Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 18. Jän 2018 · Film

Downsizing

Wenn Menschen sich in Alexander Paynes "Downsizing" auf Playmobil-Größe schrumpfen lassen, um Luxusvillen und Goldschmuck erschwinglich zu machen, dann klingt das nach einer Groteske voll beißendem Humor. Willkommen im Zwergenland.

Wer in den USA noch als Erwachsener in dem Haus wohnt, in dem er geboren wurde, der hat es nicht weit gebracht. Dementsprechend dauerverstimmt ist Audrey (Kristen Wiig) über ihren Ehemann Paul Safranek (Matt Damon), dem als bescheidenem Orthopäden offenbar die Ambitionen fehlen, in der Gesellschaftshierarchie nach oben zu klettern. Als sich findige Unternehmer die Technik norwegischer Wissenschaftler zu eigen machen, Menschen auf die Größe von Playmobilfiguren zu schrumpfen, sorgt das aus Sicht der Safraneks für völlig neue Perspektiven. Eine ausladende Villa von der Größe eines Vogelhauses kostet damit nur den Bruchteil eines echten Hauses mit 5 Schlafzimmern, womit Audreys Begehrlichkeiten auf paradoxe Weise in kleinem Stil erfüllt werden könnten. Und als auf einer Party Freunde der Safraneks als zehn Zentimeter Miniaturen auf einen Tisch gesetzt werden und der erstaunten Runde von ihrem neuen Luxus unter der vor Vögel und Insekten schützenden Kuppel von „Leisureland“ vorschwärmen, steht für die Safraneks fest: auch sie sollten per Downsizing in ein ganz neues Leben mit ungeahnten Möglichkeiten starten.

Vom Horror des Luxus 


Den Filmen von Alexander Payne („About Schmidt“, „Sideways“, „Nebraska“) ermangelte es bislang nicht an Exzentrik und auch die vergleichsweise große Produktion „Downsizing“ fügt Paynes Werk eine explizit skurrile Note hinzu. Die Geschichte entfaltet sich vordergründig als Zivilisationskritik: Skandinavischen Forschern gelang es, Menschen zu verkleinern, um damit die Probleme von Überbevölkerung, Müll und Energieverbrauch auf der Erde zu lösen. Eine Idee, die Payne sogleich in eine andere Richtung produktiv zu machen weiß. Schon das Downsizing an sich hat bei Payne nichts von der Komik, die Filme wie „Hilfe, ich habe meine Eltern geschrumpft“ aus so einer Idee beziehen. „Downsizing“ erweist sich trotz und gerade wegen seiner satirisch überhöhten Form als Horror von klaustrophobischer Dimension. Der Mensch wird nicht nur zur (sich selbst freudig anbietenden) Geisel der Forschung sondern auch zur Parodie eines humanen Wesens schlechthin. Ein Cracker, den eine Krankenschwester Paul Safranek nach seinem Schrumpfprozess präsentiert, ist so groß wie eine Schultafel. Der plötzliche Überfluss wird solchermaßen auf groteske Weise abgefeiert, und die Konsumgesellschaft erfindet sich als Perversion einer ökologisch motivierten Idee neu. Dass Paul nun diesem neuen Reichtum nicht vorbehaltlos frönen kann, dafür sorgt freilich Autor und Regisseur Payne. Schon bald tauchen windige Figuren in der Gestalt von Christoph Waltz (als Goldketterlträger mit serbischem Akzent) und Udo Kier auf, in deren Einfluss Paul gerät. Und auch die Schattenseiten dieser Gated Community lassen bei Payne nicht lange auf sich warten. Denn auch in „Leisureland“ muss der Luxus von Billigarbeitskräften finanziert werden, wie etwa der vietnamesischen Putzfrau Gong Jiang (Hong Chau), der Paul eines Tages in die schmutzigen Arbeiterhöhlen außerhalb der großen Kuppel folgt. Dass Alexander Payne für dieses Projekt die intime Verschrobenheit seiner früheren Filme aufgegeben hat, liegt auf der Hand. Hier wird zuweilen dick aufgetragen, „Downsizing“ ist trotz aller Hintergründigkeit oftmals ein Film der schrillen Töne. Und auch wenn Payne am Ende den Kreis wieder schließt, indem er nach Skandinavien führt, wo die Erfinder des Downsizings eine Art Sekte um sich geschart haben, um die Menschheit zu retten, bleibt der Film pointiert bei seinem ureigenen Interesse, der Kritik der amerikanischen Gesellschaft, bei der es um Gewinnmaximierung jeder Art geht, und sei es um den Preis einer Re-Dimensionierung nach unten.