Joe Lovano / Marcin Wasilewski / Slawomir Kurkiewicz / Michal Miskiewicz: Homage Peter Füssl · Jun 2025 · CD-Tipp
Wer das exzellente 2020-er Album „Arctic Riff“ noch im Ohr hat, wird sich über das neuerliche transatlantische Gipfeltreffen des polnischen Marcin Wasilewski Trios mit dem US-amerikanischen Saxophon-Giganten Joe Lovano freuen, denn das nunmehr vorliegende Nachfolgealbum des einfallsreichen, musikalisch wendigen und gleichermaßen virtuosen wie ausdrucksstarken Quartetts bietet wieder enorm viel Hörenswertes.
Gleich zum Auftakt gestaltet man die einzige Fremdkomposition – „Love In The Garden“ des legendären, 1979 verstorbenen polnischen Geigers Zbigniew Seifert – zur expressiven Ballade, in der sich Piano und Tenorsax wundervoll umgarnen. Die restlichen fünf Stücke stammen aus der Feder Lovanos und bieten allen Beteiligten viel Raum für Improvisationen. Das Titelstück „Homage“ ist ECM-Chef Manfred Eicher zum 80. Geburtstag sowie dessen Label gewidmet und wurde 2023 im Rahmen einer entsprechenden Feier von Lovano gemeinsam mit Avishai Cohen, Tigran Hamasyan und Nasheet Waits in der Hamburger Elbphilharmonie uraufgeführt. Er habe beim Schreiben des Stückes „keine Noten, nur Gefühle, die in einer Abfolge von Ereignissen notiert wurden“ verwendet, so Lovano, der erzählt, mit dem Hören von ECM-Aufnahmen aufgewachsen zu sein und daraus seine musikalische Orientierung gewonnen zu haben. In der Tat könnte man das vielschichtige, abwechslungsreiche und ausdrucksstarke Acht-Minuten-Stück als eine Art extrem komprimierter Zusammenschau der Label-Geschichte lesen. Noch länger sind mit gut zehn bzw. zwölf Minuten „Golden Horn“ und „This Side – Catville“ ausgefallen, wobei es sich durchwegs lohnt, das Augenmerk auch auf die enorme, weit über jegliche Begleitfunktion hinausgehende Gestaltungskraft des gleichermaßen explosiven wie sensiblen Drummers Michal Miskiewicz und des wendigen Kontrabassisten Slawomir Kurkiewicz zu legen.
Aber natürlich sind es die emotionalen Tenorsax- und Tarogato-Ausbrüche Lovanos sowie die einfallsreichen Piano-Eskapaden Wasilewskis, die vordergründig in den Gehörgängen haften bleiben. „This Side – Catville“ wirkt mit seinen swingenden Passagen, Hard Bop- und Free-Bop-Einflüssen, geschickt gesetzten musikalischen Unruhe-Herden und meditativen Ruhepolen wie ein lustvoller Spaziergang durch die jüngere Jazz-Geschichte. Hier wird auch deutlich, wie sehr die vier Musiker durch die vielen gemeinsamen Konzerte zusammengeschweißt wurden und sich wechselseitig als Inspirationsquellen dienen. Auch dass die Musik dieses Albums bei einer fünfstündigen Studiosession im berühmten Van Gelder Studio in New Jersey während eines einwöchigen Engagements im New Yorker Jazz-Club Village Vanguard aufgenommen wurde, mag zum ungemein vitalen Charakter des musikalischen Geschehens beigetragen haben. Zwei kurze Improvisationen bestreitet Joe Lovano solo. Auf „Giving Thanks“ demonstriert er seine gleichermaßen elegante wie warmherzige Ausdruchsstärke auf dem Tenorsax, während er auf „Projection“ seine Sammlung an Gongs, die über das Album verteilt immer wieder zum Einsatz kamen, erklingen lässt und damit für einen rein perkussiven Abschluss sorgt. Das Marcin Wasilewski Trio, das vor bald 25 Jahren von keinem Geringeren als Tomasz Stańko endgültig ins internationale Rampenlicht geführt wurde, bewegt sich längst im absoluten Spitzenfeld der zeitgenössischen Piano-Trios und bildet zusammen mit dem äußerst kreativen Joe Lovano ein kongeniales Power-Quartett, von dem man hoffentlich noch viel hören wird.
(ECM/Universal)
Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der „KULTUR" Juni 2025 erschienen. Hier geht es zum E-Paper.
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