Der Wahrheitsgeiger Annette Raschner · Sep 2024 · Theater
Das Vorarlberger Landestheater hat die neue Spielzeit mit einer Uraufführung begonnen. Vor ausverkauftem Haus feierte das Stück „Aus seinem Leben“, das der österreichische Dramatiker Felix Mitterer im Auftrag des Franz Michael Felder Vereins geschrieben hat, Premiere. In der Hauptrolle des Bregenzerwälder Dichters, Bauern und Sozialreformers brillierte Luzian Hirzel.
1985 hat Literaturnobelpreisträger Peter Handke für die Neuausgabe von Felders bewegender Autobiografie „Aus meinem Leben“ ein Vorwort geschrieben, in dem er seiner Begeisterung und Hochachtung für den autodidaktischen Dichter, der 1839 als stark sehbeeinträchtigter Sohn einer Kleinbauernfamilie in Schoppernau zur Welt kam, Ausdruck verlieh. An der Autobiografie, die Felder kurz vor seinem frühen Tod 1869 verfasste, orientierte sich Felix Mitterer weitgehend. Der erste Teil des Stücks führt in einer Art „Blitzlichtgewitter“ durch Franz Michael Felders Leben bis zu seiner Heirat mit der von ihm so geliebten Anna Katharina Moosbrugger (Nanni). Für den zweiten Teil, den Regisseur Stefan Otteni und Dramaturgin Juliane Schotte maßgeblich gestalteten, flossen Textpassagen aus Felders Briefen und politischen Schriften ein.
Ich will der Wahrheitsgeiger sein, wenn man mir auch die Geige am Kopfe zerschlägt
Bereits vor dreieinhalb Jahren hat das Vorarlberger Landestheater ein Stück über Franz Michael Felder realisiert. Doch während in „Sprich nur ein Wort“ von Max Lang Felders wichtigste Unterstützer und Kontrahenten zu Wort kamen, tritt hier Felder höchstpersönlich auf: Im Gefecht mit Pfarrer Rüscher und Käsebaron Gallus Moosbrugger, im Diskurs mit seinem Schwager Kaspar Moosbrugger, Freund Seppel und Ehefrau Nanni und im Streit mit den Dorfbewohner:innen, die sein Engagement etwa für ein allgemeines und geheimes Wahlrecht ablehnten oder nicht verstanden.
Felderazubi
Es war eine kluge Entscheidung von Landestheaterintendantin Stephanie Gräve, mit dem Deutschen Stefan Otteni einen Regisseur für das Stück zu beauftragen, der von außen auf das Leben und Wirken von Felder blicken konnte. Die Gefahren von Geniekult und Volkstümelei waren somit gebannt, Otteni hat seinen Fokus nicht allein auf Felder, sondern auf dessen Umfeld und die Frage gelegt, wie Demokratie gelingen könnte. Das verleiht dem doch recht konventionell angelegten Theaterstück Aktualität und eine gewisse Dringlichkeit.
Die Verknüpfung von Privatem und Politischem
Sie macht Sinn, doch ist sie in der Umsetzung nicht ganz geglückt. Während der erste, mit knapp eineinhalb Stunden deutlich längere Teil der Aufführung, mit schnellen Szenenwechseln und schön gesetzten, emotionalen Bildern überzeugt, mangelt es dem zweiten Teil etwas an Stringenz und Ideenvielfalt. Die Charaktere der Akteure sind hingegen fein akzentuiert. Luzian Hirzel verkörpert authentisch einen kämpferischen, im besten Sinne naiven Franz Michael Felder. Isabella Campestrini spielt die geliebte Partnerin auf Augenhöhe mit warmer Ausdruckskraft und Temperament. Roman Mucha bringt als intellektueller Schwager Kaspar Moosbrugger die nötige Ruhe und Übersicht ins Spiel, Nurettin Kalfa eine herzerfrischende Komödiantik. Nanette Waidmann ist nicht nur liebevolle Mutter, sondern auch eine Wirtin mit Zündkraft. Und „Bösewicht“ Thomas Schweiberer als Pfarrer Rüscher beeindruckt mit perfidem Spiel. Eine wichtige Rolle kommt auch den Mitgliedern des Theatervereins Bizau und des vom Landestheater gegründeten Bürger:innenchores zu, die mit viel Einsatz die Dorfbewohner:innen verkörpern. Als Musiker überzeugt zum wiederholten Male Oliver Rath, und auch dem wandelbaren Bühnenbild von Matthias Strahm gebührt viel Lob. Das Premierenpublikum zeigte sich höchst angetan und applaudierte kräftig.
weitere Vorstellungen: Di, 24.9., Fr.,11.10., Do, 7.11., Sa, 9.11. jeweils 19.30 Uhr sowie So 13.10., 17 Uhr
Theater am Kornmarkt, Bregenz
https://landestheater.org/spielplan/detail/aus-seinem-leben/