Eindringlich formulierte Bitte um Frieden
Detailreich ausgestaltete Werke von Haydn und Pärt in der Basilika Bildstein
Silvia Thurner ·
Mai 2025 · Musik
Jedes Jahr organisiert der Verein Kultur in Bildstein eine Aufführung eines repräsentativen, groß besetzten Chor- und Orchesterwerkes. Dieses Mal wurde mit Haydns „Missa in tempore belli“, der „Paukenmesse“, sowie dem musikalischen Gebet „Da pacem Domine“ von Arvo Pärt die Bitte um Frieden eindrücklich formuliert. Die Basilika Bildstein konnte die vielen Konzertbesucher:innen kaum fassen und eine freudvolle Anspannung lag vor Konzertbeginn in der Luft. Ein gut disponierter Chor sowie ein dynamisch agierendes Orchester und das hervorragende Solist:innenquartett mit Birgit Plankel, Lea Müller, David Lins und Daniel Raschinsky unter der professionellen Leitung von Reiner Schuhenn stellten mit ihrer emphatischen Darstellungskraft höchst eindringliche Werkdeutungen in den Raum.
In der Basilika Bildstein werden regelmäßig großangelegte Chor- und Orchesterprojekte realisiert, die den würdevollen sakralen Raum beleben. Musikliebhaber:innen schätzen die engagierte Ausdruckskraft des Chores sowie das Zusammenwirken der Solist:innen rund um die aus Bildstein stammende Sopranistin Birgit Plankel. Erstmals stand die Aufführung unter der Gesamtleitung von Reiner Schuhenn. Der Kirchenmusiker war über 20 Jahre Professor für Chor- und Orchesterleitung an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln und zählt zu den gefragtesten Chorpädagogen Deutschlands. Seit einigen Jahren ist er in der Geschäftsleitung der Orgelbaufirma Rieger tätig. Dass Reiner Schuhenn nun als künstlerischer Leiter in Bildstein am Pult stand, ist ein Glücksfall.
In seiner kurzen Werkeinführung warf er einen Blick auf die berühmte „Missa in tempore belli“ von Joseph Haydn. Wohl kein Werk passt besser in unsere Zeit als diese Messe. Während ihrer Entstehung, am Ende des 18. Jahrhunderts, stand Europa in Aufruhr und wurde von Napoleons Armeen bedroht. Haydn komponierte die Messe nicht unbedingt mit politischen Intentionen, trotzdem ging das Agnus Dei mit den Pauken und Trompeten als „die“ Instrumente des Militärs in die Musikgeschichte ein.
Schwebende Glockentöne
Zwischen die Messteile Kyrie, Gloria, Credo sowie Sanctus, Benedictus und Agnus Dei fügte Reiner Schuhenn das musikalische Gebet „Da pacem Domine“ von Arvo Pärt ein. Für die Chorsänger:innen war die Stiländerung auf das 2004 entstandene Werk mit langen Haltetönen und klaren harmonischen Tonschichtungen eine enorme Herausforderung. Arvo Pärt verwendete für seine musikalische Mediation den von ihm entwickelten Tintinnabuli(Glocken)-Stil. Hervorragend gelang der Effekt von schwingenden Glockenklängen durch die konzentrierte Ruhe im Zusammenwirken der Chorsänger:innen und durch die Bogenansätze der Streicher:innen. So hätte das Werk dramaturgisch eher an den Anfang und zur Einstimmung in die vielsagende Messkomposition von Joseph Haydn gepasst.
Plastisch ausformulierter Text
Reiner Schuhenn legte die Aufführung der Messe plastisch an. Er wählte markant gemäßigte Tempi und motivierte den Chor, die melodischen Linien in höchstem Maße auf den Text konzentriert auszuformulieren. Verbunden mit den bewusst gesetzten Pausen, einer exzellent ausbalancierten Pianokultur, auf engem Raum aufbrausenden dynamischen Schüben und präzisen Artikulationen entwickelte sich von Beginn an eine große Sogkraft. Die flexible Spielart des Orchesters verstärkte die transparenten Linienführungen und unterstrich die textdeutende Interpretation. Hätten die Konzertbesucher:innen den Messetext mitverfolgen können, wäre die Raffinesse dieser geistreichen und aussagekräftigen Aufführung wahrscheinlich noch besser zur Geltung gekommen.
Die profilierte Aufführung der „Missa“ lebte von einem bewundernswerten Miteinander auf hohem musikalischem Niveau. Birgit Plankel (Sopran), Lea Müller (Alt), David Lins (Tenor) und Daniel Raschinsky (Bass) wirkten mit ihrem warmen und ausgewogenen Quartettklang hervorragend zusammen. In ihren Soloparts begeisterten sie durch die flexibel ausgeformten Verzierungen und Melismen. Der Chor reagierte geistesgegenwärtig auf solistische Einleitungsphrasen und steigerte damit den Aussagegehalt. Überdies kristallisierte die Musizierhaltung der Orchestermusiker:innen die kompositorischen Qualitäten des Werkes heraus. So kamen sowohl die polyfon verflochtenen Stimmen als auch die aus der traditionellen Sinfonik bekannten Themencharakteristika und bildhafte Anklänge im Credo, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei zur Geltung.
Herausragende Details zum großen Ganzen geführt
Viel ließe sich über die Einzelheiten berichten, die Reiner Schuhenn in die Werkdeutung legte. Gleich mitten hinein in die tiefsinnige Musik führte das im Piano eingeleitete Kyrie. Zuerst wurden die Leittöne betont, um sodann die Dynamik markant zu steigern. Die polyfone Stimmführung und die harmonischen Modulationen belebten das straff phrasierte Gloria. Im Mittelpunkt stand das schön zelebrierte Cellosolo im Duett mit dem Bassisten.
Zahlreiche Worte und Textpassagen aus dem Messetext wurden hervorgehoben, wie beispielsweise „misere“ (erbarme dich unser), mit chromatisch sinkenden Tonlinien. Tonrepetitionen im Orchester ergaben dazu einen stabilen Klanggrund. Spannungsreich entwickelte sich aus Pianopassagen „cum spiritu sancto“ (mit dem heiligen Geiste in der Herrlichkeit Gottes) mit den gegenläufigen Phrasierungsbögen zum „Amen“ eine großartige Steigerung.
Ebenso viele Einzelheiten zeichneten das Credo aus, das in einem geradlinigen Duktus musiziert wurde und in dem die Generalpausen den Text maßgeblich ausdeuteten. Hier blieben die Textpassagen „et in carnatus est“ sowie die Kreuzigung in „passus et sepultus est“ (gestorben und begraben) in Erinnerung. Die chromatisch sinkenden Linien wurden durch die Zurücknahme des Gesamtklanges beziehungsreich überhöht. Wirkungsvoll kam die Passage „et ressurexit“ (auferstanden) zur Geltung, als alle zusammen über einem starken Bassfundament ihre Stimmen erhoben.
Im Sanctus und Benedictus wurde mit weichen Linienführungen der Gebetscharakter der Messvertonung unterstrichen. Das vielstimmig dargebotene Osanna leitete über in den bedeutenden Schlussteil, das Agnus Dei. Rufartige Motive, subtil eingefügte Paukensoli sowie die auftrumpfenden Trompeten verstärkten die Klangwirkung. Dynamische und harmonische Kontraste, Licht- und Schatten ergaben einesteils stabile Aussagegehalte und formulierten andernteils auch Fragen aus.
Die Zuhörenden dankten mit Standing Ovations für die leidenschaftlich dargebotenen Werkdeutungen.