Glanz- und Irrlichter prachtvoll eingefangen
Viel Applaus für Nolwenn Bargin, Heidrun Wirth-Metzler und Jürgen Natter
Silvia Thurner ·
Mär 2025 · Musik
Der Verein dorfkultur belebt Gasthäuser, Veranstaltungsorte und sakrale Räume in Egg und Großdorf. Viele folgten der Einladung der Flötistin Nolwenn Bargin, der Fagottistin Heidrun Wirth-Metzler und dem Organisten Jürgen Natter in die Pfarrkirche Großdorf. Dort steht eine wunderbar weich klingende Pflüger-Orgel. Das sensible und virtuose Zusammenwirken der Musiker:innen, die via Leinwand nah beim Publikum waren, bewirkte ein inspirierendes Ambiente und versetzte die Zuhörenden in Staunen.
Nolwenn Bargin, Heidrun Wirth-Metzler und Jürgen Natter haben die Werkauswahl geschickt und abwechslungsreich angelegt. Musikalisch waren die Werke eng miteinander verbunden. Die Eckpfeiler bildeten die beiden Trios von Antonio Vivaldi und Friedrich Wilhelm Zachow. Ein Hymnus von Luther bildete die Grundlage eines Chorals von Johann Sebastian Bach. Schumann nahm in seinen Studien Anleihen bei kontrapunktischen Satztechniken. Als glühender Bach-Verehrer setzte der brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos seinem Vorbild ein musikalisches Denkmal und bezog dabei lateinamerikanische Tänze mit ein. Dazwischen lenkten die Musiker:innen den Blick in die Zeit des Frühbarocks zu einem damals allseits bekannten Volkslied. Zudem stellte Jürgen Natter eine Improvisation in den Raum, die musikalischen Zusammenhang stiftete und den Blick sowohl in die Vergangenheit als auch in die Gegenwart richtete.
Spielfreudig und präsent
Sogleich im ersten Satz des Trios für Flöte, Fagott und Basso Continuo (RV86) von Antonio Vivaldi kam der zugleich voluminöse und elegante Gesamtklang der Flöte, des Fagotts und der zurückhaltend registrierten Orgel zur Geltung. Mit Leichtigkeit phrasierten die Musiker:innen die virtuosen Themenführungen in den schnellen Sätzen, stets gut gestützt von den Basslinien der Orgel. Die rhetorische Spielart von Nolwenn Bargin und Heidrun Wirth-Metzler und deren Kommunikation untereinander wirkte spielfreudig und sehr präsent. In diesem Geist und mit viel tänzerischem Schwung gestaltete das Trio auch Friedrich Wilhelm Zachows Trio in F-Dur.
Die „Studien in Canonischer Form“ op. 56 komponierte Robert Schumann für einen, nach dem Vorbild einer Orgel gebauten Pedalflügel. Michael König bearbeitete das Werk für Fagott und Orgel. Vier der sechs Teile präsentierten Heidrun Wirth-Metzler und Jürgen Natter. Dabei formten sie die polyphonen Themen mit viel Bedacht aus, entwickelten eine anregende Zwiesprache und brachten die romantischen Klangeigenschaften hervorragend zur Geltung. In Erinnerung blieben vor allem das Adagio sowie die ausdrucksstarke Schlusspassage im vierten Teil „Mit innigem Ausdruck“.
Eindrucksvoll interpretierten Nolwenn Bargin und Jürgen Natter die „Invocation“ von Johannès Donjon. Das spätromantisch-impressionistische Werk entfaltete mit den fein ausgespielten Arpeggi und den tremolierenden Klängen der Orgel eine große Wirkung.
„La Monica“ war während des 17. und 18. Jahrhunderts eine weitverbreitete, populäre Melodie. Der deutsche Komponist Philipp Friedrich Böddecker fasste sie in ein virtuos angelegtes Werk, das Heidrun Wirth-Metzler mit atemberaubend verzierten Linien belebte. Die Basso Continuo Linie wurde von der Flöte unterstützt, doch dies irritierte und brachte die Balance zwischen den Instrumenten etwas aus dem Lot.
Auf einem Hymnus von Martin Luther beruht der Choral „Liebster Jesu, wir sind hier“ (BWV 731) von Johann Sebastian Bach. Mit vokal anmutenden Klangfarben und tremolierendem Ton stellte Jürgen Natter den Choral in den Raum. Passend dazu interpretierten die Musiker:innen die „Bachiana Brasileirias“ Nr. 6 von Heitor Villa-Lobos. Er verehrte Bach und setzte polyphone Satztechniken der Barockzeit mit Idiomen lateinamerikanischer Lieder und Tänze in Beziehung. Die Flötistin und die Fagottistin agierten kontaktfreudig miteinander, sie steigerten sich hinein, bauten sich gegenseitig auf, gaben sich Raum und entfalteten mit viel Ausdruckskraft die Pracht ihrer klangschönen Instrumente.
Im Anschluss daran improvisierte Jürgen Natter unter dem Leitgedanken „Feux follets“. In aller Ruhe modellierte er von unten nach oben resonierende Klangräume und kostete die Schwebungen reibender Tonlinien aus. Daraus kristallisierte er allmählich Tonfloskeln, die unter anderem an Schumanns chromatische Passagen aus den Canonischen Studien sowie an die Fantasia von Villa-Lobos denken ließen. Am Höhepunkt standen gleißende Akkordballungen, deren harmonische Spannungen sich allmählich lichteten und zu einem versöhnlichen Schluss hinführten.