Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 31. Okt 2010 · Film

Aktuell in den Filmclubs (1.11. - 7.11. 2010)

Männer al dente: Als der Sohn eines süditalienischen Pasta-Produzenten vor versammelter Familie bekannt gibt, dass er homosexuell sei, hat das unweigerlich seinen Ausschluss aus der Familie zur Folge. Seine Position nimmt der jüngere Bruder ein, der allerdings nicht weniger schwul ist, aber noch keine Gelegenheit hatte, seine Familie damit zu konfrontieren.
Reichlich konstruiert mag die Ausgangssituation sein, doch Ferzan Özpetek nützt sie in seiner schwungvollen Komödie, um aus der Perspektive dieses jüngeren Sohns hinter die Fassaden der Familie zu blicken und ein peinlich gehütetes Netz von Vertuschungen und Heimlichkeiten aufzudecken.
Sommerstimmung und südliches Ambiente sorgen zusammen mit reichlichem Musikeinsatz für eine gelöste Atmosphäre. In konventionellen Bahnen bewegt sich auch die Inszenierung des türkischstämmigen Italieners Ferzan Özpetek, der ganz auf sein lustvoll aufspielendes Schauspieler-Ensemble vertraut. Etwas mehr Ecken und Kanten hätten sicher nicht geschadet, doch trotz des leichten Tons bleibt der ernste Hintergrund stets präsent. Denn in leicht konsumierbarer Verpackung wird in diesem Feelgood-Movie sehr unterhaltsam vom Widerspruch zwischen familiären Ansprüchen und individuellen Wünschen erzählt und für ein Umdenken bezüglich Homosexualität plädiert: Nicht nur in der Großstadt Rom, sondern auch im konservativen Süditalien sollte Homosexualität nicht mehr als Krankheit, sondern als Charakterzug betrachtet werden.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do, 4.11., 20 Uhr; Sa, 6.11., 22 Uhr


Vitus: Fredi M. Murer erzählt von einem Wunderkind, das nur bei seinem Opa das normale Leben eines Kindes führen kann. Dort kann der kleine Vitus noch träumen vom Ausbruch aus den Grenzen und der Enge, die ihm durch das Karrieredenken der Mutter gesetzt werden. Zur großen Metapher für diese Sehnsucht wird das Bild des Fliegens, das sich leitmotivisch durch den Film zieht.
Wunderbar rund, feinfühlig und mit großer Wärme hat Fredi M. Murer dieses in der Realität spielende Märchen eines Wunderkinds inszeniert. Er nimmt sich Zeit für die Menschen und ihre Probleme, blickt voll Zartheit auf die bis in die Nebenrollen perfekt besetzten Figuren. Gelassen, aber nie dahin plätschernd ist der Erzählrhythmus, nicht zuletzt dank Pio Corradis wunderbar fließender und geschmeidiger Kameraarbeit und der Meisterschaft, mit der hier verkürzt wird und mit einem Schnitt sechs Jahre übersprungen werden. Hier gibt’s kein falsches Licht, keinen falschen Farbton – jede Einstellung ist mit viel Gespür komponiert.
Verträumt, märchenhaft und spielerisch, gleichzeitig aber doch immer geerdet und nahe an der Realität ist dieser Film mit der Ebene der Eltern, in der es nicht nur um ihren Wunderknaben, sondern auch um den wirtschaftlichen Boom, Globalisierung und riskante Bankgeschäfte geht. Und so entfaltet sich diese hinreißende Entwicklungsgeschichte gleichzeitig zu einem wunderbaren Diskurs über die condicio humana, über das Künstlerische und das Wirtschaftliche, über Genialität, die einsam macht, und das Verlangen nach sozialem Kontakt, über Karriere und die Sehnsucht nach Freiheit und über die endlose Frage nach dem Lebenssinn.
Bücherei Hohenems: Fr, 5.11., 21.30 Uhr