Junge Stimmen im Interview mit Michaela Ortner-Moosbrugger
Mit wenigen Pinselstrichen viel Emotion auslösen
HAK HAS Lustenau · Jun 2025 · Ausstellung

Schüler:innen der HAK Lustenau setzen sich mit Journalismus und Mediengestaltung auseinander. Hier bieten wir Raum für ihre Kulturerfahrungen und Meinungen. Aleyna Karaca (*2007) wollte sich mit Frauen in der heimischen Kunstszene beschäftigen und hat folgenden Beitrag gestaltet.

Auf der Suche nach weiblicher Präsenz in der heimischen Kunstszene stieß ich auf die gebürtige Bregenzerin Michaela Ortner-Moosbrugger. Begeistert vom Medium Tusche, dem ich bisher in der Kunstszene hierzulande noch nicht so oft begegnet bin, traf ich mich mit der Künstlerin zu einem Gespräch über den weiblichen Beitrag zur Kunst im Allgemeinen und Michaela Ortner-Moosbruggers Kunst im Besonderen. 

Aleyna Karaca: Frau Ortner-Moosbrugger, Sie wurden 1978 in Bregenz geboren und haben in Zürich Kunst studiert. Wie würden Sie Ihre Kunst in eigenen Worten beschreiben?
Michaela Ortner-Moosbrugger: Meine Kunst sind Tuschezeichnungen. Es sind alles reine Tuschezeichnungen von heimischen Wäldern bzw. Pflanzen. Es hat sich über die Jahre entwickelt; zuerst waren es nur Waldlandschaften und dann wurden es einzelne Pflanzen, also eine Art botanische Serie. Manchmal mache ich auch kleine Illustrationen oder Tierzeichnungen. 

Käthe Kollwitz und die Natur als Inspirationsquelle 

Karaca: Wie sind Sie zur Kunst gekommen? Gab es einen Moment oder eine Entscheidung, die für Sie besonders wichtig war?
Ortner-Moosbrugger: Ja, der Ausschlag gebende Punkt war folgender: Ich habe, als ich 15 war, mit meiner Mutter eine Berlinreise gemacht und wir waren im Käthe-Kollwitz-Museum, und da war ich so gefesselt. Als ich in dem Museum gestanden bin, weiß ich noch, dass ich meiner Mutter gesagt habe: „Das ist, was ich machen will.“ Mit wenigen Pinselstrichen sehr viel Emotion auslösen. Das war mein Schlüsselmoment.
Karaca: Was oder wer inspiriert Sie neben Käthe Kollwitz noch?
Ortner-Moosbrugger: Käthe Kollwitz ist sicher immer noch meine größte Inspiration, mein künstlerisches Idol. Aber Inspirationen sind daneben Spaziergänge in der Natur, weil ich ja die Landschaften oder Szenerien, die ich zeichne, auch sehe. Ich zeichne nicht aus dem Kopf raus, ich sehe sie. Natur ist für mich außerdem auch ein Heilmittel.
Karaca: Machen Sie dann bei den Spaziergängen ein Foto oder machen sie schon kleine Skizzen in der Natur und zeichnen dann im Atelier weiter?
Ortner-Moosbrugger: Ich mache Skizzen und bei wirklich langen Spaziergängen hab' ich immer meinen Rucksack dabei, mein Skizzenmaterial, mach' mir auch Notizen – zu Jahreszeiten, zu Lichteinfällen, wo das Motiv zu finden war, ob es frühmorgens oder abends war. Dann gehe ich ins Atelier und mache mir eine Vorzeichnung.
Karaca: Wie hat sich Ihre Bildsprache im Laufe der Zeit entwickelt und was prägt sie?
Ortner-Moosbrugger: Meine Kunst ist sehr geprägt von Tuschezeichnungen; die Tusche ist ein eigener Werkstoff. Bei uns wird sie wenig verwendet, sie ist sehr asiatisch geprägt. In der Art, wie ich sie verwende, wird sie zudem auch wenig verwendet, also für große Gemälde. Im Laufe der Zeit haben sich bei mir die verwendeten Formate geändert; zuerst habe ich kleine Sachen gemacht und dann wurde alles größer. Bei den Zeichnungen bin ich dann zu 150 x 270 übergegangen. In der letzten Zeit habe ich wieder ganz vereinfacht, ich habe angefangen, einzelne Zeichnungen wie botanische Zeichnungen zu illustrieren.
Karaca: Nach Stationen in Berlin und Wien sind Sie jetzt wieder zurück in Vorarlberg. Sie haben hier Ihr Atelier – was macht es für Sie denn besonders, in Hohenems zu arbeiten statt in einer größeren Stadt?
Ortner-Moosbrugger: Das Inspirierende für mich, nach Hause zu kommen, waren die Wälder und die Natur. Auch als ich noch in Berlin gelebt habe, habe ich immer unsere Wälder gezeichnet, und jetzt bin ich natürlich wieder an der Quelle, ganz nahe bei diesen Wäldern. Der große Vorteil: Ich bin einfach in 20 Minuten oben am Bödele und hab' viele Wälder vor mir. Wenn ich früher mal in Vorarlberg zu Besuch war, habe ich ganz viele Spaziergänge gemacht, die Eindrücke mitgenommen und in Berlin umgesetzt.   

Als Frau in der Vorarlberger Kunstszene 

Karaca: Wie erleben Sie es, als Frau in der Vorarlberger Kunstszene tätig zu sein? Gibt es Dinge, die Sie anders sehen oder erleben als männliche Künstlerkollegen?
Ortner-Moosbrugger: Ich sehe eher Unterschiede zwischen den Orten, zwischen in Berlin sein und hier sein zum Beispiel. Die Orte sind so verschieden und die Kulturszene ist anders. Ich glaube, dass hier sehr viele Frauen in der Kunst tätig sind. Aber wie viele können davon leben? Ich denke, das sind wenige. Bei den Männern habe ich eher das Gefühl, dass sie davon leben. Das ist, glaube ich, eher der Unterschied.
Karaca: Haben Sie das Gefühl, dass Künstlerinnen genug Sichtbarkeit bekommen?
Ortner-Moosbrugger: Es ist nichts, was einem zufällt. Man muss daran arbeiten. Es gibt viele verschiedene Formate, aber natürlich sind die in Vorarlberg anders als in München, Berlin oder in Zürich. Die Großstadt hat andere Möglichkeiten und die Vernetzung ist sicher auch eine andere. In Vorarlberg hat jeder ein Atelier zuhause oder irgendwo anders. In Großstädten hat man oft Ateliergemeinschaften, und das macht schon sehr viel in Bezug auf die eigene Sichtbarkeit aus – man kann zum Beispiel gemeinsam die Ateliers öffnen. Na ja, man hat natürlich auch mehr Ausstellungsmöglichkeiten in Großstädten. Man muss sich in Vorarlberg darum bemühen, es ist ein Immer-wieder-neue-Möglichkeiten-Suchen.
Karaca: Glauben Sie, dass es so etwas wie eine „weibliche Note“ in der Kunst gibt? Falls ja, woran könnte man sie erkennen?
Ortner-Moosbrugger: Käthe Kollwitz ist für mich so ein großes Idol, weil sie Emotion in die Arbeit bringen kann. Ich will nicht sagen, dass Männer das nicht machen, ich will ihnen nichts unterstellen, aber ich glaube, das ist ein großer Punkt bei Frauen. Ich denke, es zeichnet Frauen besonders aus.
Karaca: Was würden Sie sich für die Zukunft der Vorarlberger Kunstszene wünschen, besonders für Frauen?
Ortner-Moosbrugger: Dass es größere Plätze gibt, wo mehr Künstler:innen miteinander arbeiten können, also Ateliergemeinschaften, große Vernetzungsmöglichkeiten – das würde ich mir wünschen für Frauen. Um die Vernetzung untereinander zu pushen und sich gegenseitig mehr zu fördern.
Karaca: Vielen Dank für das Interview. 

Kommende Ausstellungen von Michaela Ortner-Moosbrugger:
Die Künstlerin ist im Juni und Juli mit ihren Werken zu Gast im Weingut Aufricht (Stetten am Bodensee) und stellt während der Schubertiade im August in der Galerie der Poststelle Hirschbühl in Schwarzenberg aus.
Aktuell arbeitet die Künstlerin am neuen Kunstsparbuch für die Sparkasse Bregenz, welches im September vorgestellt wird.

www.m-ortner.com

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der „KULTUR" Juni 2025 erschienen. Hier geht es zum E-Paper.

Das Projekt „Junge Stimmen“ wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

 

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