Fatma Said und die Melancholie der leisen Zwischentöne
Die Schubertiade lud zu einem Liederabend mit Fatma Said und Joseph Middleton
Silvia Thurner · Mai 2023 · Musik

Die ägyptisch-deutsche Sopranistin Fatma Said ist eine der besten Künstlerinnen unserer Zeit. Nach einer Absage im vergangenen Jahr war die Sängerin zum dritten Mal bei der Schubertiade Hohenems zu Gast. Die Werkauswahl weckte Vorfreude und schraubte die Erwartungen hoch. Eine Kantate von Haydn sowie eher unbekannte Lieder von Schubert und Schumann bildeten mit Jahreszeiten- und Naturbeschreibungen Gefühlswelten als Analogien des Menschenlebens, unerfüllter Liebe und den Tod als Schlafes Bruder ab. Die Rezitative, Arien, Lieder und Balladen deutete Fatma Said, am Klavier ausdrucksstark begleitet von Joseph Middleton, mit ihrem wunderbar zarten Schmelz in ihrer Stimme. Aber ihre Darbietungen berührten nicht so wie erhofft.

Die Werkauswahl mit Kompositionen von Haydn, Schubert und Schumann führte tief hinein in das romantische Empfinden und bot gleichzeitig Einblicke in die kompositorische Entwicklungsgeschichte des Liedgesang im 18. und 19. Jahrhundert. Joseph Middleton formte die Musik am Klavier derart plastisch und mit einer vielfältigen Anschlagskultur aus, dass die unterschiedlichen musikalischen Charaktere hervorragend nachvollziehbar wurden. Besonders in Schumanns „Sechs Gesänge“ op. 89, nach Gedichten von Wilfried von der Neun modellierte er „den doppelten Boden“ der Textinhalte hervorragend heraus und lenkte mit seiner individuellen Spielart die Aufmerksamkeit auf sich.
Fatma Said formte die Liedparts mit melancholischer Anteilnahme sowie einer Pianokultur, die immer wieder aufhorchen ließ. Ein mitfühlender Erzählton bestimmte ihre Rezitative und Arien aus der Kantate „Ariana a Naxos“ von Joseph Haydn. Das Lamento der verlassenen Geliebten des Theseus formte Fatma Said ganz in sich gekehrt. Auf diese Weise entfaltete sie die Emotionen mit zahlreichen Tonsymbolen vielsagend. Erst in der abschließenden Arie „Ah! Che morir vorrei“ kehrte sie die Gefühle mehr nach außen und bewirkte damit ein vielschichtiges Hörerlebnis.
Ellens Gesänge I, II und III aus Sir Walter Scotts „The Lady of the Lake” von Franz Schubert haben eine politische Komponente, die auch in unserer Zeit nichts von ihrer Aktualität verloren hat. „Raste, Krieger, Krieg ist aus“ (D 837), interpretierte Fatma Said zurückhaltend und brachte damit den beruhigenden Sprachcharakter im Verhältnis zum äußerst aufgewühlten Klavierpart spannend zur Geltung. In „Jäger, ruhe von der Jagd“ machte sich eine gewisse Ungenauigkeit in der Linienführung bemerkbar. Sie trübten die Darbietungen zwar nicht maßgeblich, doch sie bewirkten eine gewisse Distanz, die die Sopranistin im Laufe des Abends nicht mehr ablegen konnte. Diese Beobachtungen betrafen auch die Lieder und Gesänge op. 89 und op. 104 von Robert Schumann. Obwohl die doppelbödigen Inhalte schön hervorgekehrt und auch humorvolle Anspielungen gesetzt wurden, wirkten die Werkdeutungen teilweise etwas ungenau in der Ausgestaltung der melodischen Linie.
Auf der anderen Seite zog Fatma Said insbesondere mit zwei „Schubert-Klassikern“ die Zuhörenden in ihren Bann. Eindrücklich sang sie die „Hymne an die Jungfrau“ (D 839) und legte eine große Sensibilität in die melodische Gestaltung. Ein weiterer Höhepunkt bildete „Nachtstück“ (D 672), in dem Fatma Said und Joseph Middleton die Stille miteinbezogen, die Pianokultur feinsinnig erlebbar machten und das Lied überaus intensiv zelebrierten. Die Sopranistin selbst sagte in einem Interview, dass Brahms‘ „Da unten im Tale“ eines ihrer Lieblingslieder sei. Genau mit diesem Lied bedankte sie sich beim Publikum und brachte dabei die Schönheit und Ausdruckskraft ihrer Stimme zum Strahlen.

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