Gute Architektur braucht mutige Auftraggeber:innen
ZV-Bauherrenpreis 2023 feierlich in Bregenz verliehen
Martina Pfeifer Steiner · Okt 2023 · Architektur

Die Zentralvereinigung (ZV) der Architekten würdigt seit 1967 herausragende Architektur, die sich durch intensive Zusammenarbeit zwischen Bauherr:innen und Planenden auszeichnet, heuer zum 56. Mal mit dem ZV-Bauherrenpreis. Aus insgesamt 110 Einreichungen wurden 25 Projekte durch die Nominierungsjurys in den Bundesländern ausgewählt und aus diesen wiederum drei Preisträger:innen gekürt.

Ausgezeichnet werden also die Auftraggeberinnen, die sich engagiert und mutig mit den Planenden auf den interdisziplinären Prozess des Bauens einlassen und Projekte ermöglichen, „die gut für Natur und Umwelt sind und im Idealfall einem Stadtteil, einer Gemeinde oder einer ganzen Region neue Impulse verleihen“. Die Landschaftsarchitektin und Präsidentin der ZV, Maria Auböck, bringt es auf den Punkt: „Der Klimawandel bedingt einen Kulturwandel für Architektur und Bauwesen – nicht morgen oder übermorgen, sondern sofort: Bestand erhalten und für die Zukunft ertüchtigen statt Abriss, vernünftige Kreislaufwirtschaft statt opulenter Materialschlacht, entsiegeln statt versiegeln, Partizipation und Gemeinwohl statt Profitgier“.
Da in diesem Jahr die ZV Vorarlberg Gastgeberin für die Preisverleihung war, kam auch die Politik im Bregenzer Festspielhaus zu Wort. Bürgermeister Michael Ritsch führte stolz die derzeitigen großen Investitionen in das Festspielhaus, in ein Seewasserkraftwerk und in diesem Zusammenhang ins Hallenbad Bregenz an, und dass auf der nunmehr ausgebauten Pipeline dem Seeufer entlang in einem Jahr eine Million Fahrradpassagen gezählt wurden. Der Landesrat für Wirtschaft, Marco Tittler, korrigierte, dass Vorarlberg eigentlich nicht das Land der Häuselbauer sei, sondern der Eigentümer, und bekräftigte, dass engagierte, sinnvolle Raumplanung eng mit den einzelnen Gemeinden abgestimmt werden müsse.
Doch zurück zur Preisverleihung, die wirklich spannend war: Die Hauptjury, bestehend aus der Direktorin vom Az W – Architekturzentrum Wien, Angelika Fitz, Regula Harder, Architektin in Zürich, und Architekt Florian Nagler, fokussierte in diesem Jahr auf nur drei Preisträgerprojekte. Das ergab eine interessante Dynamik, mit hoher Wertigkeit aller Projekte, die sich auch in der Ausstellung, die ab jetzt wieder durch die Bundesländer touren wird, verdeutlichte. Auf 25 großen, freihängenden Plakaten schauen uns freundlich die Gesichter der Bauherr:innen an, wechselt man die Betrachtungsseite, eröffnen sich die kompakten, fotoreich illustrierten Projektdokumentationen.

Auszeichnungen für Hohenems, Klagenfurt und Graz

Dass die Wiederbelebung der Altstadt Hohenems prämiert wird, haben viele geahnt. Es ist fürwahr eine beachtenswerte, umfassende Quartiersentwicklung: Vierzig eng aneinander gebaute historische Gebäude wurden in Dialog mit dem Denkmalamt saniert, Lücken mit Neubauten ergänzt und auch in der zweiten Reihe wurde nachverdichtet. „Kein eitler Architekturzoo, sondern Bausteine für ein lebendiges und spürbar wertbeständiges Stück Stadt. Selbstverständlich wurden nachhaltige Materialien verbaut. Die neu gestalteten Straßen- und Platzräume mit einer Begegnungszone bis in die Harrachgasse werden zu einem Stadtgewebe aus geöffneten Höfen und Grünräumen erweitert“, schreibt Angelika Fitz im Jurybericht.
In Klagenfurt wird das Kärnten.Museum ausgezeichnet, ein Gesamtkunstwerk aus historischer und zeitgenössischer Architektur in Verbindung mit der Ausstellungsgestaltung. Beachtenswert ist zudem das Zurückholen des prächtigen Gebäudes in die Stadt, mit einem prominenten Vorplatz. „Auch der Umgang mit der bestehenden Bausubstanz beeindruckt. Die von den Architekten beschriebene Strategie des Schüttelns des Hauses bis nur noch übrig bleibt, was Bestand hat, überzeugt“, so die Jurorin Regula Harder.
In ein idealisiertes Wettbewerbs-Rendering versetzt fühlte sich die Jury bei der Besichtigung der Wohnbebauung Marburgerhöfe in Graz, dem dritten Projekt im Bunde der Preisträger: „Augenscheinlich ist bei diesem Wohnbau auf vielen unterschiedlichen Ebenen vieles richtig gemacht worden. Das beginnt beim ausgewählten Wettbewerbsbeitrag, der die städtebauliche Situation signifikant nachverdichtet – jedoch mit einer für die Nachbarschaft verträglichen und angemessenen Dichte. Die gekonnte Setzung der fünf Baukörper verzahnt das Ensemble mit seiner Nachbarschaft, schafft aber auch schöne eigene – autofreie – Binnenbereiche und vor allem einen Quartiersplatz, der mit der Kombination aus Café́ und Backerei binnen kurzer Zeit zu einem kleinen Stadtteilzentrum geworden ist“, beschreibt Florian Nagler.
In ihrem Festvortrag bekräftigt Angelika Fitz, dass Bauen ein großer Hebel sei für den Wandel, und dass mit guter Architektur viel bewegt werden könne im Sorgetragen – nicht nur für die Menschen, sondern auch für den Planeten. Dazu braucht es allerseits die weitsichtigen, engagierten und mutigen Akteur:innen. Der ZV- Bauherrenpreis würdigt einige davon.

Wiederbelebung Altstadt Hohenems
Bauherr: Schadenbauer Projekt- und Quartierentwicklungs GmbH und die Stadt Hohenems,
Architektur: Architekten Nägele Waibel, Bernardo Bader Architekten, Georg Bechter Architektur+Design, HEIN architekten, Imgang Architekten, ma.lo architectural office

Wohnbebauung Marburgerhöfe in Graz
Bauherr: STP Wohnungserrichtungs- u. Immobiliengesellschaft mbH
Architektur: balloon architekten

Kärnten.Museum in Klagenfurt
Bauherr: Amt der Kärntner Landesregierung und das Landesmuseum Kärnten
Architektur: Winkler+Ruck Architekten, Ferdinand Certov Architekten

https://zv-architekten.at/bauherrenpreis/bauherrenpreis-2023 

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