Granitblöcke auf stählernen Einachsern bitten zum „Gipfeltreffen“
Roland Adlassnigg in der Bregenzer Galerie 9und20
Karlheinz Pichler · Okt 2023 · Ausstellung

Was für Gottfried „Göpf“ Bechtold die Betonporsches sind, sind für den Rankweiler Bildhauer Roland Adlassnigg seine als „Gipfeltreffen“ bezeichneten Kombinationen aus hinkelsteinartigen Granit- oder Kalksteinblöcken mit einachsigen Antriebsrädern aus Stahl. Beide Künstler nehmen mit ihren skulpturalen Objekten unter anderem den zum Stillstand gekommenen Massenverkehr aufs Korn. Bei Adlassnigg verbindet sich zudem das archaische Material „Fels“ mit dem Rad als Symbol und Sinnbild des modernen Fortschritts.

„Hinkelsteine“ auf Stahlrädern

In der Bregenzer Galerie 9und20 sind derzeit vierzehn Beispiel aus Adlassniggs Gipfeltreffenserie zu sehen. Ein schwergewichtiger, nur auf einem einzelnen Stahlrad die Balance haltender Felsbrocken – ein „Wheely Bug“ – begrüsst die Ausstellungsbesucher:innen bereits vor dem Eingang der Galerie. Vor kurzem stand diese Skulptur noch im Rahmen des Kulturstegs Walgau im Ludescher Steinbruch. Weitere solcher Dinger verteilen sich in unterschiedlichsten Größen und Arrangements in den impossanten Innenräumen der Galerie. Formal-visuell gibt es noch zahlreiche andere Assoziationen zu diesen archaischen „Fahrzeugen“, so haben manche ein geradezu phallusähnliches Erscheinungsbild. Ein zehnjähriges Mädchen wiederum ortete bei der Vernissage in einem spitzig auslaufenden Felsstück den Eckzahn eines Märchenriesen.
Angefangen hat Roland Adlassnigg mit diesen zum ewigen Innehalten verdonnerten „Fahrzeugen“, die längst zu einem unverwechselbaren zentralen ikonografischen Motiv in seinem Schaffen geworden sind, bereits vor vierzehn Jahren. Und zwei monumentale Beispiele beherrschen seit 2018 als markante Statements den extrem stark befahrenen Kreisverkehr zwischen den Einkaufszentren von Rankweil und Feldkirch, unweit der Autobahnabfahrt Feldkirch Nord, und bringen motorisierte und unmotorisierte Verkehrsteilnehmer:innen zum Staunen. Hier fügte Adlassnigg einen Granit aus der Silvretta sowie einen Glaukonit aus dem Schwarzachtobel mit einachsigen Stahlradpaaren zusammen. Inklusive Fundament bringen diese zwei Stücke jeweils an die 3,5 Tonnen auf die Waage.

 

Destillierskulpturen

 

Der Rankweiler Künstler ist aber nicht nur für seine bildhauerischen Arbeiten bekannt, sondern auch als Spitzenkoch und Brenner hochprozentiger Getränke. In dieser Position unterstützte er beispielsweise Paul Renner oder Hermann Nitsch tatkräftig bei so mancher Eat-and-Drink-Art-Aufführung. Auch seine eigenen Vernissagen werden häufig durch allerlei lukullische Besonderheiten erweitert. Und logisch, dass er auch beim Bregenzer Kultursommer 2023, der ganz im Zeichen des „Großen Fressens“ stand, einen wichtigen Part zu übernehmen hatte.
Jedenfalls hat er aus dieser Eat-and-Drink-Art-Beschäftigung heraus ebenfalls eine Skulpturenserie entwickelt, deren Grundbestandteile Destilliergeräte oer Expresso-Kaffeemaschinen sind. Beim Objekt „Marmor-desitlle“ zum Beispiel scheint ein doppelhörniges Kupferdestilleriegerät förmlich aus einem zylinderförmigen, mit Wachs umhüllten Marmorblock herauszuwachsen. Die Frage ist, hat der Künstler hier den Versuch unternommen, Marmor zu Schnaps zu destillieren?
Abgerundet werden die Gipfeltreffen- und Destille-Formationen von teils großformatigen Zeichnungen, Skizzen und Druckgrafiken, die Entwürfe seines skulpturalen Schaffens zeigen und somit auch einen Teil der Entstehungsgeschichte der Objektinstallationen dokumentieren.

 

Roldand Adlassnigg: Stahl – Stein – Schnaps
bis 25.11.
Do, Fr 16 - 19, Sa 11 - 15
Galerie 9und20, Bregenz

https://www.galerie9und20.at



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