„Ich bin kein Karnickel!“
Uaufführung des Stückes „Das Rote vom Ei“ im Alten Hallenbad in Feldkirch
Annette Raschner ·
Mär 2024 · Theater
Zum 15-Jahr-Jubiläum und zum Abschluss ihrer Regietätigkeit hat Barbara Herold mit Gabriele Kögl, Grischka Voss und Gertraud Klemm drei zentrale feministische Autorinnenstimmen in Österreich mit Kurzstücken zum Thema Schwangerschaftsabbruch beauftragt.
„Die Mutter aller Themen“
Während der Supreme Court in den USA das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Abtreibung aufgehoben hat, wurde es in Frankreich in der Verfassung verankert. Der Jubel vor dem Pariser Eiffelturm war groß. In Österreich gilt bekanntlich seit 1975 die sogenannte Fristenlösung, die besagt, dass ein Abbruch innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach einer Beratung durch eine Ärztin oder einen Arzt möglich ist. Doch in vielen Bundesländern gab und gibt es immer noch enorme Hürden zu bewältigen, und in Vorarlberg wurde die Diskussion um die Durchführung von Abbrüchen im Bregenzer Krankenhaus im vergangenen Herbst zu einem Politikum; sogar der Bischof schaltete sich ein. Bis zum heutigen Tag bleibt der Eingriff eine Privatleistung (rund 720 Euro). Für Gertraud Klemm, die die feministische Analyse der zeitgenössischen bürgerlichen Frauenrolle ins Zentrum ihrer Werke rückt, ist der Schwangerschaftsabbruch „die Mutter aller Themen“. In ihrem Kurzstück „Das Rote vom Ei“ konstatiert sie: „Es gibt nur noch zwei ultimative Schandmäler in der Gynäkologie: Die Unfruchtbarkeit und der Schwangerschaftsabbruch!“ Frauen würden als Menschen zweiter Klasse behandelt, sagt Klemm, in deren Stück eine verzweifelte Frau (Sarah Zaharanski), die ungewollt schwanger wurde und für den Abbruch durch ganz Österreich gefahren ist, auf den Arzt (Peter Bocek) wartet. Der aber lässt auf sich warten. Schließlich sollte man es den Frauen nicht zu leicht machen.
Hellsichtige Texte mit unmissverständlichen Botschaften
In Österreich werden laut Expert:innenschätzungen bis zu 60.000 Abbrüche pro Jahr durchgeführt. Während Gertraud Klemm in ihrem Kurzstück auch aufklärerisch wirkt, indem sie beispielsweise über den Mythos der wandernden Gebärmutter informiert, auf dem die Hysterie-Kunde beruht, hat Grischka Voss einen „Albtraum in zwölf Bildern“ geschrieben, der in der nahen Zukunft spielt. In dieser können Schwangerschaftsabbrüche nur noch im kleinen Schurkenstaat Transnirgien durchgeführt werden. Eine Frau (Maria Fliri) steht zunächst vor Gericht und muss dann sterben, weil der Eingriff von einem Pfuscher vorgenommen wird. Der Humor habe ihr die Freiheit geboten, sämtliche Tabus zu brechen und auch die grauenvollsten Dinge anzusprechen, sagt die Autorin und Schauspielerin, deren Rave-Performance „Wo-Man“ im Februar uraufgeführt wurde.
Die Scheinheiligkeit der „Lebensschutz“-Bewegung
In Gabriele Kögls Kurzstück „Eiergebete“ trifft eine junge Frau (Sarah Zaharanski) im Warteraum einer Abtreibungsklinik ihre Mutter (Maria Fliri), die sich in der so genannten „Lebensschutz“-Bewegung engagiert, an. Doch draußen ist was anderes als drinnen. Sie, die täglich gegen Abbrüche demonstriert, möchte selbst abtreiben. Denn sie ist von einem Priester schwanger, der schon zwei Kinder hat, denen er keine Alimente zahlt. Gabriele Kögl hat recherchiert und festgestellt, dass die selbsternannte „Lebensschutz“-Bewegung nicht nur vom allgemeinen Rechtsruck profitiert, sondern ein wesentlicher Teil davon ist. Ihre Mitglieder rekrutieren sich aus christlich-fundamentalistischen, konservativen und teils extrem rechten Teilen der Gesellschaft.
Catwalk
Ausstatterin Caro Stark hat einen meterlangen, weißen Laufsteg ins Alte Hallenbad Feldkirch gebaut, der die gnadenlose Ausgesetztheit der Frauen zeigt. Der „Gott in Weiß“ wiederum macht arrogant und süffisant deutlich, dass er eigentlich nur aus freiwilliger Gutmütigkeit hier ist. Schließlich sei es nicht seine Aufgabe, zu töten. Drei Stücke, drei verschiedenen Stimmen zu vereinen, war aufgrund der Komplexität des Themas eine hervorragende Entscheidung von Regisseurin Barbara Herold, die mit ihrem Team in den vergangenen fünfzehn Jahren neun Stücke realisiert hat und nach dieser Produktion in Pension gehen wird. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass so wichtige Themen wie Diversität, Jihadismus, Kolonialismus und Erben bearbeitet und auf die Bühne gebracht wurden. Alles Gute, liebe Barbara!
die heroldfliri.at: „Das Rote vom Ei“, drei szenische Zuspitzungenvon Gertraud Klemm, Gabriele Kögl und Grischka Voss
weitere Vorstellungen: 16./17./19./20./21./22.3.
Altes Hallenbad, Feldkirch
www.dieheroldfliri.at