Ein Erinnerungsort voller Geschichten
Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater
Annette Raschner · Mär 2024 · Theater

Für den Historiker Harald Walser war sie der Engel in der Hölle von Auschwitz, sie selbst sagte bescheiden: „Was ich tat, war Menschenpflicht.“ 1957 ist die frühere Krankenschwester Maria Stromberger vereinsamt und von ihrer Umwelt vergessen in Bregenz gestorben. Nun erinnert das Vorarlberger Landestheater an sie. Am Wochenende fand im Großen Haus die Uraufführung von „Stromberger oder Bilder von allem“ statt. Die österreichische Autorin Gerhild Steinbuch war vom Landestheater mit einem Stückauftrag bedacht worden.

„Wir halten uns fest an Geschichten von Widerstand“

Vier junge Frauen, alle Kinder der Neunzigerjahre, wollen dem Rechtsruck die Stirn bieten und Widerstand leisten. Doch sie, die sich vor vielen Jahren bei einer Demo gegen Rechts auf dem Wiener Ballhausplatz kennengelernt haben, fühlen sich mittlerweile müde, ängstlich und ohnmächtig und suchen deshalb motivierende Geschichten von zivilem Widerstand. Fündig werden die vier bei einer Frau, die sich 1942, nachdem sie im Wehrmachtslazarett von Lienz von verwundeten Soldaten von den Verbrechen der Nazis hört, freiwillig zum Dienst im SS-Krankenrevier des KZ Auschwitz meldet: Die Krankenschwester Maria Stromberger. Das ist die Ausgangssituation im Stück von Gerhild Steinbuch, die über Harald Walsers Buch „Ein Engel in der Hölle von Auschwitz“ den Versuch unternommen hat, das Nicht-Erzählbare in Worte zu fassen. 

„Wir sind Nachseherinnen, kontrollieren das Geschichtsgewebe auf Ungereimtheiten“

Gerhild Steinbuch, Mitbegründerin des Onlineblogs nazisundgoldmund.net, fokussiert sich in ihrem Stück nicht allein auf Maria Stromberger, sondern thematisiert zentrale Fragen von Widerstand, Erinnerung und Vergangenheitsbewältigung. „Man starrt rein in ein Land, in dem das Kollektive kollektive Amnesie ist“, heißt es an einer Stelle. Mit Geschichten über glühende Nationalsozialisten wie etwa den Dornbirner Textilunternehmer Hermann Rhomberg, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs nahezu nahtlos eine politische Karriere anstreben und realisieren konnte, zeigt Steinbuch die Kontinuität faschistischen Gedankenguts bis zum heutigen Tag auf. Ihre dichten, assoziativen Sprachbilder sparen Lücken, Widersprüche und Ambivalenzen nicht aus; Leerstellen, vor allem auch im Zusammenhang mit Maria Stromberger, werden deutlich gemacht. 

„Wir graben uns durch Geschichten und Geschichte“

Maria Stromberger wurde vom Nachkriegsösterreich schlicht vergessen. Regisseurin Bérénice Hebenstreit betont die hohe Dringlichkeit, an sie zu erinnern, gerade heute, rund 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, wo das Ende der Zeitzeug:innenschaft gekommen ist. Ausstatterin Mira König hat einen wunderbar sinnlichen, vielseitig bespielbaren Erinnerungsraum geschaffen, der mit Fäden bespannt worden ist. In diesem aufteilbaren Speicherort sind Geschichten, Bilder und Töne gespeichert, in ihn tauchen die vier Schauspielerinnen Isabella Campestrini, Vivienne Causemann, Luca Hass und Rahel Jankowski auf der Suche nach politischen Vorbildern immer wieder ein. Ihr Umgang mit der komplexen, teils etwas sperrigen Sprache von Gerhild Steinbuch ist souverän, unterstützt wird ihr Spiel von Musiker Sandro Nicolussi, der seine atmosphärischen Sounds auch mittels diverser Nähmaschinen erzeugt. Ob die Produktion auch wirklich, wie es die Regie intendiert hat, zum Widerstand ermutigt, bleibt zu hoffen. 

Vorarlberger Landestheater: „Stromberger oder Bilder von allem“ von Gerhild Steinbuch
weitere Vorstellungen am 5./21./23.3. sowie 5./7.4., jeweils 19.30 Uhr
Theater am Kornmarkt, Bregenz

https://landestheater.org/spielplan/detail/maria-stromberger-oder-bilder-von-allem/

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