Die Geschichte eines echten Abenteurers
Der atlantische Traum: Franz Plunder – Bootsbauer, Bildhauer, Abenteurer
Raffaela Rudigier-Gerer · Apr 2025 · Gesellschaft

„Folge deinen Träumen“ klingt abgedroschen in einer Welt, in der kaum jemand das wirklich kann. Gerade deshalb faszinieren Biografien von Menschen, die es dennoch tun. Einer von ihnen war Franz Xaver Plunder, Bootsbauer, Bildhauer und Abenteurer. Sein kühnstes Projekt: 1923 überquerte er den Atlantik in einem selbstgebauten Segelboot. Ihm widmet das vorarlberg museum ab Ende April eine Sonderausstellung.

Mit der „Sowitasgoht V“ über den Atlantik

Franz Plunder, 1891 in Bregenz geboren, erregte in den 1920er Jahren internationales Aufsehen: Er überquerte mit der „Sowitasgoht V“ den Atlantik. Nach dem Ersten Weltkrieg, in Zeiten hoher Inflation und schwieriger Lebensumstände, baute er in seiner Werft in Hard ein Schiff und segelte nach Amerika. Die Finanzierung sicherte er durch Sponsoring und Crowdfunding, wie man das heutzutage nennen würde. Seine Segelkenntnisse erwarb der Autodidakt aus Büchern, Kursen und am Bodensee. Mit ihm segelten Josef Einsle, Fred Jochum und Josef Ledergerber, alle ohne Hochsee-Erfahrung auf Segelbooten. Ohne moderne Navigationsgeräte und mit selbst berechnetem Proviant stachen sie in See. Das Unterfangen galt als Himmelfahrtskommando. Kurator Markus Barnay berichtet: „Über 10.000 Menschen kamen nach Hard, um den Stapellauf des Schiffes mitzuerleben. Es war eine Sensation – eine symbolische Tat, die Österreich wieder ins internationale Rampenlicht rückte. Die deutsche Fachzeitschrift Die Yacht glorifizierte die Reise gar als ‚deutsche Pioniertat‘“. Nach 61 Tagen und vielen Schwierigkeiten gelang die Überfahrt, doch Plunder blieb nicht lange in den USA.

Wer war Franz Plunder?

Franz Xaver Plunders Vater, ebenfalls Franz, kam aus Böhmen nach Bregenz und arbeitete als Aushilfsmatrose bei der kaiserlich-königlichen Bodenseeschifffahrt. Seine Mutter war Haushälterin und stammte aus Tirol. Franz Xaver hatte eine ältere Schwester, Berta, die 1906 an Bauchfellentzündung starb. Plunder verließ das Gymnasium wegen einer „Dummheit“ und begann eine Lehre als textiler Musterzeichner. Schon in der Lehrzeit baute er Boote, die er nach seiner Schwester „Berta“ nannte. 1910 bestand er die Aufnahmeprüfung an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sein Mitbewohner Rudolf Wacker fiel durch – eine ironische Wendung, da Wacker später zu einem der bekanntesten Künstler Vorarlbergs wurde. Zwischen 1906 und 1915 verlor er seine Familie: 1906 starb Berta, 1912 sein Vater, 1915 seine Mutter.

Geschickt durch den Ersten Weltkrieg

Plunders Leben war geprägt von Reisen zwischen Europa und Amerika. Nach seiner Hochzeit mit Hedwig Stern, einer jungen Frau aus einer wohlhabenden jüdischen Familie, reiste das Paar 1913 in die USA. Während Hedwig schwanger nach Bregenz zurückkehrte, blieb Franz zunächst in Amerika. Ihr Sohn Franz Xaver junior wurde 1914 geboren. Während des Ersten Weltkriegs gelang es Plunder mehrfach, sich geschickt durchzulavieren: Zuerst wurde er vom Wehrdienst befreit, weil er nach dem Tod seines Vaters als „Familienerhalter“ eingestuft wurde. Stattdessen reiste er jedoch in die USA. Als er von dort im Sommer 1914 zurückkehrte, trat er seinen Wehrdienst an, wurde aber – von einem kunstbegeisterten Oberstleutnant – erneut freigestellt, um sein Studium fortzusetzen. Schließlich landete er bei der Bodenseeflottille – einer Einheit mit fragwürdigem Nutzen, die die Grenze zur Schweiz überwachte. „Es ist wohl kein Zufall, dass es Plunder gelungen ist, 1917, also mitten im Ersten Weltkrieg, ein eigenes Schiff, und zwar ein großes Segelboot, zu bauen, dieses auf dem Bodensee zu segeln und in einer einschlägigen Zeitschrift als sogenannten Kriegsselbstbau zu präsentieren. Das heißt, er hatte Zeit, ein Boot zu bauen und er hatte Zeit zum Segeln, was im Ersten Weltkrieg auch einer Ausnahmegenehmigung bedurfte. Also offensichtlich hatte er immer wieder das große Los gezogen. Wahrscheinlich war er ein Charmeur und hat es geschafft, Menschen um den Finger zu wickeln. Es ist ihm jedenfalls gelungen, wirklich sehr elegant über die Runden zu kommen, während sein Jugendfreund Rudolf Wacker in Russland in Kriegsgefangenschaft gesessen ist“, analysiert Kurator Markus Barnay. Nach Kriegsende gründete Plunder in Hard die Bodenseewerft, die Segeljachten für reiche Schweizer Kunden baute, die von der (durch die Inflation abgewerteten) schwachen österreichischen Krone profitierten. Das Geschäft florierte schnell und wurde zur Bodensee-Wert-Aktiengesellschaft vergrößert. Als Investor konnte Ferdinand Porsche gewonnen werden. Doch die Stabilisierung der Krone 1922 ließ die Aufträge einbrechen, und Plunder stieg aus. Es folgte die Atlantiküberquerung.

Amerika – hin und retour

Die Rückkehr aus Amerika brachte unerwartete Schicksalsschläge: Seine Frau Hedwig erkrankte schwer an Multipler Sklerose und starb 1928 nach langer Leidenszeit. Seinen Sohn Franz Xaver Junior schickte er inzwischen auf ein Schweizer Internat. Währenddessen lebte Plunder zeitweise mit Olga Law zusammen, einer gebildeten Amerikanerin, die er auf einer Schiffsreise nach Amerika kennengelernt hatte. Sie heirateten kurz nach Hedwigs Tod und dann holte er seinen Sohn nach Amerika. „Franz Xaver junior hat nach den Aussagen seines Vaters, in den USA erst ein paar Wochen lang überhaupt nichts mehr gesprochen, dann konnte er aber plötzlich gut Englisch. Also hat er offenbar einfach eine Zeit lang geschwiegen und nur zugehört und hat sich dann durchaus im Schulbetrieb dort eingefunden und hat auch Freunde gefunden.“
Olga wurde zu seiner zweiten großen Lebenspartnerin – gemeinsam zogen sie seinen Sohn groß und bauten eine neue Existenz in den USA auf. 1930 wurde Plunder amerikanischer Staatsbürger, er arbeitete wieder als Künstler, verdiente vorerst gut, doch der Börsenkrach zwang das Paar zur Rückkehr nach Bregenz.

Zwischen Opportunismus und Neuanfang

Plunder arbeitete als Bildhauer und schuf unter anderem Büsten von Austrofaschisten wie Engelbert Dollfuß und Otto Ender sowie Kriegerdenkmäler. Kurator Barnay beschreibt ihn als „eher unpolitischen Opportunisten“, der Aufträge annahm, unabhängig von deren politischem Hintergrund. Mit der Machtergreifung der Nazis kehrte Plunder mit seiner Frau erneut in die USA zurück. Am St. John´s College in Annapolis fand er Arbeit als „Residenz Artist“, wo er Möbel entwarf und Schiffsbau unterrichtete und sie als Direktorin der Erwachsenenbildung arbeitete.
Nach Kriegsende kehrte Franz Plunder 1945 in US-Uniform nach Bregenz zurück. Er verkörperte dabei eine bemerkenswerte Dualität: einerseits war er Vorarlberger Auswanderer, andererseits ein Repräsentant der Befreier vom Nationalsozialismus. Trotz der Uniform war Plunder kein reguläres Armeemitglied, sondern Zivilangestellter der U.S. Army. In dieser Funktion arbeitete er für die „Strategic Bombing Survey", die die Auswirkungen der Bombenangriffe in Deutschland und Österreich untersuchte. Auch Plunders Frau Olga engagierte sich nach 1945 für die amerikanische Sache. Sie half beim Aufbau von Amerikahäusern in Linz und Salzburg - kulturelle Einrichtungen, die den Österreichern die amerikanische Lebensweise näherbringen sollten. Ab 1957 lebte das Paar dauerhaft in Bregenz. Plunder baute weiterhin Boote; sein letztes Werk war die „Sowitasgoht X“, ein Kielkreuzer, den er selbst segelte und später an seinen Freund Leopold Fetz verkaufte. Franz Plunder starb 1974, Olga acht Jahre später.

Die Ausstellung im vorarlberg museum

Die Ausstellung beleuchtet Plunders Leben als Abenteurer, Bootsbauer und Künstler – insbesondere seine spektakuläre Atlantiküberquerung. Besucher:innen erwartet eine multimediale Schau mit Hörspielen, historischen Bildern und einer Inszenierung der Reise, erklärt Ausstellungs-Kurator Markus Barnay: „Unter anderem hatten wir das Glück, dass ein Kameramann aus Bregenz mit einem schönen alten Segelschiff über den Atlantik gesegelt ist und uns unterwegs extra Bilder gemacht hat. Wir haben also authentische Bilder von der originalen Segel-Route, die mit den historischen Bildern und der akustischen Erzählung ein Ganzes bilden. Dabei wird auch Wind wehen und Schauspieler Hubert Dragaschnig ist als Franz Plunder zu hören. Die Dramaturgie dazu stammt passenderweise vom Vorarlberger Autor und Filmschaffenden Felix Kalaivanan.“ Ein Highlight ist das Modell der „Sowitasgoht V“ sowie Plunders originaler Schiffskoffer aus den 1950er Jahren. Die Bildhauerei tritt dabei bewusst in den Hintergrund; laut Barnay hatten seine Skulpturen zwar handwerkliche Qualität, aber wenig künstlerischen Wert. Die Ausstellung deckt auch dunkle Flecken in Plunders Biografie auf – etwa seine pragmatische Haltung gegenüber politischen Auftraggebern oder Ungenauigkeiten in seinen Autobiografien, insbesondere was seine erste Frau Hedwig betrifft.

Die Entstehung der Ausstellung

Markus Barnay vereint die Rollen von Wissenschaftler und Kurator, was selten ist. Zudem verbindet ihn eine persönliche Geschichte mit dem Nachlass des Abenteurers. Markus Barnay ist der Enkel von Paula Risch, deren Mutter 1885 mit ihrem Mann Wilhelm Lau in Bregenz ein Fotostudio gründete. Dieses entwickelte sich zum Atelier Risch-Lau und schließlich zu einem der bekanntesten Ansichtskartenverlage Westösterreichs. Paula Risch war eine enge Freundin von Franz Plunder. Daher bietet die Ausstellung außergewöhnliches Archivmaterial, darunter Amateurfilme aus den Jahren 1937 und 1938. „Persönliche Erinnerungen an Franz Plunder habe ich nur aus meiner Kindheit. Einmal segelte ich auf seiner ‚Sowitasgoht‘ mit. Er war ein guter Freund meiner Großmutter. Ich erinnere mich an einen beeindruckenden Menschen. Ich wusste, dass seine Frau einen amerikanischen Akzent hatte und dachte, er sei Amerikaner. Er war für mich der Onkel aus Amerika. Durch meine Recherchen habe ich ein differenzierteres Bild von ihm gewonnen. Ich entdeckte bewundernswerte und fragwürdige Seiten. Jeder große Held hat wohl seine Schattenseiten. Bei genauerem Hinsehen erkennt man mehr als nur große Leistungen. So erging es mir auch mit ihm. Ich erhielt interessante Einblicke in die Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er erreichte Bewundernswertes, zeigte aber auch Rücksichtslosigkeit. “
Die Ausstellung wird von einem Katalog begleitet, der eine objektivere Biografie bietet als Plunders eigene Autobiografien. Plunder und sein Umfeld werden detailliert beleuchtet, einschließlich seiner Schattenseiten und fragwürdigen Taten. Ein Segel-Spezialist analysiert in einem Kapitel Plunders Atlantiküberquerung. Das Buch lebt von reichhaltigem Bildmaterial, sagt Markus Barnay: „Es ist kein klassischer Ausstellungskatalog. Deshalb nennen wir es Begleitpublikation, da es im Kern eine gut bebilderte, spannende Biografie eines faszinierenden Menschen ist. “

Ein Vermächtnis voller Inspiration

Franz Plunders Leben ist ein Zeugnis dafür, dass Träume auch unter schwierigsten Bedingungen verwirklicht werden können. Er war nicht nur ein Abenteurer auf hoher See, sondern auch ein Grenzgänger zwischen Kulturen und Epochen. Die Ausstellung im vorarlberg museum bietet die seltene Gelegenheit, einen Mann kennenzulernen, dessen Geschichte uns daran erinnert: Es lohnt sich immer, für das Unmögliche zu kämpfen – sei es auf dem Atlantik oder im eigenen Leben.

„Der atlantische Traum. Franz Plunder – Bootsbauer, Bildhauer, Abenteurer“
Eröffnung: Fr, 4.4., 17 Uhr
5.4. – 10.26, vorarlberg museum, Bregenz
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
www.vorarlbergmuseum.at

Veranstaltungstipp: Mi, 13.5., 15 - 16.30 Uhr: Erzählcafé: Erinnerungen an Franz Plunder

Teilen: Instagram · Facebook · E-Mail