Exzellenter Band-Sound + faszinierende Soli = zeitloser Jazz
Das David Friedman Generations Trio aus Berlin begeisterte am Dornbirner Spielboden
Peter Füssl · Feb 2025 · Musik

Kurator David Helbock hat die Konzerte der aktuellen Jazz&-Saison am Dornbirner Spielboden mit dem Motto „Generationen“ überschrieben, da passt das David Friedman Generations Trio natürlich perfekt ins Konzept. Der 80-jährige aus New York stammende Vibraphonist zählt seit Jahrzehnten zu den wichtigsten, vielseitigsten und meistbeschäftigten Virtuosen auf seinem Instrument und gibt sein umfangreiches Wissen seit 1989 an der Berliner Universität der Künste, später dann am Jazz-Institut Berlin weiter. Von dort hat er auch den Kontrabassisten Oliver Potratz und den aus Frankreich stammenden Drummer Marc Michel, der den erkrankten Langzeit-Drummer der Formation, Tilo Weber, kurzfristig ersetzen musste, mitgebracht. Der mit zahlreichen exzellenten Soli aller Beteiligten gespickte Trio-Abend wurde vom Publikum mit viel Applaus bedacht.

Drei Generationen

David Friedman, 1944 in New York geboren, war bereits studierter Perkussionist und bei renommierten Klassik-Orchestern engagiert, als er in seinen frühen Zwanzigern beschloss, bei Gary Burton Vibraphon und dessen revolutionäre Vier-Schlägel-Technik zu erlernen. Eine Entscheidung, die seine Karriere ungemein befeuerte. Liest man heute seine biographischen Daten, stellt man fest, dass er seit Anfang der 1970-er Jahre über wirklich alle Genre-Grenzen hinweg aktiv war und gerät über dieses „Who is Who“ an hochkarätigen Kooperationspartnern unweigerlich ins Staunen. Im Jazz-Bereich wären da etwa Wayne Shorter, Horace Silver, Ron Carter, Joe Chambers, Hubert Laws, Jane Ira Bloom, Harvie Swartz, Chet Baker, Geri Allen, Bobby McFerrin, Dave Samuels, Kenny Wheeler, Dino Saluzzi oder Daniel Humair stellvertretend für Dutzende weiterer Stars zu nennen, im Pop/Rock/Soul-Bereich stößt man unter anderem auf Tim Buckley, Blood, Sweat & Tears, Aretha Franklin, Joe Jackson, Billy Joel, Laura Nyro oder Beth Orton und Größen, wie der zeitgenössische Klassiker Leonard Bernstein, oder der experimentierfreudige Avantgardist und Elektronik-Pionier Luciano Berio runden die imposante Liste ab. Angesichts dieses musikhistorischen Backgrounds ist es kein Wunder, dass der einfallsreiche und – keineswegs nur angesichts seines Alters – extrem behände und schnelle Vibraphonist beim Konzert die musikalischen Ideen nur so aus den Ärmeln zu schütteln scheint.
Die mittlere Generation ist im „Generations Trio“ durch Kontrabassist Oliver Potratz, Jahrgang 1973, vertreten, der Standard-Drummer des Trios Tilo Weber (*1990) bzw. seine Krankheits-Vertretung Marc Michel (*1986) sind nochmals um eine Generation jünger. In der deutschen Jazz-Szene bestens vernetzt und in zahlreichen Kollaborationen aktiv sind sie alle drei.

Komposition und Improvisation eng verflochten

„Das war irgendwas“ nannte David Friedman in seiner ersten Ansage nach dem Opener grinsend das eben vollendete erste Stück. Alle im Saal starten normalerweise mit einer Erwartungshaltung in den Konzertabend, fuhr er fort. Die Musiker wüssten, was sie spielen würden, das Publikum wisse ungefähr, was es zu hören bekomme. „Dieses Mal war es anders“, meinte er lachend: „Ihr wusstet nicht, was wir spielen werden, und wir wussten es auch nicht.“ Zu hören gab es nach einem einleitenden, verhallten Vibraphon-Solo eine spannungsgeladene Up-Tempo-Nummer, bei der Friedman immer wieder Richtungswechsel einschlug, die von Michel und Potratz intuitiv aufgenommen und einfallsreich umgesetzt wurden. Alles total improvisiert, wie etwa die Hälfte der Stücke des Abends. Allerdings auf einem dermaßen hohen Niveau, dass es kaum mehr möglich war, die Grenzen zwischen Durchkomponiertem und Improvisiertem auszumachen. Das ist vor allem in Bezug auf Marc Michel höchst beachtlich, denn er hatte tatsächlich nur ein paar Probestunden Zeit, ein Gefühl für die kompositorisch durchaus gefinkelten Stücke zu entwickeln. Umso beachtlicher, mit welcher Sensibilität und mit wieviel Einfallsreichtum, aber vor allem auch mit welcher Coolness er die durchaus herausfordernde Aufgabe, Tilo Weber kurzfristig zu ersetzen, meisterte.

Eigenes Plattenlabel – zwei exzellente Alben

Nachdem sich die Suche nach einem geeigneten Plattenlabel für die Veröffentlichung der Aufnahmen zum ersten Album des Generations Trio über Jahre hingezogen hatte, beschlossen Friedman und Weber vor sieben Jahren, doch einfach ihr eigenes, sich nicht mehr rein am Kommerzbetrieb orientierendes Unternehmen zu gründen – das war die Geburtsstunde ihres Labels Malletmuse, wo die beiden Musiker seither ihre Produktionen veröffentlichen.
Am Spielboden standen Kompositionen von den beiden Trio-Alben „Thursday“ (2018) und „Surge of Silence“ (2024) auf dem Programm. Vom Debüt-Album stammte etwa „Thursday Session“, das alle Vorzüge dieser interaktiven Band vereint: starke Melodien, spannende dynamische Entwicklungen, geschickter Wechsel intensiver und entspannter Phasen, leicht ins Ohr gehender Modern Jazz mit interessanten Breaks, Richtungswechseln und extravaganten freien Einsprengseln, oder auch hypnotische Passagen, die eine wahre Sogwirkung entwickeln können. Letzteres trifft auch auf das bopige „Thursday Lines“ zu.
Natürlich standen auch mehrere Titel vom erst im letzten Jahr erschienen zweiten Album des Trios, „Surge of Silence“ auf dem Programm – schließlich hatte man auch die optisch wundervolle Vinyl-Ausgabe zum Verkauf im Gepäck. „3 + 1 = 5“ schrieb David Friedman 1982 für das Album „Peace“ des Trompeters Chet Baker, bei dem auch Buster Williams am Kontrabass und Joe Chambers an den Drums mit von der Partie waren. Ein ungemein flottes, groovendes, mit interessanten Akzenten durchsetztes Stück, das auch reichlich Raum für Improvisationen bot. „Semblance of Serenity“ startet als stimmungsvolle Ballade im ¾ Takt, durchläuft spannende dynamische Entwicklungen und steuert immer wieder auf neue Höhepunkte zu. „Gobi“ ist ein flottes, durchaus zupackendes Stück mit rasantem Schlagzeug-Solo zum minimalistischen Comping des Vibraphons.
Stammten bisher alle genannten Stücke aus der Feder David Friedmans, dessen kompositorische Fähigkeiten ebenso beeindruckend wie seine instrumentalen sind, so hat die wunderschöne Ballade „You Taught My Heart to Sing“ der legendäre Jazz-Pianist McCoy Tyner verfasst. Dazu erzählte Friedman einen interessanten Aspekt zur Entstehungsgeschichte, den er von der Tochter des hauptsächlich für seine Broadway-Songs bekannten Lyrikers und vierfachen Oscar-Preisträgers Sammy Cahn erfahren hatte. Diesen besuchte Tyner unangemeldet mit den Noten zu seinem Stück und bat ihn um entsprechende Lyrics, was Cahn für den ihm Unbekannten innerhalb von zehn Minuten erledigt haben soll.
Und noch eine bekannte Fremdkomposition hatte das David Friedman Generations Trio am Spielboden im Gepäck, die bislang allerdings noch nicht erschienen ist: „O Grande Amor“ von Antônio Carlos Jobim/Vinicius De Moraes ist Musik-Fans vom legendären Latin-Jazz/Bossa Nova-Klassiker von Getz/Gilberto aus dem Jahre 1964 her bestens bekannt. Eine gefangennehmende Melodie kombiniert mit einer hypnotisch wirkenden Latin-Spannung, durchaus flott gespielt.

Exzellente Soli und ebensolcher Band-Sound

Wenngleich vom Lehrer-Schüler-Verhältnis, das zwischen Friedman und seinen Trio-Kumpanen einst bestanden hat, nichts mehr zu spüren ist und auf Augenhöhe kommuniziert wird, so ist dennoch sonnenklar, dass der höchst agil agierende Altmeister die entscheidenden Impulse setzt und letztlich definiert, wo es lang geht. „Exzellenter Band-Sound + faszinierende Soli = zeitloser Jazz“ lautet wohl die Erfolgsformel. Ein Konzept, das allen Beteiligten genügend Raum zur kreativen Entfaltung lässt, und gleichzeitig wieder einmal deutlich macht, dass gerade auch im musikalischen Bereich das Ganze mehr ist als die Summe der Einzelteile. Ein faszinierender Abend!

Nächstes Konzert der Jazz&-Reihe am Spielboden Dornbirn
Mi, 26.3.25, 20.30 Uhr: Emma Rawicz Quartet - CHROMA
www.spielboden.at

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