Bernd in eine Ballerina verliebt, verlagern sich leidenschaftliche Liebesszenen auch auf die Hinterbühne.

Körperliche Konflikte

Das Stück aus der Feder von Paco González, Björn Leese, Hajo Schüler und Michael Vogel begeistert mit den fein nuancierten Figuren und dem extrem präzisen Zusammenspiel der Darsteller untereinander und mit den Tontechnikern. Jede noch so kleine Geste sitzt bis auf die Millisekunde. So entstehen viele lustige Szenen, immer wieder aber auch bewegende. „Ein Werk mit großer poetischer Kraft, das in Erinnerung bleibt“, befand zu Recht der Kollege der Madrider Tageszeitung El MundoBesondere Kraft entwickeln die Stücke der Familie Flöz dadurch, dass sie Theater mit Mitteln macht, die „vor der Sprache“ liegen.
„Jeder Konflikt manifestiert sich im Körper. Der körperliche Konflikt ist der Ursprung jeder dramatischen Situation“, erklärt sie auf ihrer Homepage www.floez.net, wo es zu ihrer Arbeitsweise weiter heißt: „
Alle Stücke entstehen in einem kreativ-kollektiven Prozess, in dem alle Darsteller auch als Autoren der Figuren und Situationen wirken. In zahllosen Improvisationen umkreist die Truppe ihr selbstgewähltes Thema und sammelt dramatisches Material, bevor die stummen Masken ins Spiel kommen. Ähnlich wie ein Text, bringt eine Maske bereits nicht nur eine Form, sondern auch einen Inhalt mit. Der Prozess von der Entwicklung einer Maske, über die spielerische Erprobung, bis hin zur Symbiose Spieler/Maske ist im wahrsten Sinne des Wortes ‚maßgebend’ für das Resultat.“ So legen sie – entsprechend ihres Namens aus der Bergmannssprache – die Essenz ihrer Figuren frei. 

Kostprobe gefällig? Hier der anderthalbminütige Trailer zu „Teatro Delusio“ auf vimeo: https://vimeo.com/203564044

Karten für die Vorstellung am heutigen Donnerstagabend sind noch erhältlich. Erwachsene zahlen zwischen 24 und 27 Euro, Kinder unter 16 Jahren 17 Euro. www.freudenhaus.or.at

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