Hamed Abboud las im „Unser Klein Wien“ in Doren
Meine vielen Väter und andere Geschichten aus seinem Bart
Kurt Bereuter · Apr 2023 · Literatur

Am Freitag, dem 21. April, war der in Wien lebende Autor und Lyriker Hamed Abboud im „Unser Klein Wien“ in Doren beim Kulturforum Bregenzerwald zu Gast und genoss spürbar das interessierte Publikum, mit dem er sehr gerne auch ins Gespräch kam.

Der Autor

Hamed Abboud wurde 1987 in Syrien geboren, floh 2012 über Ägypten, Dubai und die Türkei nach Österreich, zuerst ins Burgenland, wo er 2014 sein erstes Quartier fand. Seit 2016 wohnt er in Wien. Seit 2005 war er schon als Autor und „Vorleser“ in Syrien und Ägypten unterwegs und veröffentlichte regelmäßig in Zeitungen und Zeitschriften in Syrien und im Mittleren Osten. Ab 2015 publiziert und liest er nun in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland. Beim Kulturforum Bregenzerwald war er schon vor zwei Jahren mit seinem Buch „In meinem Bart versteckte Geschichten“ zu Gast, welches er noch arabisch schrieb und welches dann professionell übersetzt wurde.
2017 veröffentliche er sein zweites Werk „Der Tod backt einen Geburtstagskuchen“, das deutsch (linke Buchseiten) und arabisch (rechte Buchseiten) gelesen werden kann und aus dem er am Freitag abwechselnd zuerst arabisch und dann deutsch las. Wobei er dann auch schon bei seinem Vater angelangt war, der nicht nur bis zu seiner Pensionierung Mathematiklehrer war, sondern auch Inhaber einer Bäckerei. Jetzt hat er ein Buch auf Deutsch geschrieben mit dem Titel „Meine vielen Väter“. Inspiriert wurde er dazu übrigens vom aus Feldkirch stammenden Autor Christian Futscher mit seinem Werk: „Mein Vater, der Vogel“. So wollte auch Abboud über seinen bemerkenswerten Vater und seine Familie schreiben. Wobei die Mutter nicht weniger bemerkenswert ist, was sich schon aus ihrer Zuschreibung erklärt: „Ausbildungskreuzritterin“, weil sie sehr viel Wert auf die Ausbildung ihrer Kinder legte und dazu gleich den versäumten oder nicht beherrschten Schulstoff der Kinder mit Lackstift an die Wände der Wohnung notierte. Aber letztlich wollte er auch über seine Kindheit schreiben – wobei alle seine Werke um autobiographischen Stoff kreisen – und die beschreibt er als angenehm. So sind seine Texte durchaus humorvoll, das Ernste blickt aber ganz leise zwischen den Zeilen durch und wirkt nicht aufdringlich, ist aber da, wenn man es hören oder lesen will. Wenn er auf Deutsch schreibe, schaffe das mehr Distanz zu den Geschichten in seinem Kopf und sei weniger komplex, sprachlich und inhaltlich. Sein Deutsch ist auf bemerkenswertem Niveau, er ist sehr sprachsicher, schafft neue Wörter mit nachdenkenswertem Definiens, wie etwa bei der Beschreibung seiner Mutter. Hamed Abboud gibt Distanz mit seiner sympathischen, raumgreifenden Präsenz keine Chance, liebt das Gespräch mit dem Publikum und möchte es mit seinem Texten beschenken – auch wenn die Lesung schon vorbei ist, rezitiert er nochmals ein langes Gedicht auf einem mehrfach zusammengefalteten Papier, das er mehrmals wenden und drehen muss. Ein lohnender Abend, der humorvoll, sympathisch und leicht daherkommt. Die Ernsthaftigkeit seiner Geschichten versteckt sich wohl in seinem Bart und blitzt nur wie ein paar graue Haare verborgen hervor.

https://www.hamedabboud.at/

Der Ort

Das „Unser Klein Wien“ in Doren ist ein Raum, der nach dem Auszug der Bäckerei und des Lebensmittelgeschäftes, im Eigentum der Gemeinde stehend, leer stand und auf eine Nutzung wartete, ehe BGM Guido Flatz auf ein paar sozialengagierte und kulturbegeisterte Frauen des Dorfes zuging, um diesen Raum mit einem zu gründenden Kulturverein zu bespielen. Die damals bestehende Bücherei platzte auf ihren 60 Quadratmetern längst aus allen Nähten und konnte hier Teil der Bespielung werden, hat dieser Raum doch ca. 200 Quadratmeter Fläche. Einem Aufruf folgten über 100 Menschen im Dorf, das gerade mal knapp über 1.000 Einwohner hat, und die gründeten vor fünf Jahren den Verein „buch:kultur:doren“ zur Förderung von „Buch, Kultur und Gemeinschaft in Doren“. Der Verein sanierte den Raum, richtete die Bücherei im vorderen Teil ein und im hinteren Bereich – mit herrlicher Sicht in die Bergwelt – entstand das „Unser Klein Wien“, ein feiner Raum inklusive schwarzem Flügel, zusammengewürfelten mehr oder weniger antiken Möbeln und Bildern, die entweder eine Schenkung waren oder auf Flohmärkten gesammelt wurden. Nicht zu vergessen, die Theke, denn was ist eine Veranstaltung ohne Bewirtung. Und Veranstaltungen gibt es so alle zwei Wochen eine, wie auch die genannte Lesung. Daneben ist dieser Raum auch für die Bücherei zu den Öffnungszeiten nutzbar, steht auch anderen Vereinen für Treffen und Veranstaltungen offen und wird auch rege genutzt, dann auch gerne mit Selbstbedienung.
Mittlerweile hat der Verein über 400 Mitglieder und Obmann ist der Bürgermeister, der damit bewiesen hat, dass bei Motivation und Unterstützung durch die Gemeinde das Ehrenamt Großes und Freudvolles zustande bringt und die Kommunikation und den Zusammenhalt im ländlichen Dorf wertvoll mitgestaltet. Der Name „Unser Klein Wien“ soll übrigens daran erinnern, dass die Dorener Sennerei Anfang des 20. Jahrhunderts die Landeskäsereischule beherbergte und der Käse ging direkt an den Wiener Hof von Kaiser Franz Joseph. So habe sich ein gewisser Wohlstand in Doren breitgemacht, der über die noble Kleidung bei festlichen Anlässen zur Schau getragen wurde. Die Dorener hätten sich durchaus stolz und selbstbewusst der städtischen Noblesse verschrieben – deshalb „Klein Wien“. So besage es zumindest die Erzählung.  

https://unserkleinwien.wordpress.com/

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