Ein Mann namens Otto Gunnar Landsgesell · Feb 2023 · Film

Tom Hanks zwischen Wutbürger und gnadenlosem Ordnungshüter – Mit „A Man Called Otto“ fügt der Hollywood-Star seiner Persona eine neue, durchaus witzige Note hinzu. Die Tragikomödie erzählt von einem Mann, der seinem Leben ein Ende setzen will, aber beständig von den neuen, fröhlichen Nachbarn daran gehindert wird. Trotz aller Unbilden darf das Publikum natürlich darauf vertrauen, dass sich zumindest einiges zum Besseren wendet.

Bevor in der Früh der Wecker läutet, ist Otto Anderson schon wach, um das Gerät mit einem energischen Schlag auf das Gehäuse präventiv mundtot zu machen. Danach dreht er für gewöhnlich eine Runde durch die Häuser, um den Müll getrennt zu entsorgen oder seinen Nachbarn wegen kleiner Fehltritte einen Rüffel zu verpassen. Tom Hanks spielt einen Mann mit Ordnungssinn, der deutsche Vorname scheint kein Zufall. Wie so oft verkörpert der Hollywood-Star einen Durchschnittstypen, mit dem die Identifikation ein leichtes scheint. Doch diesmal ist das ein bisschen anders. Hanks Figur zeugt von einer tiefen Verbitterung, die an jene Beleidigten und Gekränkten erinnert, die sich von der Welt enttäuscht zurückgezogen haben. Wie man später erfährt, ist Otto aber kein Wutbürger, sondern ein von einem Schicksalsschlag gebeutelter Witwer, dem der Glaube an die Gerechtigkeit abhandengekommen ist. Regisseur Marc Forster hat es sich zur Aufgabe gemacht, Otto wieder zu versöhnen und ein Lächeln auf sein Gesicht zu bringen. Dafür stellt er seiner Hauptfigur eine mexikanische Familie an die Seite, die sich im Nachbarhaus einquartiert. Deren Chaos und ostentative Lebenslust werden gegen die mechanischen Routinen des einsamen Mannes in Stellung gebracht. Peu à peu knacken sie das Gehäuse des alten Grantlers auf. Wesentlich beteiligt daran ist das weibliche Familienoberhaupt Marisol (famos: Mariana Treviño), die Otto mit ihrer Fürsorglichkeit sogleich auf die Nerven geht. Das alles klingt nicht nur programmatisch, sondern ist auch ebenso gewissenhaft in Szene gesetzt – und zwar exakt solange, bis die Welt wieder ein bisschen heiterer aussieht. Doch Forsters Inszenierung versteht es auch, aus der Geschichte eine ganze Reihe launiger Momente zu kreieren, bei denen man sich selbst dann noch wohlfühlen kann, weil der Strick, den sich Otto gerade um den Hals gelegt hat, reißt.

Der Konsens-Mann

Denkt man an einen Hollywood-Schauspieler, der beim Publikum mehrheitsfähig ist, dann fällt einem zurecht Tom Hanks ein. Der langjährige Spielberg-Gefährte stand quasi nie auf der falschen Seite, ging für eine Rollenwahl selten ein Risiko ein. In „Big“ verkörperte er „das Kind im Mann“, in „Philadelphia“ setzte er sich als Anwalt für HIV-Erkrankte ein, in „The Green Mile“ rührte den ehemaligen Leiter des Todestraktes eines Gefängnisses ein Film mit Fred Astair zu Tränen. Und auch in seinen zahlreichen Komödien machte er – „Splash!“ – kaum etwas falsch. Tom Hanks und sein immer leicht erratisches Schauspiel sind der Garant dafür, dass das Publikum letztlich gut behütet ist. So erinnert auch der kleine Straßenzug in „A Man Called Otto" an die nicht minder überschaubare Welt von „Forrest Gump". Hanks scheint deren natürlicher Bewohner zu sein. Das schmälert aber nicht die angesprochenen Themen dieses Films, der sich völlig zurecht gegen die gesellschaftliche Vereinsamung und für mehr Solidarität ausspricht. Die Figur, die Hanks verkörpert, zeigt gewissermaßen vor, wie das geht. Vom eisernen Wächter des Schrankens, der die Privatstraße gegen unliebsame Eindringlinge verteidigt, erwärmt sich Otto langsam wieder für eine Haltung, die nicht Law and Order, sondern einen wieder zu entdeckenden Humanismus in den Mittelpunkt stellt. Das schafft Platz für die kleinen Dramen der Gesellschaft, für die sich der Film scheinbar öffnet. Es geht um verlorene Freundschaften, um Krankheit und Jobverlust und um Immobilienhaie, die alte Mieter hinauszuekeln versuchen. Zum Gesellschaftsdrama wird der Film aber auch am Ende nicht. Es geht letztlich um Tom Hanks, um den sich das gesamte Geschehen gruppiert. Die Ins-Bild-Setzung des Hollywood-Stars sticht dann doch irgendwie die Themen aus, die hier noch aufpoppen.

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