Filippa Gojo & David Helbock im inspirierenden Dialog miteinander
Fulminanter Auftakt zum diesjährigen Neujahrsjazzfestival am Feldkircher Saumarkt
Silvia Thurner · Jän 2024 · Musik

Wenn sich David Helbock und Filippa Gojo auf der Bühne treffen, hat dies Seltenheitswert und es ist zu erwarten, dass musikalisch die Funken sprühen werden. Viele Jazzfreunde wollten sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen und strömten am Eröffnungsabend des Neujahrsjazzfestivals in das Feldkircher Saumarkttheater. Vom ersten Ton an kommunizierten die außergewöhnlich kreative Jazzsängerin und der virtuose Pianist lust- und humorvoll miteinander. So war es ein einmaliges Hörvergnügen, die beiden mit eigenen Werken sowie Arrangements zu hören und mitzuerleben, wie sie die Musik improvisatorisch weiterdachten, einander die melodischen und rhythmischen Phrasen zuspielten und ein großes Vergnügen im Rollentausch hatten.

Filippa Gojo lebt seit Jahren in Köln, musiziert in eigenen Ensembles und war kürzlich am Dornbirner Spielboden mit dem „Fuchstone Orchestra“ zu erleben. Seit vergangenem Herbst ist sie Professorin für Jazzgesang an der Hochschule in Nürnberg. Der Jazzpianist David Helbock publiziert bei ACT Music, seine Einspielungen werden international ausgezeichnet und gefeiert. Für Furore sorgt er derzeit mit dem Projekt „Austrian Syndicate“. Filippa Gojo und David Helbock kennen sich seit ihrer Schulzeit. Vor etlichen Jahren haben die beiden bereits miteinander musiziert, unter anderem in einer Funkband. Im Duo waren sie jedoch noch nie zu erleben. Genau diese direkte musikalische Begegnung war ein besonderer Genuss, denn die Sängerin und der Pianist lieben die Improvisation und den „ganzheitlichen“ Einsatz ihrer Instrumente, einerseits das Klavier und andererseits die Stimme. David Helbock verwendet den Flügel als Tasten-, Perkussion- und als Saiteninstrument. Ideenreich präparierte er die Saiten, sodass er aus den Tasten und mit dem Spiel im Korpus Klängen nachspüren kann, die jedes Werk zu einem vielschichtigen Klangereignis werden lassen.
In den vergangenen Jahren hat Filippa Gojo ihre Technik im Jazzgesang enorm erweitert. Sie ist eine Vokalkünstlerin mit akrobatischen Fähigkeiten, die jede Werkdeutung zu einem bewundernswerten stimmlich-körperlichen „Gesamtkunstwerk“ erheben.
In einem gut durchdachten dramaturgischen Ablauf präsentierten Filippa Gojo und David Helbock Arrangements sowie zahlreiche eigene Kompositionen. Inspiriert und experimentierfreudig führten sie die musikalischen Themen der einzelnen Nummern in ihre eigenen Klangwelten über und hatten ihre Freude beim gegenseitigen Geben und Nehmen sowie im Rollentausch. Die wandlungsfähige Stimme von Filippa Gojo bot weit mehr als lediglich melodieführende Eigenschaften. Fantasievoll setzte sie begleitende perkussive Patterns ein und transformierte Texte in originelle Vokalskulpturen.

Musikalisch originelle und individuelle Zugänge

Den meisten Eindruck hinterließen die Vertonungen der Gedichte von Ernst Jandl, wie „Voyeur“, „schtzngrmm“. In Erinnerungen blieben „Seesucht“ sowie „Trusting in uncertainty“. Das Lied „Nimm hin mein Lied“ der deutschen Komponistin Felicitas Kukuck wirkte eindrücklich. In Freundschaft verbunden erinnerte die Sängerin mit dem Song „Schmetterling“ an ihre erste Gesangslehrerin Annika Kräutler. Die Arrangements und Kompositionen, die David Helbock einbrachte, beinhalteten vorwiegend Werke von und über Frauen. Aufhorchen ließen „Das Fabelwesen“ und „Rosa Parks“. Arrangements von Chick Corea sowie Ornette Colemans „Lonely woman“ sowie das Lied „Loreley“ von Clara Schumann erklangen virtuos gedeutet und trieben den musikalischen Fluss voran.
Viel gäbe es über jede einzelne Darbietung zu berichten, doch an dieser Stelle müssen ein paar wenige Eindrücke genügen, die das bewundernswerte Zusammenspiel von Filippa Gojo und David Helbock illustrieren.
In einer guten Kommunikation spielten die Sängerin und der Musiker mit den Rollenzuschreibungen und wechselten in allen Darbietungen ihre angestammten Rollen zwischen melodieführenden und begleitenden Parts. Höchst emotional präsentierte sich Filippa Gojo als Vokalkünstlerin. Sie brachte vielerlei Sounds ein und veränderte den musikalischen Ausdruck mit einer bewundernswerten Flexibilität. So transformierte sie unter anderem leise wispernde Sounds über plappernde und zischende Schallereignisse hin zu hechelnden Vocals und raumgreifenden musikalischen Bögen, mit denen sie die dramatisch eingesetzten Stimmregister voll zur Geltung brachte.
Die stimmliche Varianz von Filippa Gojo bot die besten Voraussetzungen für die Interpretation der Jandl-Gedichte. Hier begeisterten neben der musikalischen Ausdrucksstärke auch die Textverständlichkeit, mit der Filippa Gojo die Texte interpretierte und belebte. Besonders in „schtzngrmm“ blieb wohl so mancher Zuhörerin und manchem Zuhörer das Lachen im Hals stecken, denn die Inhalte vom Schützengraben und dem Tod waren oberflächlich betrachtet leicht konsumierbar, offenbarten jedoch in der Werkdeutung ihre große Dramatik.
David Helbock spielte am Flügel mit einer bewundernswerten Virtuosität und vielgestaltiger Harmonik, die mit übermäßigen Intervallen, Ganztonreihen und chromatischen Girlanden gespickt waren. Vielseitig setzte er das Spiel mit den Saiten direkt im Korpus ein. Besonders eindrucksvolle Klangwirkungen ergaben sich durch die dämpfenden Präparationen. Geistesgegenwärtig und originell reagierte David Helbock auf die Inputs der Sängerin. So entfalteten sich nicht nur vielseitige akkordische, sondern auch perkussive Passagen, die einfallsreich zueinander in Beziehung gesetzt wurden.

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