Empire of Light Gunnar Landsgesell · Apr 2023 · Film

„Empire of Light“, der neue Film von Sam Mendes, ist zum Glück kein weiterer Film über die „Magie des Kinos“. Sondern über einen Ort, an dem für kurze Zeit eine andere soziale Realität möglich scheint – großartig von Olivia Colman und Michael Ward als unwahrscheinliches Paar in Szene gesetzt. Trent Reznor hat den Film mit seinem Score wunderbar akzentuiert.

Mit „1917“ hatte Regisseur Sam Mendes („American Beauty“) zuletzt gezeigt, welches Genre ihm weniger liegt: Historisches, große Zusammenhänge, sein Kriegsfilm erinnerte zusehends an ein Videogame. Ganz anders „Empire of Light“, der zwar nicht zufällig in einem Kino spielt, aber trotz seiner metaphorischen Aufladung den Raum sehr geschickt nützt, um England Anfang der 1980er-Jahre sozial neu in Beziehung zu setzen: Vor dem Hintergrund der Thatcher-Ära und dem Niedergang basaler Sicherheiten wird das „Empire Cinema“ vorübergehend zu einem gesellschaftlichen Gegenentwurf. Eine kleine Gruppe von Mitarbeitern erweist sich als eingeschworenes Team, man scherzt im wenig schmucken Aufenthaltsraum hinter den Kulissen. Hilary (Olivia Colman) wirkt gedämpft, doch sie erledigt ihre Arbeit als Chefin des Foyers mit großer Routine. Dazu scheinen auch die sexuellen Dienste zu gehören, für die der Geschäftsführer (Colin Firth) Hilary zeitweise in sein Zimmer bestellt. Sie erzählen von den realen Machtverhältnissen dieser und auch späterer Zeiten. Als der junge Schwarze Mitarbeiter Stephen (Michael Ward) zum Team dazustößt, nähern sich die beiden gesellschaftlich marginalisierten Figuren vorsichtig an. Ein verwahrloster Teil des Kinos, dessen Verkleidung von den Wänden hängt, der aber durch große Glasfronten einen wunderschönen Blick auf die Küste freigibt, dient als Treffpunkt. Ohne besondere Eile oder auch melodramatische Töne folgt „Empire of Light“ diesen beiden Personen, macht sie einander vertraut – und dadurch letztlich verletzlich und angreifbar.

Blick auf das Leben

Sam Mendes konzentriert sich in seiner offenen erzählerischen Form, die fast an New Hollywood erinnert (so wie Hilary an Cassavetes‘ „A Woman Under the Influence“), ganz auf eine mäandernde Liebesgeschichte, die nur selten theatral, oft aber sehr real wirkt. Dass die Frau mittleren Alters mit psychischen Problemen zu kämpfen hat und die Erfahrungen des jungen Mannes vom latenten Rassismus seiner Umgebung geprägt sind, spielt in deren Beziehung hinein. Vor allem aber zeigen sich darin zwei Charaktere, die angreifbar sind, und die sich dennoch eine eigene Sphäre, eine neue Sicherheit verschaffen. Mit ihnen findet der Film zu einem Realismus, der auch für das Kino selbst Hoffnungen generiert: Es kreiert Erfahrungsräume, die kein anderes Medium so schillernd zu vermitteln vermag. „Empire of Light“ taucht seine Geschichte weder in ein falsches Rosa, noch spitzt es Ereignisse unnötig zu. Eine große Gelassenheit legt sich über diese Erzählung, deren Stimmung ganz wesentlich von den Klavierthemen Trent Reznors (Nine Inch Nails) akzentuiert wird. Vom Glück zur persönlichen Krise ist es bei Sam Mendes nicht weit, aber der Blick darauf, von seinen Protagonisten wie auch dem des Publikums, erzählt vom Großmut, den das Leben einem auferlegt.

 

 

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