Fünfzig Quadratmeter großer Tellerrock im Zentrum einer Performance und Ausstellung
„Stripes und Stories!“ von Janine Maria Schneider und Nadine Lemke in der ID:I Galerie in Stockholm
Die 1986 in Dornbirn geborene und heute abwechselnd in Vorarlberg und Wien lebende Künstlerin Janine Maria Schneider nähte zusammen mit ihrer Mutter Sylvia Schneider den wohl größten Tellerrock, den es im Ländle je gegeben hat. Das über fünfzig Quadratmeter große Stück steht derzeit im Mittelpunkt eines Kunstprojektes in Stockholm.
Der Stoff, der für das zwanzig Kilogramm schwere Kleidungsstück benötigt wurde, stammt aus Vorarlberg und der wesentliche Teil davon aus dem Lager der Mutter der Künstlerin. Vernäht wurde laut der Kunstschaffenden alles auf einer alten Merrow-Industrie-Overlock-Nähmaschine, die sich seit über sechzig Jahren im Besitz von Sylvia Schneider, einer ehemaligen Schneiderin, befindet.
Während eines Arbeitsaufenthalts in Stockholm hat sich Janine M. Schneider mit dem ehemaligen Frauengefängnis (Spinnhus) auf der Insel Långholmen auseinandergesetzt. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein sollten in diesem „Spinnhus“ die inhaftierten Frauen durch Garnspinnen und andere Handarbeiten „resozialisiert“ werden. Mit einer Tellerrock-Performance auf dieser Gefängnisinsel und einer Ausstellung in einer Stockholmer Galerie will die Künstlerin, die für „inszeniertes“ Erinnern bekannt ist, diese Vorgänge in die Gegenwart transformieren, um Machtstrukturen, Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Rollenbilder sichtbar zu machen, denen Frauen nach wie vor ausgesetzt sind.
Da der Rock aufgrund seiner Größe und seines Gewichtes nicht von einer Einzelperson getragen werden kann, wurde er im Rahmen der Performance von einer ganzen Gruppe bewegt. Sichtbarkeit, Kontrolle und kollektive Körperlichkeit sollten sich in dieser poetischen Performance nach der Intention der Künstlerin miteinander verschränken. Die ortsspezifische Inszenierung auf Långholmen wurde per Drohne gefilmt. Das Video wird gemeinsam mit dem Rock selbst und analogen Fotografien, die die Performance dokumentieren, nun in einer Galerie in Stockholm unter dem Titel „Stripes & Stories“ gezeigt.
Stripes & Stories
Die Ausstellung selber ist ein gemeinsames Projekt mit der in Wien lebenden und aus dem deutschen Schwedt an der Oder gebürtigen Textilkünstlerin Nadine Lemke, mit der Schneider gemeinsam an der Wiener Akademie der bildenden Künste studiert hat. Stützt sich Schneider im Zuge ihres Schaffens vor allem auf die Medien Fotografie, Video, Installation und Performance, spielen bei Lemke neben der Fotografie auch Häkelinstallationen und Zeichnungen eine tragende Rolle. Für ihren Beitrag in Stockholm ließ sich Lemke von der Ausstellung „A Philosophy of Home“ in der Stockholmer Kunsthalle Liljevalchs inspirieren, die sich mit den Entwürfen des österreichischen Designers Josef Frank für den Wohnraum befasste. Konkret hat sie eine dreiteilige Installation entwickelt, in der textile Geschichte, persönliche Erinnerung und gestalterische Ansätze in einen dialogischen Bezug gesetzt werden. „In ihrer Arbeit fragt Lemke, was sich aus dem Bestehenden über Muster, Originalität und Wiederholung neu erzählen lässt“, beschreibt Lisa Arnold im Pressetext die Arbeit.
Janine Maria Schneider und Nadine Lemke treten in Stockholm allerdings nicht als Duo auf, sondern eigenständig mit unterschiedlichem Fokus. Beiden gemeinsam ist das Erforschen textiler Techniken und Materialien als Medien individueller und kollektiver Erinnerung. In der Ausstellung „Stripes and Stories!“ befassen sich die Künstlerinnen mit dem Motiv der Streifen als Gestaltungselement, das persönliche Erfahrungen und Beziehungen verkörpert.
Janine Maria Schneider und Nadine Lemke: „Stripes and Stories!“
25.7. – 10.8.
ID:I Galerie, Stockholm
https://idigalleri.org/
www.janinemariaschneider.com
www.nadinelemke.net