Josef Ackermanns Reise aus der Provinz zum Bankenolymp Anita Grüneis · Sep 2024 ·
Das Bildungshaus Gutenberg in Balzers hatte sich viel vorgenommen, als es den bekanntesten Topmanager und Bankenboss Josef Ackermann zu einer Veranstaltung einlud. Im Dialog mit dem Neurologen Prof. Jürg Kesselring sollte er sein Buch „Mein Weg“ vorstellen. Wie hoch das Interesse am einstigen Boss der Deutschen Bank immer noch ist, zeigte der bis auf den letzten Platz gefüllte Saal. Und damit das Ganze nicht zu wortlastig wurde, spielten zwischendurch Caroline Wocher an der Geige und ihr Bruder Friedrich Wocher am Kontrabass, zwei vielversprechende Jungmusiker aus Rankweil.
Es wurde keine Buchvorstellung im üblichen Sinne, denn Jürg Kesselring war vor allem an der Persönlichkeit der aus der Provinz hervorgegangenen Weltberühmtheit interessiert. Josef Ackermann wurde 1948 in Walenstadt geboren und wuchs in Mels in einem Arzthaushalt auf. „Wir haben viel Leid gesehen, und mussten hin und wieder auch tatkräftig mithelfen, wenn es zum Beispiel darum ging, einen Arm wieder einzurenken“, erzählte er. Von seinem Vater lernte er unter anderem, dass man Tag und Nacht bereit sein muss um zu helfen. Wichtig war für ihn als Kind aber auch zu sehen, dass gegen das Leid etwas getan werden kann und dass Menschen dafür dankbar sind. Das Aufwachsen in der Provinz habe ihm „ein Urvertrauen in das Dasein in dieser Welt“ gegeben. Zudem war er sehr sportlich und gesellig. Das Gymnasium besuchte er dann in Chur: „jeden Morgen um 7.02 Uhr fuhr der Zug in Sargans los“, weiß Josef Ackermann noch heute. Er wählte den humanistischen Zweig, lernte sieben Jahre Latein und fünf Jahre Griechisch. Ein Medizinstudium kam für ihn aber nicht in Frage: „Ich konnte kein Blut sehen“. So entschied er sich für die Ökonomie an der Universität St. Gallen, damals noch HSG genannt.
Wie mit dem Scheitern umgehen
Jürg Kesselring wollte wissen, woher Josef Ackermann gelernt hat, mit dem Scheitern umzugehen. „Man kann immer scheitern und immer wieder neu beginnen“, meinte dieser und dass viele den Fehler machen, sich über ihre berufliche Position zu definieren. Er selbst habe nach diesen Maximen gelebt:
1. Genieße im Leben alles mit Maßen.
2. Wichtig ist eine intakte Familie, in der man aufgehoben ist.
3. Man soll sich Ziele setzen, die erreichbar sind, also nicht zu ambitioniert sein.
4. Ab und zu mal Nichtstun. Ruhe, Entspannen. Nur so lassen sich neue Dimensionen entdecken.
Jürg Kesselring fügte hinzu: „Wichtig ist auch, sich selbst zu erkennen. Als kleiner Mensch wäre es schwierig, ein Basketball-Star zu werden.“
Studium und Beginn als Banker
Im Studium hatte Josef Ackermann Glück mit seinem Mentor und Doktorvater Hans Christoph Binswanger, ein kulturell hochgebildeter Ökonom, der schon damals das Umweltbewusstsein anmahnte und ihn zum Assistenten machte. Zudem lernte Ackermann seine spätere Frau, die Finnin Pirkko Mölsä kennen. Geheiratet haben sie 1977. Sein erster Job bei der damaligen SKA, der späteren Crédit Suisse, begann mit dem Chiasso Skandal, bei dem die Bank mehrere hundert Millionen Franken verlor. Kapitalflüchtlinge aus Italien hatten der Tessiner SKA Milliarden anvertraut, die dann in obskure Kanäle verschwanden. „Wie kannst du zu so einer Bank gehen“, sagten Freunde. Für ihn aber sei es spannend gewesen, wie man mit solchen Krisen umgeht. In seinem späteren Berufsleben, bis hin zum mächtigsten Manager der Welt, hatte er weit größere Krisen zu managen. Sein Credo war immer: „Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann kämpfe ich auch dafür.“ Damit stand er viele Anfeindungen durch. Zum Thema Medien meinte er: „Es gibt eine öffentliche Meinung und es gibt eine veröffentlichte Meinung.“
Die Deutsche Bank und vieles mehr
An diesem Abend erzählte er auch über seine Zeit bei der Deutschen Bank („die europäische Dimension hat mich schon gereizt“), sprach über seine Erlebnisse in New York nach dem 11. September und meinte auf die Frage von Jürg Kesselring, wie er sich stets auf sein Bauchgefühl verlassen konnte: „Wenn man überzeugt ist, zu Recht in einer bestimmten Position zu sein, dann kann man alles stemmen. Aber wenn man ständig an sich zweifelt, wird das schwierig“. Das sehe man auch heute bei verschiedenen Politikern.
Das vorwiegend ältere Publikum war nach zwei Stunden etwas ermüdet aber sehr neugierig auf das Buch „Mein Weg“, in dem Josef Ackermann auch über seine Treffen mit vielen berühmten Politiker:innen und Künstler:innen schreibt und vor allem seine Ansichten zur aktuellen Finanzsituation darlegt. Auf Englisch soll das Buch übrigens „My Journey“ heißen um nicht an Frank Sinatras Song „My way“ zu erinnern. „Mein Weg“ ist auch der Kampf eines Mannes um sein Image. Das Buch endet mit einem Zitat von Gerhard Hauptmann „Wer tiefer irrt, der wird auch tiefer weise.“
Josef Ackermann: Mein Weg, Langen-Müller-Verlag, München 2024, 460 Seiten, ISBN 978-3-7844-3655-5
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