Aktuell in den Filmclubs (18.4. - 24.4. 2011)
Sozialkritisches gibt es diese Woche am Spielboden Dornbirn und im Filmforum Bregenz zu sehen: Iciar Bollain thematisiert in „Te doy mis oyos – Öffne meine Augen“ einfühlsam und bewegend häusliche Gewalt, Erwin Wagenhofer erzählt in seinem Spielfilmdebüt „Black Brown White“ von einem Fernfahrer, der afrikanische Flüchtlinge nach Europa schmuggelt.
Te doy mis oyos - Öffne meine Augen: Mitten in der Nacht packt eine verängstigte junge Frau in Eile die nötigsten Sachen zusammen, weckt ihren etwa sechsjährigen Sohn, rennt auf die Straße und fährt mit dem Taxi zu ihrer jüngeren Schwester. Erst dort merkt Pilar (Laia Marull), dass sie in ihrer Panik sogar vergessen hat Schuhe anzuziehen und in Hausschuhen quer durch die Stadt gefahren ist.
Mit dieser hektischen Eröffnungsszene wirft die Spanierin Iciar Bollain den Zuschauer mitten hinein in ihren vielfach preisgekrönten Spielfilm. Erst bei der Schwester Ana erfährt man den Grund für die überstürzte Flucht, erfährt man, dass Pilars Mann Antonio (Luis Tosar) ein Choleriker ist und in seinen Wutausbrüchen immer wieder zuschlägt.
Einfühlsam und vielschichtig schildert Bollain Pilars schwierige Situation: Ihre konservative Mutter will sie zur Rückkehr in den ehelichen Haushalt bewegen, ihre Schwester fordert sie auf vom Ehemann fern zu bleiben. Und Job findet sie zunächst keinen, da sie aufgrund der Kindererziehung schon lange aus dem Berufsleben ausgeschieden ist.
Doch langsam lernt Pilar selbstständig zu werden, entwickelt Selbstbewusstsein und blüht richtig auf, als sie eine Anstellung in einem Museum findet. Gleichzeitig bemüht sich aber auch Antonio wieder um seine Gattin, bringt Geschenke und erklärt, dass er sich einer Therapie unterziehen wird. Gegen den Willen ihrer Schwester beschließt Pilar einen zweiten Versuch zu wagen.
Die großen Stärken von Iciar Bollains drittem Spielfilm liegen in der Feinfühligkeit und der Differenziertheit, mit denen, gestützt auf großartige SchauspielerInnen, die äußerst labile Beziehung ausgelotet wird. Antonio ist eben nicht nur gewalttätig und brutal, sondern erweist sich auch als äußerst zärtlich und liebevoll. Nicht als Ungeheuer, sondern als von Eifersucht und Minderwertigkeitskomplexen Getriebenen zeichnet Bollain ihn. Deshalb kommt auch Pilar nicht so leicht von ihm los, zuckt einerseits zwar während seiner Raserei bei jeder Berührung zusammen, liebt ihn andererseits aber doch noch immer.
Aus diesem Widerstreit der Gefühle, aus dem Pendeln zwischen Flucht und Annäherung, zwischen Liebe und Gewalt und der ständigen Hoffnung sowohl der Protagonisten als auch des Zuschauers auf ein glückliches Ende gewinnt dieses mit großer Ernsthaftigkeit und Geschlossenheit erzählte Ehedrama seine Spannung und emotionale Kraft.
Spielboden Dornbirn: Di, 19.4., 20.30 Uhr
Black Brown White: Thematisch schließt sich Erwin Wagenhofers erster Spielfilm an seine beiden erfolgreichen Dokumentarfilme „We Feed the World“ und Let´s Make Money“ an. Der Österreicher erzählt von einem Fernfahrer, der afrikanische Flüchtlinge nach Europa schmuggelt und blickt dabei wiederum auch auf die leerstehenden Wohnsiedlungen und die riesigen Tomatenplantagen in Spanien.
Großartig sind zwar die Bilder von Kameramann Martin Gschlacht, aber die Geschichte ist zu konstruiert und zu vorhersehbar, als dass der Film wirklich packen könnte. Viel zu brav und ohne zwingenden dramaturgischen Aufbau werde Episoden aneinandergereiht, die vor allem darauf angelegt sind bestimmte Problemfelder dem Zuschauer vor Augen zu führen. Die Botschaft schiebt sich so vor die konkrete Story, Neues erfährt man allerdings im Grunde auch nicht. Ganz an der Oberfläche kleben bleibt Wagenhofer, lässt den präzisen Blick auf soziale Verhältnisse und Arbeitsbedingungen vermissen und kann auch nicht mit starker Figurenzeichnung punkten. Dass „Black Brown White“ – mehrdeutig ist der Titel – gut gemeint ist, steht außer Frage, aber gut gemeint ist eben fast immer auch das Gegenteil von wirklich gut.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do, 21.4., 20 Uhr; Sa, 23.4, 22 Uhr