Ein pianistisches Ausnahmetalent
Der erst 16-jährige Pianist Tobias Jacob stand im Mittelpunkt eines Konzertes unter dem Titel „In Trance“ mit dem Jugendsinfonieorchester Dornbirn unter der Leitung von Matthias Seewald.
Michael Löbl ·
Mai 2025 · Musik
Musikalische Begabungen gibt es hierzulande viele, beim jährlich stattfindenden Wettbewerb „Prima la Musica“ wird das immer wieder eindrücklich bestätigt. Aber dass ein 16-Jähriger nach nur drei Jahren Klavierunterricht eines der ganz großen Klavierkonzerte des Repertoires öffentlich spielen kann, das ist schon mehr als außergewöhnlich.
So geschehen am Vorabend zum heurigen Muttertag am Samstag im Kulturhaus Dornbirn. Alle, die Tobias Jacob kennen, berichten mit ehrfürchtigem Staunen über die sehr kurze, aber umso intensivere Karriere des Dornbirner Pianisten. Nachdem er zuvor Schlagzeug und Steirische Harmonika gespielt hatte, entdeckte er seine Leidenschaft für das Klavier. Sein erster Lehrer an der Musikschule Dornbirn, Paul Faderny, betreut ihn noch heute. Bereits nach einem Jahr Unterricht erreichte er ein solches Niveau, dass er sich für die Aufnahmeprüfung an der Stella Musikhochschule bewarb und aufgenommen wurde. Dort erhielt er von 2023 bis 2024 Unterricht bei Gerhard Vielhaber und setzt seine Ausbildung seit 2024 bei Katharina Berrio-Quintero fort.
Eine eigene Biografie
Wodurch sich Tobias Jacob also von 99 % seiner Kolleg:innen grundlegend unterscheidet, ist seine Biografie. Er hat eben nicht bereits als Säugling mit dem Klavierspiel begonnen und dann mit knapp vier Jahren sein erstes Konzert mit Orchester gegeben. Nein, das Gegenteil ist der Fall, er ist kein Wunderkind, sondern ein Wunderteenager. Der heute 16-jährige Musikgymnasiast hatte erst im Alter von 13 Jahren seinen ersten Unterricht, spielt also tatsächlich erst drei Jahre lang Klavier.
Und dann ist es soweit, die Vorgeschichte wird beiseite gelegt, der junge Pianist betritt die Bühne, setzt sich an den Steinway-Flügel und beginnt mit den ersten Akkorden des sehr bekannten Klavierkonzertes Nr. 2 von Sergei Rachmaninoff. Tobias Jacob hat das Stück „drauf“, technisch spielt er absolut makellos, musikalisch trifft er genau den Ton dieses russisch-spätromantischen Klanggemäldes, das der Komponist nach der Hypnose-Therapie eines Moskauer Arztes komponiert hatte. Auch das Zusammenspiel mit dem Orchester klappt tadellos, alle rhythmischen Hürden werden brillant gemeistert. Vom Gesamtniveau könnte man fast meinen, im Schlusskonzert bei einem der ganz großen internationalen Klavierwettbewerbe in Brüssel, Leeds, Bozen oder München zu sitzen. Eine absolut bewundernswerte Leistung, nicht nur wenn man weiß, in welch unglaublichem Tempo sich dieser junge Pianist entwickelt hat.
Wenn man partout irgendetwas bemängeln wollte, wäre es die Lautstärke. Es ist wahrscheinlich von der Bühne aus sehr schwierig abzuschätzen, wieviel Klang und Power man geben muss, um sich gegen ein großes Orchester klanglich durchzusetzen. Seine Kräfte sollte man in diesem anstrengenden Stück auch klug dosieren, um für die Schlusssteigerung im fulminanten Finalsatz noch Reserven zu haben. Aber warum übt man wochenlang die schwierigsten Stellen, wenn sie dann im Orchesterklang untergehen und der Zuhörer gerade noch die Oberstimme nachvollziehen kann? Beim Orchester 10 % weniger in manchen Abschnitten und 10 % mehr beim Klavier, vor allem in der linken Hand, dann wäre es perfekt gewesen. Das aber ist Meckern auf sehr, sehr hohem Niveau. Mit einem Prélude von George Gershwin bedankte sich Tobias Jacob für die Standing Ovations.
Klangschön und inspiriert
Nicht ganz nachvollziehbar war die Zusammenstellung des restlichen Programmes. Weder das Vorspiel zum zweiten Akt der Oper „Saul und David“ des Dänen Carl Nielsen, noch das Intermezzo aus Giacomo Puccinis „Suor Angelica“ oder die Orchesterbearbeitung der Armenischen Tänze von Alfred Reed konnten mit Rachmaninoffs genialer Klangsprache mithalten. Nielsen und Reed waren außerdem bereits im letzten Neujahrskonzert zu hören. Auch um die Qualität des Orchesters zu demonstrieren, hätte es zahlreiche besser geeignete Werke aus der unerschöpflichen Fülle der Literatur gegeben. Das Jugendsinfonieorchester spielt klangschön und inspiriert, sowohl als großer Klangkörper als auch in der Begleitfunktion bei Rachmaninoffs Klavierkonzert. Die Musikerinnen (gewaltig in der Überzahl: die Damen!) und Musiker (sie wurden vornehmlich beim tiefen Blech und den Kontrabässen gesichtet) trugen ihren Pianistenkollegen auf Händen und schenkten ihm einen samtenen Streichterteppich und traumhaft schön gespielte Bläsersoli, besonders erwähnenswert ist hier die Erste Klarinettistin. Auch in den drei Orchesterstücken gab es zahlreiche Soli, unter anderem vom Cello, dem Xylophon oder dem ersten Horn. Im Finale der Armenischen Tänze ging dann so richtig die Post ab und plötzlich hatte man gar nicht mehr das Gefühl, dass hier ein Jugendorchester auf der Bühne sitzt. Das begeisterte Publikum erklatschte sich eine Zugabe und bekam „In der Halle des Bergkönigs“ aus der Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg. Hatte Maurice Ravel vielleicht genau dieses Stück im Kopf, als er seinen „Bolero“ komponierte?
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Matthias Seewald, der das Jugendsinfonieorchester als Nachfolger von Guntram Simma und Ivo Warenitsch seit zwei Jahren leitet, ist eine ausgesprochene Dirigierbegabung. Sein aus dem Handgelenk kommender, federnder Schlag verbindet einzelne Takte zu Phrasen, durch seine Schlagtechnik vermittelt er musikalische Linie, Dynamik und Rhythmus. Das erspart viel Zeit in den Proben, da der Dirigent nicht alle Details der Partitur erklären muss, sondern vieles einfach zeigen kann. Dass Matthias Seewald auch verbal vermitteln kann, bewies er in den kurzen Einführungen vor den einzelnen Programmteilen. Mit ihm hat das Jugendsinfonieorchester zweifellos den richtigen Mann für diese verantwortungsvolle Aufgabe gefunden.
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