Aktuell in den Filmclubs (14.2. - 20.2. 2011)
P. A.Straubinger recherhiert in seinem Dokumentarfilm "Am Anfang war das Licht" über die Lichtnahrung, Andrej Tarkowkij schuf dagegen mit "Solaris" einen Science-Fiction-Film von herausragender Bedeutung. Straubingers Doku läuft im Lindauer Club Vaudeville, Tarkowskijs Meisterwerk im Vaduzer Kunstraum Engländerbau.
Am Anfang war das Licht: Reichlich esoterisch – und für viele wohl auch abstrus – klingt die Vorstellung, dass man über Jahre ohne feste und flüssige Nahrung leben und seine ganze Energie aus dem Tageslicht beziehen kann. Der Österreicher P.A. Straubinger nähert sich diesem „Phänomen“ in seinem ersten Kinofilm aber ganz unvoreingenommen und zumindest am Beginn sachlich.Als Ausgangspunkt für seinen Film nennt Straubinger einen TV-Film über den Schweizer Nationalheiligen Nikolaus von der Flüe, den er vor Jahren gesehen hat. Fasziniert habe ihn, dass dieser Mensch über 20 Jahre sich nur von Licht ernährt habe. Jahre später kam ihm diese Geschichte wieder in den Sinn, als er in seinem Bekanntenkreis einen Menschen antraf, der sich nur von Licht ernährte.
Seine dadurch initiierte filmische Recherche führte Straubinger um den halben Globus. Die Australierin Ellen Jasmuheen, die in den 90er Jahren in einem Buch „Lichtnahrung“ propagierte, wird ebenso vorgestellt wie ein indischer Yogi und eine Russin, die sich seit Jahren angeblich nur von Licht ernähren, aber auch der Selbstversuch eines Österreichers, der nach wenigen Tagen wegen Schwächeanfällen abgebrochen werden musste.
Wie Michael Moore bringt sich Straubinger auch selbst ins Bild und hält den kurzweiligen und facettenreichen Film durch seinen Off-Kommentar zusammen, bleibt aber lange distanzierter und neugieriger Forscher. Problematisch – und auch esoterisch – wird es erst, als „Am Anfang war das Licht“ den Weg der neutralen Erkundung verlässt und das Plädoyer für bewusstes Essen und Leben in den Vordergrund rückt. Nicht mehr um sachliche Erkundung, sondern um einseitige Belehrung – oder auch Manipulation - geht es, wenn diverse Physiker oder der Fastenarzt Rüdiger Dahlke herangezogen werden, um zu unterstreichen, dass es neben der materiellen auch geistige Nahrung gibt und, dass es nicht so sehr um das Stoffliche, sondern um die Aufnahme von Energie ginge, die sich im Licht finde. – So regt „Am Anfang war das Licht“ zwar gewiss zum Nachdenken an, die „Informationen“ und Positionen des Films sollten aber vom Zuschauer einer kritischen Prüfung unterzogen werden.
Club Vaudeville, Lindau: Di, 15.2., 20.30 Uhr
Solaris: Nachdem der große russische Regisseur Andrej Tarkowskij (1932-1986) bei seinem Historien-Fresko Andrej Rubljow (1964-1966) jahrelang mit Zensurproblemen zu kämpfen hatte, wandte er sich Anfang der 1970er Jahre der politisch unverfänglicheren Verfilmung von Stanislaw Lems klassischem Sciende-Fiction-Roman zu. Gleichzeitig wollte er damit zu dem von ihm abgelehnten westlichen Science-Fiction-Klassiker "2001 - A Space Odyssey" (1968) einen russischen Gegenpart schaffen.
Die Problematik der Technologisierung, die eines der Themen von Kubricks Meisterwerk ist, interessiert Tarkowskij in seinem Film über die unerklärlichen Vorgänge auf einer Forschungsstation über dem Planeten Solaris wenig. Dafür philosophiert Tarkowskij in seiner unverkennbaren Filmsprache mit langen Einstellungen und langsam gleitenden Kamerabewegungen tiefschürfend über die Verantwortung des Menschen und der Wissenschaft sowie den Stellenwert der menschlichen Kultur. Dies unterscheidet seinen 1972 entstandenen Film freilich nicht nur von "2001", sondern auch von Soderberghs Remake, das sich auf eine Meditation über Isolation und Liebe konzentriert.
Aber auch rein äußerlich unterscheiden sich Tarkowskijs und Soderberghs Fassungen grundlegend. Den schlanken 98 Minuten beim Amerikaner stehen 171 beim Russen gegenüber und während es bei Soderberghs Kammerspiel kaum einen Gegenpol zu der in eisiges Blau getauchten, emotionsfeindlichen Kapsel gibt, stellt Tarkowskij in einem 40minütigen Prolog dem schon fast verrotteten technischen Ambiente der Raumstation ein ländliches Idyll mit Landhäuschen, See und Tiergeräuschen gegenüber.
Hier wohnt der Psychologe Kris Kelvin, der beauftragt wird die Vorgänge auf Solaris zu untersuchen. Dort angekommen trifft er auf die verwirrten Wissenschaftler Snaut und Sartorius, Kelvins Freund Gibarjan hat inzwischen Selbstmord begangen. Ursache dieser psychischen Störungen scheint der Ozean auf Solaris - das "Gehirn" des Planeten - zu sein, der die geheimen und unbewussten Gedanken der Menschen materialisiert. Eindringlich wird so ein der Menschheit innewohnender Gegensatz sichtbar: Die intellektuellen Fähigkeiten ermöglichen zwar höchste künstlerische und technische Leistungen, doch von der Vergangenheit, dem Leiden und den Erinnerungen scheint sich das Individuum auch in den unermesslichen Weiten des Weltraums nicht befreien zu können.
Kunstraum Engländerbau, Vaduz: So, 20.2., 14 Uhr