Die Chorakademie Vorarlberg zeichnete enthusiastische Naturbilder
Frenetischer Jubel für die Werkdeutung von Joseph Haydns „Die Jahreszeiten“
Silvia Thurner · Mai 2023 · Musik

Zu ihrem 15. Bestandsjubiläum wandte sich die Chorakademie Vorarlberg unter der Leitung von Markus Landerer gemeinsam mit der Sinfonietta Vorarlberg sowie Cornelia Horak, Daniel Johannsen und Martin Summer dem Oratorium „Die Jahreszeiten“ von Joseph Haydn zu. Bis auf den letzten Platz war die Kapelle der Stella Privathochschule bei der Sonntagsmatinee gefüllt, denn dieses für die Kulturszene des Landes bedeutende Konzertereignis wollten viele miterleben. Die Zuhörenden wurden nicht enttäuscht, vom ersten bis zum letzten Ton sangen und musizierten alle mit einem enormen Gestaltungswillen, großer Ausdruckskraft und einem gemeinsamen Atem.

Joseph Haydn komponierte „Die Jahreszeiten“ im Geist seines sehr erfolgreichen Oratoriums „Die Schöpfung“ nach einem Text des Librettisten Gottfried van Swieten. In vier in sich abgerundeten Kantaten werden die Jahreszeiten in Szenen des Landlebens sowie Sinnbilder als Allegorien des Lebens mit illustrativen Naturnachahmungen dargestellt.

Aufmerksames Interagieren

Die Sänger:innen und Sänger der Chorakademie Vorarlberg wirkten stilsicher und hoch konzentriert, sodass sich sogleich ein imposanter Gesamtklang einstellte, der die Kapelle der Stella Vorarlberg erfüllte. Die sich gegenüberstehenden Sopran- und Altstimmen und die frontal zum Publikum singenden Tenöre und Bassstimmen mischten sich im Tutti hervorragend und ließen zugleich genügend Raum für die spezifische Klangentfaltung der einzelnen Stimmregister. Sehr präsent agierten die Musiker:innen der Sinfonietta Vorarlberg. Die zahlreichen Soli der Holzbläser:innen wurden allesamt bewundernswert in den Raum gestellt. Das exakt aufeinander abgestimmte Zusammenwirken und die unmittelbar wahrnehmbare Begeisterung für das mitteilsame Geschehen verliehen der Werkdeutung ein körperhaftes Profil. In ihrem Timbre passten auch die Solostimmen von Cornelia Horak (Sopran), Daniel Johannsen (Tenor) und Martin Summer (Bass) gut zueinander.

Naturnachahmung und Lautmalereien

Sofort mit der Einleitungspassage führte Markus Landerer die Zuhörenden mitten hinein in den Frühling. Das quirlige Wachsen, Sprießen und Gedeihen stellten die Musiker:innen der Sinfonietta Vorarlberg überaus plastisch dar. Die unteren Register bildeten einen schönen Klanggrund, während die hohen Streicher die Themen fein ziselierten.
Im gut ausgeloteten Orchesterklang waren die solistischen Vokalparts stets gut eingebettet. Fein führte Cornelia Horak (Hanne) ihre Stimme dynamisch höchst wirkungsvoll bis in höchste Lagen. Die warme Stimme von Daniel Johannsen (Lukas) und seine herausragende Intonation sowie das ebenmäßige Timbre verströmten eine in sich getragene Ruhe. Martin Summer (Simon) gestaltete seine Parts gut aus und ließ mit Melismen aufhorchen.
Haydns Werk „Die Jahreszeiten“ lebt von den naturalistischen, musikalisch illustrierenden Darstellungen des Textes. Das macht die Musik leicht fassbar und impliziert Bilder in die Köpfe der Zuhörenden. Verstärkt wurden die plastischen Klangerlebnisse durch die genaue Diktion der Sänger:innen, in denen die Vokalklänge hervorragend zur Geltung kamen und markant ausgestaltete Konsonanzen teilweise sogar rhythmisch strukturierend wirkten.
Freilich ist der Text von Gottfried van Swieten in einigen Passagen wie aus der Zeit gefallen und die schöngeistig besungene Natur- und Landidylle wirkt naiv. Dies betrifft vor allem den dritten Abschnitt, in dem unter anderem eine Jagdszene die Geduld herausforderte. Amüsant übersteigerte die Chorakademie die Trinkszene zu einem imponierenden Spektakel.

Großer Spannungsbogen und zahlreiche Höhepunkte

Die Werkdeutung beinhaltete zahlreiche Höhepunkte. Alle vier Jahreszeiten schlossen mit mächtigen, polyphon ausgestalteten Sätzen ab, in denen die Ausführenden in einen bewundernswerten Flow kamen. Kraftvoll erklang die Schlussszene des Winters mit der metaphysischen Perspektive des Lebens nach dem Tod. Besonders in Erinnerung blieb weiters der Bittgesang mit Chor und Soli, in dem der Bewegungsfluss ständig intensiviert wurde. In der Cavatina von Lukas (Daniel Johannsen) erreichte der gut austarierte Streichorchesterklang eine große Dichte und in der „Ruhe vor dem Sturm“ entwickelte sich eine knisternde Spannung, die sich schließlich dramatisch im Tutti entlud. Zum Schluss hin kam die Tonsymbolik mit zahlreichen chromatischen Bewegungen zum Tragen.
Mit seinem aussagekräftigen Dirigat brachte Markus Landerer sowohl einzelne Phrasen als auch weitgespannte Bögen gestisch anschaulich zum Ausdruck und führte alle Mitwirkenden energiegeladen durch das Werk. Zweieinhalb Stunden währte in der Kapelle auch in den Reihen des Publikums eine konzentrierte Aufmerksamkeit, die eine dichte Konzertatmosphäre entstehen ließ. Für die spannungsgeladene und vielschichtige Werkdeutung dankten die Zuhörenden mit stehenden Ovationen.

https://www.chorakademievorarlberg.at/

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