Einen außergewöhnlichen Ort geistreich bespielt
Musik und Worte in der Landesgedächtniskapelle der Basilika Rankweil
Silvia Thurner ·
Sep 2024 · Musik
Die Basilikakonzerte Rankweil haben sich für das Konzert mit dem Cellisten Martin Merker und der Cellistin und Komponistin Baran Mohammadbeigi sowie Gedanken von Walter Juen einen besonderen Aufführungsort ausgedacht. Die Zuhörenden wurden in die Landesgedächtniskapelle im Fundament der Basilika geladen. Der 2011 neu gestaltete Raum bot eine einzigartige Atmosphäre für Kompositionen, die um das Leid und die Würde kreisten, um Verlorenes und Zuversicht. Der Cellist Martin Merker musizierte intensiv und präsentierte zudem das neueste Werk der Komponistin Baran Mohammadbeigi. In Verbindung mit der stimmigen Atmosphäre des Raumes mitsamt der guten Akustik wurde den Zuhörenden ein Erlebnis beschert, das noch lange nachklingen wird.
Der inhaltliche Kontext des Konzertes, in dem Opfer von Gewalt und die Menschenwürde im Mittelpunkt standen, wirkte eher bedrückend. Doch die gute Werkauswahl von Martin Merker rundete die trostlosen Inhalte durch den musikalischen Ausdrucksgehalt ab und verbreitete Zuversicht. Insbesondere das Werk „Lalai“ – ein Schlaflied zum Wachwerden – von Barbara Heller rüttelte auf. Sie widmete die Komposition politisch verfolgten, eingesperrten und ermordeten Frauen im Iran. Martin Merker „sang“ die Ausgangsmelodie auf seinem schön timbrierten Cello. Davon ausgehend entfaltete er mit seiner differenzierten Tongestaltung eine große Intensität.
Das neueste Werk „Tanzend, weinend“ der aus dem Iran stammenden Baran Mohammadbeigi wurde in der Landesgedächtniskapelle uraufgeführt und erinnert an die Zeit vor der iranischen Revolution 1979. Damals war es den Frauen möglich, öffentlich zu tanzen und sich frei zu bewegen. Spannend leitete Martin Merker das Werk mit Pizzicati ein, die er in den Raum schickte. Eine „dringliche“ Tongebung in den oberen Lagen, obertonreiche Klänge und eine an arabische Maqams angelehnte Harmonik führten mitten hinein in den emotionalen musikalischen Fluss. Von unten nach oben „rollende“ Tonlinien wirkten bedrohlich, verstärkt durch mehrstimmig geführte Passagen. Die Wucht des Klanges wurde in der guten Akustik der Gedächtniskapelle eindrücklich verstärkt. Die am Ende des aussagekräftigen Werkes erklingenden Flageoletts hatten eine mehrdeutige Wirkung, die zum Weiterdenken anregte.
Das Prélude aus der dritten Cellosuite von J.S. Bach (BWV 1009) spielte Martin Merker mit viel Wärme und spannenden Phrasierungsbögen. Die kraftvollen Doppelgriffe, gespaltenen Linienführungen über die Saiten hinweg und die harmonischen Farben entfalteten sich hervorragend. Diesem Werk wurde das sinnlich interpretierte Largamento aus der Cellosuite von Benjamin Britten zur Seite gestellt. Die Kombination der beiden Werke wirkte anregend.
Auf die tänzerische, nach vorn zielende Gigue aus der dritten Bach-Cellosuite ließ Martin Merker das Capriccio Nr. 1 von Joseph Dall'Abaco folgen. Auch diese beiden Werke ergänzten sich exzellent und brachten die impulsive Spielart des Cellisten mit straffen Phrasierungsbögen und einer vielgestaltigen Tongebung zur Geltung.
Gedanken zur Menschenwürde
Zwischen den drei musikalischen Blöcken brachte Pfarrer Walter Juen Gedanken über die Würde des Menschen ein. Er nahm Bezug auf die Erklärung „Dignitas Infinita“ und führte Überlegungen zur Freiheit, Verantwortung und Wertschätzung weiter. Überdies stellte er interessante Bezüge zum Roman Don Quijote von Miguel de Cervantes her und trug eine Passage von Victor Hugo, in der die Empfindungen eines Menschen in der Todeszelle geschildert werden, eindrücklich vor.
Das Cello verfügt über einen riesigen Tonumfang, der von der sonoren tiefen C-Saite bis in hohe Sopranlagen reicht. Diese Vielseitigkeit des Instruments, verbunden mit einer kraftvollen, aber stets transparenten Mehrstimmigkeit, wirkte in der Landesgedächtniskapelle raumgreifend und trug den Klang über die Zuhörenden hinweg. Dies kam auch in der Sonate Nr. 10 pour deux violoncelles von Jean-Baptiste Barrière zur Geltung. Das Duett musizierten Baran Mohammadbeigi und Martin Merker in einem freudigen Austausch miteinander. So entfalteten sich die Charaktere der Sätze hervorragend. Im abschließenden Presto formten die beiden die mitreißenden Themen in einem atemberaubenden Tempo.
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