Gegen den Strich gebürstet
Trompeter Jürgen Ellensohn und Organist Christian Schmitt boten bei den Montafoner Resonanzen Meisterliches.
Fritz Jurmann · Sep 2025 · Musik

Das wunderbare kleine Festival „Montafoner Resonanzen“, das an diesem Wochenende nach gut einem erfolgreichen Monat zu Ende geht, entpuppt sich für Entdeckungsfreudige und Feinspitze immer mehr als Fundgrube konzertanter Kostbarkeiten – einem Alleinstellungsmerkmal, das es anderswo in dieser Besonderheit und Qualität nicht gibt. Da treten Gruppen auf wie das sagenhafte „Faltenradio“, Verkanntes und Bekanntes aus Jazz, Volksmusik und Klassik oder eben auch wie diesmal zwei absolute Meister ihres Faches in der an sich gern gepflegten Paarung Trompete und Orgel.

Kundiges Händchen

Der überaus feinfühlige und versierte Festival-Kurator Markus Felbermayer, im Hauptberuf erfolgreicher Hotelier in Gaschurn, hat in diesen und vielen anderen Fällen wieder einmal sein besonderes Gespür und sein kundiges Händchen walten lassen, um mit solchen Fundstücken an speziellen Orten in der Talschaft sein Zielpublikum aus Urlaubsgästen und Einheimischen zu verwöhnen. Diese strömten am späten Donnerstagnachmittag denn auch zahlreich ins ehrwürdige Münster von Schruns, um sich eine gute Stunde lang von zwei international geschätzten Spitzenmusikern ihres Genres akustisch verwöhnen zu lassen: dem aus Götzis stammenden Trompetensolisten Jürgen Ellensohn, zuvor u. a. beim hr-Sinfonieorchester und bei der Stella Musikhochschule Feldkirch, neuerdings Professor für Trompete an der Hochschule für Musik und Theater in München; und dem Organisten Christian Schmitt, er ist Principal Organist der Bamberger Symphoniker und solistisch als einer der ganz Großen seines Faches auf der ganzen Welt unterwegs.
Und tatsächlich: Was die zwei da mit- und gegeneinander bieten, hat man in dieser Virtuosität und Musikalität, diesem Mut zum bewusst Unkonventionellen und oft gegen den Strich gebürstet, selten gehört: Ein Spektrum von über 300 Jahren Musikgeschichte wird da abgehandelt, vom großen Johann Sebastian bis zum jazzigen amerikanischen Standard, alles auf höchstmöglichem musikalischen Niveau, intonationssicher, stilistisch ebenso sauber in den Orgelklang verpackt wie entsprechend auch auf den vielen Trompeten-Variationen, die Jürgen Ellensohn in seinem großen Rucksack mitgeschleppt hat. Das reicht von der kleinen Piccolotrompete für die spielerische Beweglichkeit und die hohen Töne im Barock über die „normale“ B- und C-Trompete bis zum soften Flügelhorn.  

Vielfalt von Klangmöglichkeiten

Dem Organisten dagegen steht eine moderne, 1988 von der inzwischen leider nicht mehr existierenden Feldkircher Orgelbauwerkstätte Pflüger vollendete mechanische Orgel zur Verfügung, die mit ihren 41 Registern dem Spieler eine Vielfalt von Klangmöglichkeiten eröffnet, die Schmitt sorgfältig vorbereitet auch weidlich nutzt. Das Werk erinnert auch an den vor wenigen Jahren verstorbenen Altmeister der Organisten des Landes, Prof. Günther Fetz, der mit seiner Disposition die klangliche Grundlage dazu geschaffen hat. Allgemein wird bedauert, dass diese prächtige Orgel, die laut Fachleuten zu den besten ihrer Art in Vorarlberg zählt, außerhalb der Gottesdienste kaum mehr zu hören ist. Mit diesem besonderen Konzert haben die Montafoner Resonanzen auch in dieser Hinsicht Abhilfe geschaffen, wobei auch der Kirchenraum des Schrunser Münsters selber mit seiner Architektur, den interessanten Malereien im Nazarenerstil und der tragenden Akustik ein ideales Ambiente bieten.  
Die Kunst der beiden Musiker blieb freilich nicht mehr oder weniger anonym und unbeachtet auf der Empore kleben, sie wurde mit einer Kamera auf eine Videowall im Altarraum übertragen und damit für das Publikum ideal auch optisch nachvollziehbar gemacht. Vor allem beim Organisten zeigt sich, welche geradezu artistischen Fähigkeiten dieser Solist an dem dreimanualigen Instrument zu vollbringen hat. Schmitt verzichtet auf einen Registranten und bewältigt neben dem virtuosen Spiel im Wechsel auf den drei Manualen und Pedal auch das Umregistrieren mit abenteuerlichen Klangmischungen und das Umblättern selber – eine für den Zuhörer und Zuseher atemberaubende Erfahrung.

Vielfältiges Programm

Die unkonventionelle Programmfolge wird mit dem Standard fast jedes Orgelkonzertes eingeleitet, einem Werk des Barock. Es gibt unzählige Möglichkeiten, die beiden Musiker entschieden sich für eine kurze Sonate von Giuseppe Torelli, die sich in schöner Zwiesprache und ersten virtuosen Frage- und Antwortspielen erstreckt. Ein Stück Orgelromantik mit der fünften der sechs Sonaten von Felix Mendelssohn-Bartholdy ist dem Organisten allein vorbehalten, in feinen Abstufungen grundtönig registriert und mit großem Legatospiel in den Stimmen ausgestattet. Ein höchst virtuoses Concerto für Trompete und Orgel in D-Dur, das Johann Sebastian Bach nach Vorlagen seines italienischen Kollegen Antonio Vivaldi schrieb, leitet unvermittelt über ins 20. Jahrhundert mit seinen aufgebrochenen Klängen, zu Jehan Alain und seiner Orgelfantasie Nr. 1. 
Taschentücher sind gefragt bei Albinonis unverwüstlichem „Adagio“, das heute noch bei keiner Beerdigung fehlen darf, bevor Christian Schmitt mit dem Allegro aus der Orgel-Sinfonie Nr. 6 des Franzosen Charles-Marie Widor zupackend das Glanzstück des Abends an seinem Instrument abliefert. Die Orgel kommt hier in unglaublicher Klangvielfalt, mit Echowirkungen im Schwellwerk und verschleierten Mischungen bis zum Pleno zu ihrer vollen Wirkung, höchste Spielfertigkeit und dabei eine lockere Gelassenheit in der Darbietung zeigen den wahren Meister an diesem Instrument. Jürgen Ellensohn ,schmiert‘ darauf mit viel Feeling im Solo an seinem butterweichen Flügelhorn Erroll Garners „Misty“ in den Kirchenraum. 
Das Finale erklingt wieder im Doppel, mit dem „Goldenen Fenster“ aus einer Suite des tschechischen Komponisten Petr Eben, das sich auf einer tonalen Orgel-Grundlage mit der Trompete in leiterfremden Improvisationen zu einem grandiosen Höhepunkt aufschaukelt. In die begeisterten Standing Ovations kommt eine wundervolle Melodie als Zugabe zur Beruhigung gerade recht: „Cantabile for you“ von Enrico Pasini.  

Letzte Konzerte der „Montafoner Resonanzen“:
Sa, 6.9. 17.30 Uhr, Barockkirche Bartholomäberg: Martin Heini und Manuela Fuchs
So, 7.9., 16 Uhr, Kulturbühne Schruns: Kinderkonzert mit dem Ensemble „Sonus Brass“ („Blecharbeiter“)              

        

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