Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Walter Gasperi · 05. Nov 2015 · Film

Aktuell in den Filmclubs (6.11. – 12.11. 2015)

Das Filmforum Bregenz und der FKC Dornbirn steht diese Woche Andrew Haighs meisterhaftes Ehedrama "45 Years" auf dem Programm. Die Linse in Weingarten zeigt im Rahmen des Trans4JAZZ Festivals Bertand Taverniers großartigen Jazzfilm "Round Midnight".

45 Years: Kate (Charlotte Rampling) und Geoff (Tom Courtenay) stehen mitten in den Vorbereitungen für die Feier zu ihrem 45. Hochzeitstag. Doch dann trifft ein Brief ein, in dem Geoff mitgeteilt wird, dass die Leiche seiner Jugendliebe, die vor 50 Jahren bei einer gemeinsamen Bergtour in der Schweiz bei einem Sturz in eine Gletscherspalte umkam, gefunden wurde. Mit den intensiven Erinnerungen, die bei Geoff hervorbrechen, bekommt die Ehe zunehmend Risse, denn Kate beginnt sich zu fragen, ob sie über 45 Jahre nur ein Platzhalter für die Verstorbene war.
Ein kleiner und einfacher Film ist Andrew Haighs „45 Years“ im Grunde, aber in Aufbau, Inszenierung und Schauspiel zweifellos ein meisterhafter. Nur über sechs Tage – von Montag bis zum großen Fest am Samstag – erstreckt sich die Handlung, spielt weitgehend im Landhaus des Paares, ist aber gleichzeitig sorgfältig in die herbstliche Stimmung der englischen Landschaft eingebettet, die auch metaphorisch für den Herbst des Lebens steht, und fokussiert ganz auf das Paar.
Neue filmische Wege beschreitet Haigh mit diesem gänzlich undramatischen und unsentimentalen, ganz im Alltäglichen Verankerten, aber ungemein genau beobachteten Drama nicht, aber die Feinfühligkeit, mit der er zunächst die Vertrautheit des Paares, dann die langsame Erschütterung dieser Ehe auslotet, sucht ihresgleichen. Getragen wird „45 Years“ dabei von zwei herausragenden Darstellern: So zurückhaltend und reduziert Tom Courtenay und Charlotte Rampling auch spielen, sie vermitteln doch oder gerade dadurch noch die kleinste Gefühlsregung eindringlich und wurden bei der Berlinale völlig zurecht mit Silbernen Bären als beste Darsteller ausgezeichnet.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Fr 6.11. + Sa, 7.11. – jeweils 22 Uhr
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 11.11., 18 Uhr + Do 12.11., 19.30 Uhr


Round Midnight:
Im Rahmen des Trans4JAZZ Festivals wird in der Linse in Weingarten unter anderem Bertrand Taverniers 1986 entstandene großartige melancholische Liebeserklärung an den Jazz gezeigt.
Im Zentrum der Handlung steht der schwarze New Yorker Tenorsaxofonist Dale Turner, der Ende der 50er Jahre die besten Tage schon hinter sich hat. Er spielt im Pariser Club „Blue Note“, wird aber vom Betreiber des Lokals ausgenutzt und gibt sich immer wieder und immer mehr dem Alkohol hin. Vor dem totalen Absturz rettet ihn nur die Begegnung mit dem jungen Francis, der ihn bei sich und seiner etwa 10-jährigen Tochter Berenger aufnimmt.
Taverniers Alter Ego ist wohl dieser leidenschaftliche französische Jazzfan. Von seiner Begeisterung für diese Musik, von der Musik selbst, der Tavernier viel Raum und von der Handlung unabhängigen Eigenwert zugesteht, und einem grandiosen Dexter Gordon als Dale Turner lebt „Round Midnight“. Dafür wie Gordon diesen Musiker, dessen Film-Biographie Ähnlichkeiten mit seinem eigenen Leben aufweist, weniger spielt als vielmehr lebt, mit müden Bewegungen, schleppendem Gang, mit jeder Geste und einer nicht synchronisierbaren Stimme seinen Lebensüberdruss zum Ausdruck bringt, wurde der hünenhafte Tenorsaxofonist mehr als zurecht für den Oscar nominiert.
Eine melancholische Stimmung wird dabei aber nicht nur durch die mit dem Oscar ausgezeichnete Musik von Herbie Hancock erzeugt, sondern auch durch die vielen Nachtaufnahmen und lange Einstellungen mit langsamen Kamerafahrten, die die Figuren umkreisen.
Meisterhaft beschwört Tavernier so, unterstützt von der ungemein stilvollen Ausstattung des legendären Alexandre Trauner, in seinen großartigen Cinemascope-Bildern die Atmosphäre der Pariser Clubs der späten 1950er Jahre, reflektiert gleichzeitig aber auch auf mehreren Ebenen über die Beziehung zwischen Vätern und Kindern bis hin zum Verhältnis zwischen den USA und Frankreich, das in Bezug auf den Jazz wohl als kulturelle Tochter Amerikas anzusehen ist. Und gegen Ende bei Turners Rückkehr nach New York legt Martin Scorsese noch einen glanzvollen kleinen Auftritt als schmieriger Gangsterboss hin.
Kulturzentrum Linse, Weingarten:
Fr 6.11., 19 Uhr