Eine Perle dieses Theaterherbsts
„Fabian“ von Erich Kästner
Peter Niedermair · Okt 2023 · Theater

Max Merker und Aaron Hitz vom TOBS Theater Orchester Biel Solothurn machten zuletzt mit „Kafka in Farbe“ in Bregenz Station und spielten das Stück im Jänner 2023 am Landestheater. „Fabian“ von Erich Kästner, das aktuelle Stück, eine weitere Koproduktion von TOBS und dem Vorarlberger Landestheater, ist eine überzeugende Inszenierung, die noch einige Male hier in Bregenz zu sehen sein wird. Kümmern Sie sich um Karten, das Stück ist sehenswert!

Die Premiere ging am Freitag, den 13.10. im ausverkauften Landestheater über die Bühne und es wurde vom Publikum zu Recht und ausgiebig applaudiert. Erich Kästner hatte den Roman ins Berlin der 1920er Jahre verlegt, in eine historisch komplexe und schwierige Zeit, in der die Gesellschaft existenziell konfrontiert war mit dem aufkommenden Nationalsozialismus und dem Antisemitismus.

„Einer habe bleiben müssen“ – Sein oder Nichtsein

Im Text des Stücks erfahren wir am Ende: „1932 erscheint die zensierte Version von Erich Kästners Roman FABIAN. 1933 sieht Kästner zu, wie seine Bücher in Berlin von den Nazis verbrannt werden. Er verlässt Deutschland nicht und schreibt unter Pseudonym weiter. Kästner sagte, einer habe bleiben müssen, um Augen- und Ohrenzeuge zu sein.“
Der Reklameschreiber Jakob Fabian ist ein Antiheld, wie er im Buch steht, nicht so sehr Teilnehmer seiner eigenen persönlichen Existenz, mehr Beobachter als aktiver Teilnehmer. Er schaut sich ständig selbst zu, ist eigentlich zufrieden mit seinem Job, hat eine lebenszentrierende Freundschaft und Zuneigung zu seiner alternden Mutter. Dem Leben gegenüber und den unsteten gesellschaftlichen Verhältnissen reagiert er mit zumeist selbstbezogener Ironie. An die Liebe glaubt er nicht, bis sie ihm eines Tages auf einer Künstlerparty begegnet. Peu à peu beginnt er an die Zukunft zu glauben, mithin auch an eine gesellschaftliche Stellung und an einen Sinn im Leben. Doch die Zeit kommt seinen Hoffnungen und Idealen in keinster Weise entgegen. Der Antiheld des Stücks zieht mit Freunden durch Nachtclubs und Varietés und gerät immer tiefer hinein in diese verruchte Kunstwelt, in der sich viele Halbwelttypen tummeln. Der tiefgründige gesellschaftskritische Roman Erich Kästners reflektiert eine pointiert ausstaffierte hochpolitische Welt der Zwanzigerjahre voller Widersprüche, voller absurder und pointierter Komik, die auf der Bühne in eine rasante Theaterwelt zeitnah und zeitkritisch übersetzt sind. Max Merker gelingt mit einem überzeugend inszenierten Stück, das Verlorensein in dieser Zeit der „roaring twenties“, wie auch das Faktum, keine Perspektive zu haben, unter die Haut gehend auf die Bühne zu stellen. 

Sehnsucht nach Leben

Kästner, ein hochpolitischer Autor, der mit einem Blick auf die Leserschaft zuallererst als Kinderbuchautor bekannt ist und rezipiert wird, ist es gelungen, die Zwanzigerjahre und das Lebensgefühl der Zeit einzufangen. Manifest ist der Wunsch wie auch die Sehnsucht nach Leben, ein Leben in den Etablissements leben zu wollen, sich unterhalten und vergnügen zu lassen, um der tristen Realität zu entkommen. Die Rolle des Fabian ist angelegt, dabei zu sein oder zuzuschauen, auch Zuschauer seines eigenen Lebens zu sein. Er ist dabei, hat aber dennoch nicht hineingepasst. Er hält die alten Werte hoch, wichtig ist ihm der Brief an die Mutter, zu der er auch zurückgeht.
Die Figur des Fabian wird durch den hervorragenden Schauspieler, der allein durch seine Gestik, seine Bewegungen, sein Aussehen, seine Kleidung, seine Art zu sprechen den Typen ideal verkörpert. Er ist als Zuschauer dabei, bleibt dennoch distanziert. Aaron Hitz spielt die Rolle sehr überzeugend. 

Eine Perle im Theaterleben der Saison

Ideal gelungen ist auch das Bühnenbild mit den stark reduzierten Mitteln, das die temporeiche Inszenierung zu einer Perle im Theaterleben dieser Saison werden lässt, unterhaltsam, klug und gleichzeitig tief berührend. Das Bühnenbild an sich, die monotonen Wandtapetenmuster, das wenige Inventar, lebenswichtige Möbel, Stuhl, Tisch, Betten, Schreibtisch, Telefonapparate, alles im schnellen Wechsel. Das ganze Stück verweist auf zahlreiche zeitgeschichtliche und genderorientierte Bezüge, vor allem die Rolle der Cornelia und der Link zu den Fragen der MeToo-Bewegung sind zu nennen. Besonders hervorzuheben sind schließlich die großartigen schauspielerischen Leistungen. Neben dem Protagonisten in der Rolle des Fabian, Aaron Hitz, ist auch Milva Stark zu nennen, die im gesamten Stück acht verschiedene Rollen spielt.
Die Atmosphäre an diesem Premierenabend war sehr angenehm, atmosphärisch dicht, die Begeisterung auf Seiten des Publikums war groß, hörbar und spürbar. Diese Atmosphäre und die Assoziationsspielräume zur Gegenwart spielen die Unsicherheiten, die Umbrüche, der geringe Glaube, aber die Skepsis gegenüber der Zukunft, wo man sich im Jetzt das nimmt, was man nehmen kann. Deutlich sichtbar und spürbar wird das bei Fabian, der sich in Cornelia verliebt. In dem Moment hat er diese Veränderung vollzogen, ab dann beginnt er sich eine perspektivisch gute Zukunft zu denken.

weitere Vorstellungen:
15./18.10.2023, 19.30 Uhr, Publikumsgespräch am 18.10. im Anschluss an die Aufführung
29.12.2023, 19.30 Uhr sowie 31.12.2023, 18 Uhr
20./23.01.2024, 19.30 Uhr
Vorarlberger Landestheater, Am Kornmarkt, Bregenz
www.landestheater.org

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