Ein gewichtiges Vermächtnis
Umfassende Werkmonografie des Bregenzerwälder Bildhauers Herbert Meusburger
Ariane Grabher · Nov 2023 · Literatur

Am 7. Jänner dieses Jahres, kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag, ist der Bregenzerwälder Bildhauer, Maler und Zeichner Herbert Meusburger nach langer Krankheit in seinem Haus in Bizau verstorben. So konnte er die Fertigstellung einer umfassenden, schon länger geplanten Werkmonografie – deren Konzept zwar noch gemeinsam mit dem Künstler erarbeitet wurde, deren Veröffentlichung sich durch die Pandemie und zuletzt den Gesundheitszustand Meusburgers aber verzögerte – nicht mehr miterleben. Nun ist es soweit und das von Karlheinz Pichler und Andreas Rudigier/vorarlberg museum herausgegebene, im Residenz Verlag erscheinende Buch, das auch als eine Art Vermächtnis gewertet werden darf, ist fertig.

Und was lange währt, wird endlich gut, könnte man auch hier sagen. „Herbert Meusburger. Bildhauer“ heißt der Band, der am 28. November im vorarlberg museum vorgestellt wird, ganz schlicht. Auf 304 Seiten versammelt die Monografie, die mit einem Grußwort von Alexander Van der Bellen beginnt, ebenso hochkarätige wie berührende und poetische Textbeiträge u. a. von Edelbert Köb, Guido Magnaguagno, Felix Mitterer und Agnes Beier-Mitterer, die das Schaffen aus kunsthistorischer Sicht beleuchten und dem Menschen hinter den Werken aus Stein in freundschaftlicher Nähe und tiefer Verbundenheit begegnen. Opulent bebildert mit wunderschönen Werkfotografien und ergänzt um rund 100 Projektbeschreibungen von Karlheinz Pichler wird der volle Umfang des künstlerischen Werks, das Herbert Meusburger als einer der bedeutendsten Bildhauer des Landes hinterlassen hat, in geballter Form deutlich.

Vom Holzschnitzer zum Steinbildhauer

Der schlichte Buchtitel wird den vielen künstlerischen Facetten (Bildhauer, Maler und Zeichner, Kunstvermittler, Initiator der Galerie 365 in Schnepfau) und den Talenten des Herbert Meusburger (wenigen wird bekannt sein, dass er in jungen Jahren von den Wiener Sängerknaben aufgenommen worden wäre, später mit seiner markanten Bassstimme das Zeug zum Opernsänger gehabt hätte oder auf dem Weg zur Skirennfahrer-Karriere nur durch einen Unfall jäh ausgebremst wurde) vielleicht nicht gerecht. Doch besinnt er sich auf eben jene eine Disziplin, die seine Kunst und sein Leben wohl am stärksten ausgemacht und geprägt haben – die Bildhauerei. Die Steinbildhauerei, um genau zu sein. Begonnen hat Herbert Meusburger, der zeitlebens im Bregenzerwald als seinem Tal tief verwurzelt war und einen starken Bezug zur Natur hatte, als Holzschnitzer. Erste Arbeiten in Stein folgten ab 1985, zunächst in Gestalt von Findlingen und Solitären, von der Natur geformt und geschliffen. Später, ab den 1990er Jahren, rückten das Leitthema „Trennen und Verbinden“, das sich konstruktiv und symbolisch, „sowohl zeitlos als auch zeitgemäß“ (Alexander Van der Bellen), als Werkkonstante durch sein Schaffen zieht, und vielteilige architektonische Granitformationen in den Vordergrund. Herbert Meusburger hat sich seinem Material Stein, bevorzugt Granit und Serpentin, schrittweise angenähert, sukzessive erfolgte der Übergang zu einer von Horizontalen und Vertikalen bestimmten geometrischen Formensprache. Als Schlüsselwerk für die künstlerische Entwicklung Meusburgers, der nie mit einer Galerie zusammengearbeitet und sich stattdessen aus eigenen Kräften und sehr erfolgreich sein Netzwerk aufgebaut hat, sieht Edelbert Köb das 1996 für Hermann Gmeiner geschaffene Denkmal, eine Großskulptur aus Granit aus allen fünf Erdteilen: „Das aus dem Holzbau übernommene Konstruktionsprinzip der Überblattung und die variable Bearbeitung der Oberflächen werden in weiterer Folge zu den prägenden Gestaltungselementen, ja zur Signatur des zunehmend referenzieller werdenden Œuvres von Meusburger“, so Köb. In den differenziert gestalteten Oberflächen und dem Offenlegen oder gar Betonen der Konstruktionsprinzipien, wenn beispielsweise eine Verzahnung poliert wird, offenbart sich die unverwechselbare Handschrift des Künstlers, archaisch und minimalistisch-reduziert. Gewicht und Erdverbundenheit zeichnen die Werke aus, aber auch die Verbindung mit dem jeweiligen Standort und seiner Geschichte, sei es in der Bizauer Heimat Meusburgers oder in Kathmandu. „Ob Mahnmale, Grabstein, Brunnen oder Zäune, Türme oder Würfel – sie scheinen mit ihrem Untergrund verwachsen“, schreibt Guido Magnaguagno in seinem Beitrag, der sich mit dem Gewicht und der Gewichtigkeit des Steins bei Herbert Meusburger befasst. „Nun ist das schiere Gewicht noch kein Prädikat für gute Steinkunst. Aber es ist etwas wie ein Indikator oder – Widerspruch genug – eine Art Seismograph, gefühlte Vermessung einer auratischen Ausstrahlung. Gewicht und Masse sprechen eine wortlose Sprache.“

Im kleinen Format und in großen Dimensionen

Als der Künstler zwischenzeitlich aus gesundheitlichen Gründen nicht am Stein arbeiten konnte, verlegte er sich auf die Malerei (bevorzugt auf industriell hergestellten Grobspanplatten, die bereits eine Eigenstruktur mitbringen), auf Frottagen und auf (Architektur-)Zeichnungen, die in seiner letzten Schaffensperiode immer wichtiger wurden: Spannende Exkurse, die nicht nur seine künstlerische Vielfältigkeit nachhaltig unter Beweis stellen, sondern auch inhaltlich und formal Querverbindungen zum bildhauerischen Werk aufweisen, wie Kathrin Dünser und Brigitte Matthias in ihren Textbeiträgen im Buch ausführen.
Neben diesen Abstechern ins Feine, Handliche und Kleindimensionierte konnte Meusburger aber auch zahlreiche, vielbeachtete Aufträge für Kunst im öffentlichen Raum und Kunst und Bau sowie etliche sakrale Projekte ausführen. Dazu zählen Wasserskulpturen, Brunnenlandschaften, monumentale Stelen, Gedenk- und Mahnstätten, Altarräume, bemerkenswerte Platzgestaltungen und vieles mehr. Bemerkenswert sind auch seine nicht umgesetzten Entwürfe, denen ebenfalls ein Kapitel gewidmet ist, wie etwa das für das Freigelände des Wiener Flughafens Schwechat konzipierte „Steinterminal“. Zu den großen, realisierten Würfen zählt indes der ungewöhnliche Kreuzweg aus Stelen, Quadern, Würfeln und Kreuzen auf den Hochberg in Perchtoldsdorf von 2003, der aus insgesamt 77 Einzelteilen besteht und in Summe mehr als zehn Tonnen wiegt. Im jüngst eröffneten Park des Lauteracher Gourmetrestaurants Guth gehen 11 Großskulpturen eine Symbiose mit der Natur ein. Darunter befinden sich mit dem „Rebstock“ und dem „Knoten“ auch zwei figurative Arbeiten, umgesetzt in Bronzeguss. Ein Meusburgerscher Bronzeknoten, 3,5 Meter hoch und fast 900 Kilogramm schwer, wurde im Juli 2022 am Bregenzer Leutbühel in Anwesenheit des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen enthüllt. Für Herbert Meusburger sollte es der letzte große Auftritt in der Öffentlichkeit sein; mit dem symbolträchtigen Knoten als Schicksalsknoten der Menschheit wollte der Künstler ein Zeichen setzen. Der Standort der Leihgabe war temporär, der Verbleib der Plastik ungewiss, doch vor einigen Tagen wurde in einer Stadtratssitzung beschlossen, dass die Skulptur, deren endgültiger Standort noch nicht feststeht, von der Stadt angekauft wird.

Andreas Rudigier/Karlheinz Pichler (Hg.): Herbert Meusburger. Bildhauer. Mit Textbeiträgen von R. Adrowitzer, A. Beier-Mitterer, K. Dünser, D. Eberle, E. Köb, K. Jost, G. Magnaguagno, B. Matthias, N. Meier, F. Mitterer, G. Schörghofer SJ sowie einem Grußwort von Alexander Van der Bellen. Residenz Verlag, Wien 2023, 304 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-7017-3599-0, € 68, erscheint am 27.11.23

Buchpräsentation:
Di, 28.11., 19 Uhr, vorarlberg museum, Bregenz
www.vorarlbergmuseum.at
www.herbertmeusburger.at

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