Fulminantes Finale
Im Hagenhaus Nendeln, dem Sitz der Musikakademie Liechtenstein, fand von 9. bis 12. Mai zum ersten Mal ein Festival mit dem Titel Musik:Arte statt. Am Montagabend verabschiedeten sich die Mitwirkenden nach fünf Konzerten an vier Tagen von ihrem Publikum.
Michael Löbl · Mai 2025 · Musik

Das Hagenhaus entwickelt sich immer mehr zu einem Hotspot für Kammermusik in der Region. Außer den frei zugänglichen Residenz- und Kammermusikkonzerten der Musikakademie, in denen man hervorragende junge Musiker:innen zu Beginn ihrer Karriere kennenlernen kann, gibt es jede Woche einen Abend mit dem Titel „Donnerstag im Hagenhaus“. Die nächsten Donnerstag-Konzerte bestreiten der schwedische Klarinettenstar Martin Fröst und der Tenor Daniel Behle.

Es gibt mehrere Gründe für den Erfolg dieser neuen Location. Zum einen ist es das musikalische Niveau aller Veranstaltungen, zum anderen hat man mit dem Peter-Kaiser-Konzertsaal ein akustisches Juwel geschaffen. Er bietet Platz für maximal 120 Personen und verfügt daher über eine ideale Größe für jede Art von Kammermusik. Auch ausnahmslos alle Künstlerinnen und Künstler sind von diesem Raum begeistert. Das Publikum genießt die unmittelbare Nähe zu den Musiker:innen, die in den ersten beiden Reihen buchstäblich zum Greifen nahe sind. Auch durch die geschmackvolle Renovierung der ehemaligen Poststation hat man eine ganz spezielle, intime Atmosphäre geschaffen, in der sich sowohl Künstler:innen als auch das Publikum rundum wohlfühlen.

Stipendiat:innen-Treffen

Nun hat man zum ersten Mal ein mehrtägiges Festival mit dem etwas seltsamen Titel Musik:Arte präsentiert. In vier aufeinanderfolgenden Tagen stand in erster Linie Kammermusik der Klassik und Romantik auf dem Programm, erweitert allerdings durch Instrumente wie Akkordeon, Saxophon und Musik von Astor Piazzolla oder Queen. Der zweite Abend war dem portugiesischen Fado-Gesang gewidmet. Die künstlerische Leitung von Musik:Arte liegt in den Händen der Geigerin Sara Domjanic, Tochter von Dražen Domjanic, dem Gründer und Leiter der Musikakademie in Liechtenstein, der seine Funktion im Sommer niederlegen und an seinen Nachfolger Beat Fehlmann übergeben wird. Sara Domjanic hat in Feldkirch und Berlin studiert und ist seit zwei Jahren Konzertmeisterin der Düsseldorfer Symphoniker. Als Intendantin von Musik:Arte hat sie Studienkolleg:innen und Wegbegleiter:innen eingeladen, um vier Tage lang in unterschiedlichsten Konstellationen Kammermusik zu spielen. Der Großteil der eingeladenen Musikerinnen und Musiker kennt Liechtenstein, entweder als Stipendiat:in der Musikakademie oder als Mitglied im Ensemble Esperanza.

Wie ein neues Stück

Das Abschlusskonzert am Montagabend wurde eröffnet mit der Ouvertüre über hebräische Themen op. 34 von Sergei Prokofieff und wurde zu einer kleinen Sensation. Was die sechs Musiker:innen aus diesem eigentlich langweiligen Werk gemacht haben, war verblüffend. Es klang wie ein anderes, ganz neues Stück. Vor allem der spanische Klarinettist Pablo Barragán gab mit seinem fast schon übertriebenen Klezmer-Sound die Impulse, Klavier und Streichquartett folgten ihm mit extremen Akzenten und ständigen überraschenden Wendungen. Genial!

Einen stilistischen Kontrast bildete das hochromantische Trio für Horn, Violine und Klavier op. 40 von Johannes Brahms. Mit diesem Werk hat Brahms den Hornisten ein wunderschönes Geschenk gemacht, denn Kammermusikwerke großer Komponisten für dieses Soloinstrument sind nicht wirklich zahlreich. Der Portugiese José António de Abreu, derzeit Solohornist in der Norddeutschen Philharmonie Rostock, spielte gemeinsam mit Raúl da Costa, seinem Landsmann am Flügel und Festivalleiterin Sara Domjanic an der Violine. In wunderbarer Harmonie schwelgte man in den langsamen Sätzen und ließ der Virtuosität in den schnellen Teilen freien Lauf.

Noble Atmosphäre

Als Abschiedsgeschenk wurde das Publikum vor und nach dem Konzert sowie in der Pause zu Speis und Trank eingeladen, eine noble Geste, die wunderbar zum großzügigen Ambiente und der gesamten Atmosphäre des Hauses passt.
Nach der Pause versammelten sich acht Streicher:innen der Spitzenklasse auf der Bühne. Als letztes Werk des Festivals hat man das jugendlich-feurige Oktett von Felix Mendelssohn Bartholdy ausgewählt. Mendelssohn hat dieses geniale Werk im Alter von erst 16 Jahren komponiert, ein absolutes Wunder der Musikgeschichte. Sara Domjanic an der Ersten Violine und sieben weitere Streicher:innen der europäischen Spitzenklasse – die vierte Violinstimme spielte beispielsweise die Konzertmeisterin der Deutschen Oper Berlin – betonten den jugendlichen Drive des jungen Mendelssohn, das Publikum saß mittendrin im Geschehen und ließ sich vom musikalischen Sog überwältigen. In diesem Saal übertragen sich Energie und Klang fast ungefiltert auf die Zuhörenden, hier wird eine ideale Kombination aus Akustik und räumlicher Nähe erzeugt.
Mit einer wunderschönen Zugabe, dem Abendlied von Josef Rheinberger, verabschiedeten sich alle Mitwirkenden des Festivals. Eine Fortsetzung in den kommenden Jahren ist geplant und es wäre schön, einigen der Musiker:innen der ersten Festival-Ausgabe auch 2026 wieder zu begegnen.

 

www.musikakademie.li

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