Die Montforter Zwischentöne verwöhnten mit Tafelmusik
Genussvolle Musikerlebnisse in guter Atmosphäre
Silvia Thurner · Nov 2024 · Musik

Zu einem Doppelkonzert luden die Montforter Zwischentöne ins Feldkircher Hallenbad. Unter dem Motto „Tafelmusik“ musizierten das Concerto Stella Matutina, Mitra Behpoori auf einer traditionellen Tar, der Blockflötist Jeremias Schwarzer und der Perkussionist Johannes Fischer. Folkert Uhde und Ilka Seifert hatten das Hallenbad als großes Wohnzimmer mit Riesenleinwand eingerichtet. Sinnlich und spielerisch wurde die arabische Musiktradition mit der europäischen verbunden und Kompositionen der Barockzeit zur Gegenwart in Beziehung gestellt. Im ersten Teil standen Mitra Behpoori und die persische Musik sowie ihr virtuoses Spiel der Tar im Mittelpunkt. Ein Trompeten-Consort und geistreiche perkussive Interventionen von Johannes Fischer belebten das zweite Set des langen Konzertabends.

Viele unterschiedliche Kompositionen wurden im Rahmen der „Tafelmusik I und II“ geboten und in angenehmer Atmosphäre mit vielerlei Sinneseindrücken bereichert. Alle Musiker:innen beeindruckten mit ihren virtuosen Spielarten. Doch nicht die Einzelwerke für sich allein, sondern die Kombination unterschiedlichster Stile und die Übergänge lenkten die Hörerlebnisse und machten den Reiz des Doppelkonzertes aus. Die projizierten Landschaftsbilder, die hervorragend mit den Charakteristika der dargebotenen Kompositionen korrespondierten, verstärkten die Darbietungen. Auch die agierenden Musiker:innen wurden mit ihren Instrumenten in bewegten Bildern an die Wand projiziert und damit besonders zur Geltung gebracht. 
Die aus dem Iran stammende Musikerin, Komponistin und Musikwissenschaftlerin Mitra Behpoori stand im Mittelpunkt des ersten Konzertes. Sie spielte die Tar, eine persische Langhalslaute, virtuos. Von ihr erklangen auch einige Kompositionen, die sie nicht nur für ihr Instrument, sondern auch für Orchester komponiert hat. 
Zur Uraufführung gelangte ihr Sextett „Kootsch“, das mit einer sinnlichen Liedmelodie eingeleitet und sodann über die Laute, den Kontrabass, das Cello, Perkussion und Violine in einen Tanz geführt und mitreißend gesteigert wurde. Gut nachvollziehbar wechselten die Klangfarben der arabischen Maqams, die durch die Instrumente gereicht wurden. 
Der gesamte Konzertabend lebte von den Überleitungen, die Bögen und Verbindungslinien zwischen musikalischen Traditionen und Zeiten spannten. Am meisten beeindruckten dabei die direkten Übergänge zwischen arabischen Modi und der mitteleuropäischen Dur-Moll-Tonalität. So mündete die Musik von Mitra Behpoori in Arcangelo Corellis „Concerto grosso“, op. 6 Nr. 4, das die Musiker:innen des Concerto Stella Matutina mit viel Schwung entfalteten. 
Einen weiteren Höhepunkt bot das Werk „Aban“, ebenfalls von Mitra Behpoori. Sie spielte die Tar, Stefan Greussing begleitete sie rhythmisch auf der Darabuka und dazu „sang“ Herbert Walser auf der Trompete. Gemeinsam wurde der musikalische Fluss gesteigert und in mitreißende Wechselspiele geführt. Ebenso blieben das Stück „Kereshmeh in Mahur“ von Mitra Behpoori und das nachfolgende Werk „Bayati Taksim“ in Erinnerung. Jeremias Schwarzer musizierte die transkribierte Stimme einer persischen Ney auf einer Bassflöte und zelebrierte die Melodie mit wunderbar variantenreichen mikrotonalen Tongebungen. Getragen wurde er von einem Bordunklang der Streicher:innen, die sich frei durch das Publikum bewegten und somit den Klang „unter die Leute“ brachten.
Jeremias Schwarzer ließ auch mit seiner Garkleinflöte aufhorchen. Vor allem das Werk „The Bird Fancyer’s Delight“ und anschließend das Concerto op. 10 Nr. 3 (RV 428) von Antonio Vivaldi mit dem wirkungsvollen Abschnitt „Il Cardellino“ erklang virtuos musiziert. Dabei agierten der Solist und die Orchestermusiker:innen über große Distanzen hinweg, sich im Raum bewegend. Teilweise ging diese Musizierhaltung jedoch auf Kosten einer genauen Koordination und Intontation.

Ambiente, Musik, Bilder und Snacks

Der deutsche Perkussionist und Komponist Johannes Fischer stand im Mittelpunkt des zweiten Konzertteils. Er zog mit seinen beiden „Table Talks für elektrifizierten Tisch“ die Zuhörenden in seinen Bann. Wunderbar einfallsreich verlieh er allerlei Küchengeräten, Messern, Flaschen, Bechern, Schalen und Schüsseln ein perkussives Eigenleben. Dabei ließ er den vielen Tonhöhenveränderungen und Tonqualitäten stets den notwenigen Freiraum, damit sie sich entfalten konnten und kreierte faszinierende musikalische Gebilde.
Ein Trompetenquartett mit Bernhard Bär, Ulrich Mayr, Bernhard Lampert und Herbert Walser sowie Stefan Greussing an den Pauken leitete das zweite Set im Hallenbad ein. Groß wirkten die Nah- und Fernchöre in Fantinis Sonata und mächtig das Girolamo Fantini Quartett mit Pauke von Philidor. Dieses mündete direkt in einen geistreichen und amüsanten perkussiven Diskurs zwischen Stefan Greussing und Johannes Fischer. Er führte spannend in seine Komposition „Air“ über, in die Johannes Fischer bisher nicht gehörte Sounds mit gedämpftem Triangel fabrizierte und dazu die sich freisetzenden Obertöne sang. Humorvoll leitete er das Publikum wieder in das Wohnzimmer im oberen Stock des Feldkircher Hallenbades, wo das Concerto Stella Matutina die Besucher:innen mit Vivaldis Concerto a 4 (RV 156) in Empfang nahm. 
Mit der virtuos musizierten Telemann Ouverture-Suite (TWV 55:a2) für Blockflöte, Streicher und Basso Continuo wurden die Sinne belebt. Die Orchestermusiker:innen steigerten sich auch in die Suite in D-Dur (TWV 55:D18) von G.P. Telemann hinein, die in „Les Postillons“ ihren Höhepunkt fand. Ein markanter Schnitt katapultierte die Zuhörenden unvermittelt mit dem Ganassi-Blockflötensolo „The Long forgetting“ von Liza Lim in eine komplett andere musikalische Welt. Jeremias Schwarzer spielte die Spaltklänge und andere Spieltechniken souverän und die Bilder von Sanddünen und einem Herbstwald verstärkten die Wirkung sinnlich.
Etwas unsicher wirkte die Zusammenführung des „electrified tables“ von Johannes Fischer mit Telemann und den Streicher:innen des Concerto Stella Matutina. Doch es stellte sich eine mystische Stimmung ein und die Überblendungen breiteten anregende Klangflächen aus, aus denen sich barocke Themen herauskristallisierten. Willkommen waren auch die Werkwiederholungen, die die Musiker:innen vom ersten ins zweite Konzert überführten.
Schön arrangierte Tabletts mit Süßigkeiten sowie Salzgebäck wurden zum Musikgenuss gereicht.

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