Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Walter Gasperi · 20. Feb 2011 · Film

Aktuell in den Filmclubs (21.2. - 27.2. 2011)

Im TaSKino Feldkirch läuft diese Woche der Dokumentarfilm „’L´enfer’ d´Henri-Georges Clouzot“, in dem sich Serge Bromberg und Ruxandra Medrea mit einer legendären Ruine der Filmgeschichte auseinandersetzen. Einen gewohnt kalten Blick auf menschliche Gemeinheiten wirft Ulrich Seidl in „Import/Export“, wirft aber auch Fragen nach der Würde des Menschen auf. – Zu sehen am Spielboden Dornbirn.

„L´enfer“ d´Henri-Georges Clouzot: Mit Filmen wie „Le salaire de la peur“ (1952) und „Les Diaboliques“ (1955) hatte sich Henri-Georges Clouzot in den 1950er Jahren den Ruf eines Meisters des Spannungskinos und  eines Perfektionisten erworben. Das Eifersuchtsdrama „L´enfer“, das er Anfang der 60er Jahre anging, sollte die Krönung seines Schaffens werden, endete dann aber, nicht zuletzt aufgrund von Clouzots überzogenen Ambitionen, in einem Fiasko und wurde nie beendet.
Ausgangspunkt für Serge Brombergs und Ruxandra Medreas Dokumentarfilm sind die 183 Filmbüchsen mit 15 Stunden von Clouzot gedrehten Szenen aus „L´enfer“. Lange galt dieses Material als verschollen, bis es die beiden Dokumentarfilmer aufspüren konnten. Mit diesen erhaltenen Szenen sowie Interviews mit Mitarbeitern Clouzots sowie Familienmitgliedern und zwei Schauspielern, die Dialogpassagen nachsprechen, rekonstruieren Bromberg und Medrea sowohl die von vielen Zwischenfällen überschatteten Dreharbeiten als auch den Inhalt des Films.
Eindrücklich werden so die vielfältigen akustischen und visuellen Einfälle, die Licht- und Farbexperimente, mit denen Clouzot die durch die Eifersucht gestörte Wahrnehmung des Protagonisten erfahrbar machen wollte, vermittelt. Offen bleibt dabei freilich die Frage, ob diese Experimente im Film wirklich aufgegangen wären oder zu einer Überfrachtung geführt hätten.
Gleichzeitig wird aber bei dieser respektvoll wertschätzenden und nicht plündernden Aufarbeitung des unvollendeten Originals auch deutlich, dass gerade der Perfektionismus Clouzots, das Arbeiten mit drei Teams, die für ihn um die Uhr verfügbar sein mussten, und  das ständige Umschreiben und Weiterentwickeln des Drehbuchs das Projekt letztlich zum Scheitern brachten: Serge Reggiani sprang ab und, als Clouzot einen Herzinfarkt erlitt, wurde das Projekt endgültig ad acta gelegt.
TaSKino Feldkirch im Kino Namenlos: Mi, 24.2., 19.30 Uhr; Do, 25.2., ca. 21.30 Uhr


Import/Export: Wien und die Ukraine unterscheiden sich in Ulrich Seidls „Import/Export“ kaum: An beiden Orten verbreiten Schneefall und trostlose anonyme Hochhaussiedlungen an den Rändern der Städte eine Atmosphäre der Kälte und Unwirtlichkeit . – In seinem nach „Hundstage“ zweiten Spielfilm erzählt Seidl parallel zwei Geschichten, die sich inhaltlich nicht treffen, sich durch die West-Ost-Bewegung einerseits und die Ost-West-Bewegung andererseits aber ergänzen: Im einen Handlungsstrang erzählt Seidl von der ukrainischen Krankenschwester Olga, die in ihrer Heimat in ihrem Job zu wenig verdient, um sich und ihr Töchterchen durchzubringen. Nach einem tristen Versuch mit Internet-Sex bricht Olga deshalb auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen nach Österreich auf. Dort jobbt sie als Putzfrau und muss sich zunächst in einem Einfamilienhaus und dann in einer geriatrischen Klinik Schikanen von ihren Vorgesetzten gefallen lassen.
Hauptfigur der zweiten Geschichte ist der junge Wiener Security-Wachmann Paul. Er wird nicht nur in der Ausbildung schikaniert, sondern auch von einer Türkengang bei der Ausübung seines Berufs übel traktiert. Gleichzeitig macht es ihm aber wieder Spaß seine Freundin mit einem Kampfhund in Schrecken zu versetzen. Als Paul seinen Job verliert, muss er seinen schmierigen Stiefvater beim Verkauf von Spielautomaten und Musikboxen in die Slowakei und die Ukraine begleiten. Während die Reise für den Stiefvater in erster Linie eine Sextour ist, klickt sich Paul schließlich aus dem schäbigen, Frauen demütigenden Spiel aus.
Immer in der Schwebe zwischen Spiel- und Dokumentarfilm sind Seidls Film. Die Geschichten sind zwar fiktiv, aber inszeniert wird mit streng dokumentarischen Mitteln. Nicht erfunden, sondern vorgefunden scheinen Milieu und raue Sprache. In langen distanzierenden Einstellungen, die die Figuren in ihr Milieu einbetten, hält der Wiener Regisseur die Kette der Demütigungen und Kränkungen, der Erniedrigung und Ausbeutung fest. Unerbittlich schaut er hin und zeigt gerade das, was sonst ausgeblendet wird: Menschliche Gemeinheiten und Niedertracht. Doch trotz dieser negativen Sicht – nur am Ende gibt es in diesem von grimmigem Humor durchzogenen Film zaghafte und verzweifelte Momente der Menschlichkeit und Nächstenliebe – ist „Import Export“ eine Anfrage an die Menschlichkeit speziell des Westens und ein Diskurs über die Würde des Menschen.
Auf der Höhe der Zeit ist der Film in der Thematisierung des Ausbeutungsverhältnisses zwischen Westen und Osten, aber darüber hinaus auch universell in der Auseinandersetzung mit Sex und Tod und im unbestechlichen Blick auf menschliche Abgründe. – Keine leichte Kost und immer nahe am Voyeurismus, aber in seiner Konsequenz und Unerbittlichkeit auch wieder große Kunst.
Spielboden Dornbirn: Fr, 25.2., 20.30 Uhr