Idyllische und konfliktreiche Orchestergeschichten
Jubel für das City of Birmingham Symphony Orchestra, Kazuki Yamada und Fazil Say
Silvia Thurner ·
Mai 2025 · Musik
Zum Abschluss der Bregenzer Meisterkonzerte wurde der Reiz dieser erfolgreichen Abonnementreihe erlebbar. Ein riesig besetztes Orchester musizierte auf beeindruckendem Niveau, Kazuki Yamada am Dirigentenpult hatte die Sympathien der Musiker:innen und der Zuhörenden auf seiner Seite und der international renommierte Pianist und Komponist Fazil Say begeisterte mit seiner individuellen Ausdruckskraft. Die farbenreichen Kompositionen von Berlioz, Bernstein und Ravel erklangen in temperamentvollen Werkdeutungen und zogen die Zuhörenden in ihren Bann. Das Gemeinschaftserlebnis im voll besetzten großen Saal des Bregenzer Festspielhauses verstärkte die Intensität der Interpretationen.
Fazil Say war schon öfter in Vorarlberg zu Gast. Gemeinsam mit dem City of Birgmingham Symphony Orchester präsentierte er Ravels vielschichtiges Klavierkonzert in G-Dur. Im Eröffnungssatz betonte der Pianist die Jazzphrasierungen und spielte im Wechsel mit dem aufmerksam gestaltenden Orchester die Rhythmik sowie Kontrastwirkungen mit feinsinnigem Charme aus. Zahlreiche Passagen ließen aufhorchen, doch am meisten Aufmerksamkeit erregten die schattenhaften Lichtspiele des Klaviers und der Harfe. Den Höhepunkt der Werkdeutung bildete Fazil Says poesievolles Spiel im zweiten Satz. Ganz bei sich formte er die melodische Linie und brachte dabei Ravels Intention, Mozart möglichst nahezukommen, hervorragend zur Geltung. Zudem setzte Fazil Say die irrlichternden Floskeln in hohen Lagen als wunderbare Ergänzung zu den chromatischen Melodielinien der Bläser in Szene. Im energischen Presto griff unter anderem der Rollentausch zwischen dem Pianisten und den Solist:innen aus den Reihen des Orchesters exzellent ineinander.
Die Interpretation des Ravel-Konzertes wurde vom Publikum zwar honoriert, doch wirkliche Begeisterung zeigten die Zuhörenden nach den Zugaben des Pianisten. Fazil Say ist erfolgreich als Komponist tätig und schafft humorvolle und geistreiche Werke. Bereits ein Klassiker ist seine „Alla turca Jazz“, in der er auf Mozarts berühmte „Alla turca“ aus der A-Dur Sonate (KV 331) mitreißend virtuos und originell Jazzphrasierungen sowie Bluenotes pflanzte. Ebenso lösten seine „Summertime-Variations“, auf Gershwins Arie aus „Borgy & Bess“ beruhend, Begeisterungsstürme aus.
Leuchtend lebhafter Bernstein und viel Emotion
Im Mittelpunkt des Meisterkonzertes im Bregenzer Festspielhaus standen die Sinfonischen Tänze aus der „West Side Story“ von Leonard Bernstein. In diesem Werk stellte das City of Birmingham Symphony Orchestra seine ganze Meisterschaft unter Beweis. Markant kristallisierten sich die thematischen Gegensatzpaare der rivalisierenden Gangs heraus. Bedrohlich formten die Musiker:innen die Konfrontationen musikalisch aus und dehnten zwischendurch, gespickt mit herausragenden Soli, die Zeit im Abschnitt „Somewhere“. Die Art, wie die sehr präsent wirkenden Orchestermusiker:innen den charakteristischen Tonschritt der kleinen Septim in unterschiedlichsten Farben emotional auskosteten, bewirkte eine intensive und auch dringliche Atmosphäre. Mit viel tänzerischem Schwung und Elan wurden der Mambo und der Cha-Cha in den Raum gestellt. Auch hier lenkten zahlreiche Nuancen im großen Ganzen die Aufmerksamkeit auf sich: Aus einem Guss entfalteten die hohen Streicher:innen die Pizzicati in der Einleitung zur berühmten Arie der Maria. Die Violine und die Celesta lösten sodann eine ätherische Stimmung aus. Überdies steigerte das riesig besetzte Orchester durch eine feinsinnige Pianokultur die Intensität der Werkdeutung.
Mitreißender Dirigent
Kazuki Yamada ist seit 2023 Chefdirigent des City of Birmingham Symphony Orchestras. Er überzeugte auf allen Linien. Sein Kontakt zu den Musiker:innen und die emotionale Dirigierhaltung mit sehr aktiven Oberarmen garantierten differenzierte Stimmführungen auch in groß und dicht besetzten Orchesterpassagen. Kazuki Yamadas Temperament kam zudem als aktiv Tanzender authentisch und sympathisch zum Ausdruck.
Den Rahmen des Meisterkonzertes bildeten „Le carnaval romain“, op. 9 von Hector Berlioz sowie „La Valse“ von Maurice Ravel. Beides waren bilderreiche Werke, die das Orchester mit dynamischer Kraft entfaltete. Nicht nur die Klangfülle wurde zelebriert, sondern auch die musikalischen Qualitäten der Orchestermusiker:innen begeisterten in zahlreichen Soli. Mit stürmischem Applaus dankte das Publikum.