Ein Funkenregen aus Sprache, Witz und Schärfe!
Elfriede Jelineks Sonne / Luft trifft ins Mark
Dagmar Ullmann-Bautz ·
Mär 2025 · Theater
Am Freitag, den 28. März, feierte das Stück Sonne / Luft von Elfriede Jelinek in der Regie und Choreographie von Brigitte Walk Premiere im Theater am Saumarkt in Feldkirch. walktanztheater.com präsentierte einen Abend, den man nicht verpassen sollte – ein packendes Theatererlebnis über den Klimawandel, das mit Jelineks unverwechselbarer Sprachkunst unter die Haut geht.
Das Stück beginnt bereits draußen vor dem Theater. Auf dem Parkplatz dröhnt ohrenbetäubender Sound aus einem Auto. Darin sitzen drei glitzernde Gestalten – aufreizend, schrill, nach Aufmerksamkeit heischend. Drei Sonnen, divenhafte Gottheiten, gewähren uns die Ehre. Sie sind es, die das Leben auf der Erde ermöglichen – und sie sind es, die es vernichten können. Mit bissiger Ironie und spöttischer Überlegenheit kommentieren sie das menschliche Treiben: Die Sonnen sind allmächtig, aber sie haben längst das Interesse an den Menschen verloren. „Ich wärme dich. Ich verbrenne dich. Mir ist das gleich“, sagt die Sonne – eine Laune der Natur, über der sich kein Gott erhebt.
Jelineks Text: Scharfsinnig, ironisch, unbarmherzig
Elfriede Jelinek hat 2024 einen Text über den Klimawandel verfasst, ohne das Wort auch nur ein einziges Mal zu nennen. Ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit Weitsicht, Scharfsinn und einer Fülle an pointierten Bezügen. Und mit ihrem unverkennbaren Humor. Wie so oft bei Jelinek ist es eine ausgedehnte Textfläche, gegliedert in drei Teile: Sonne, Luft und Asche. Brigitte Walk entschied sich für Sonne und Luft, klug gekürzt von Maria Fliri.
Die Sonne spricht – und urteilt
Ein großer Teil des Abends gehört den drei Sonnen. Sie erzählen, singen, tanzen, toben – und blicken dabei voller Unverständnis auf die Menschheit herab, die sich selbst zerstört. Jelinek verleiht der Sonne eine Stimme, die mit gnadenloser Härte und heiterer Gelassenheit das Verhalten der Menschen kommentiert. Sie sieht, wie sie angebetet wurde, wie sie verehrt wird – doch sie ist nicht gütig, sie ist nicht böse. Sie ist schlicht da, während sich die Menschen selbst zugrunde richten. „Ihr liebt mich. Ihr betet mich an. Ihr flucht über mich. Mir ist das egal.“
Atemlose Menschen in einer Welt ohne Luft
Im zweiten, deutlich kürzeren Teil ringen drei Menschen nach Luft. Der Tonfall ändert sich – die Sätze werden hektischer, zerhackter, als könnten sich die Figuren nicht mehr orientieren. Es ist ein verzweifeltes, groteskes Japsen nach Sinn, nach Verständnis, nach Kontrolle über das, was nicht mehr aufzuhalten ist. Es ist ein Bild des Kollapses, in dem sich Umweltzerstörung, menschliche Ohnmacht und die Absurdität der Verdrängung bündeln.
Eine Inszenierung, die fesselt mit herausragenden Darsteller:innen
Brigitte Walk hat den Text so aufbereitet, dass es ein Vergnügen ist, ihm zu folgen. Neben der großen Show trifft das Thema mitten ins Herz. Es ist kein Betroffenheitstheater, sondern Theater, das sich wie ein Stachel ins Fleisch bohrt – mit Widerhaken. Und man merkt es erst allmählich. Die intime Nähe zwischen Bühne und Publikum im Theater am Saumarkt verstärkt diesen Effekt zusätzlich.
Dazu tragen auch die drei herausragenden Schauspieler:innen bei, die vollkommen mit dem Text, der Szenerie und miteinander verschmelzen. Brigitte Novotny, die kurzfristig für die erkrankte Liese Lyon einsprang, beeindruckt mit strahlender Energie, feinem Gespür für das Publikum und großer Improvisationsgabe. Marlene Haagen fesselt mit ihrer intensiven Bühnenpräsenz, ihrer präzisen Sprache und ausdrucksstarken Bewegung. Peter Bocek komplettiert das Trio und begeistert als extravagante Sonnendiva mit anmutiger Leichtigkeit.
Ton- und bildgewaltige Umsetzung
Die mitreißende Musik von Martin Greil verleiht dem Abend einen treibenden Rhythmus, den Brigitte Walk in stimmigen und humorvollen Choreographien umsetzt. Die fantasievollen Kostüme von Sandra Münchow und die überraschenden Videos von Sarah Mistura vollenden diesen perfekt inszenierten Theaterabend.
Ein Publikum zwischen Respekt und Begeisterung
Dass das Premierenpublikum nur verhalten lachte, mag am Respekt vor der Nobelpreisträgerin Jelinek liegen – oder daran, dass man immer wieder an ihren brillanten Sätzen hängen blieb. Doch die Begeisterung war spürbar: Der Abend endete mit jubelndem Applaus.
Unser Tipp: Lassen Sie sich diese Gelegenheit nicht entgehen! Jelineks Werk entfaltet hier eine Intensität und Klarheit, die selten so greifbar wird – ein sprachgewaltiger Abend, der gleichermaßen fordert und unterhält. Besonders für Schüler:innen eine großartige Gelegenheit, Jelineks Sprache in ihrer ganzen Wucht zu erleben – aber ebenso für alle, die gutes Theater schätzen.
Weitere Aufführungstermine:
Sa, 29.3., 19.30 Uhr
So, 30.3., 17.00 Uhr
Do, 3.4./ Fr, 4.4./Sa, 5.4., 19.30 Uhr
So, 6.4., 17.00 Uhr
Theater am Saumarkt, Feldkirch
www.walktanztheater.com