Der König tanzt
Musik aus dem Umfeld des Sonnenkönigs Ludwig XIV. war im vierten Abonnementkonzert des Concerto Stella Matutina in Götzis zu hören
Michael Löbl · Okt 2025 · Musik

Die Musik am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV. bietet ein fast unerschöpfliches Repertoire für Ensembles, die sich der Musik des Barock verschrieben haben. Über 70 Jahre lang beschäftigte der musik- und tanzverrückte Monarch Komponisten mehrerer Generationen, um ständig Musik für alle möglichen Anlässe verfügbar zu haben.

Das Concerto Stella Matutina feiert 2025 sein 20-jähriges Jubiläum ausgiebig, sehr zur Freude aller Abonnent:innen und Konzertbesucher:innen in der Kulturbühne AmBach. Man erinnert sich an die riesig besetzte „Missa Salisburgensis“ von Ignaz Franz Biber im Mai und bereits in drei Wochen hat die Oper „Der Barbier von Sevilla“ von Gioachino Rossini Premiere. Dazwischen jetzt dieses opulente französische Konzertprogramm unter der Leitung von Alfredo Bernardini.

Gerne gesehener Gast

Das Concerto Stella Matutina befindet sich in Topform. Es begeistert durch seinen runden, wunderbar ausbalancierten Gesamtklang, in dem sich Blech- und Holzbläser, Schlaginstrumente und Cembalo auf Augenhöhe begegnen. Das ergibt eine plastische Durchhörbarkeit - begünstigt natürlich durch die für diese Art von Musik perfekt passende Akustik der Kulturbühne AMBACH – und eine fast körperlich spürbare Energie, die den Zuhörer:innen ein ganz spezielles Konzerterlebnis bereitet.
Ein Stammgast in den Stella Matutina-Konzerten ist der italienische Barockoboist Alfredo Bernardini. Als Gründer des Bläserensembles Zefiro und als Professor für Barockoboe am Salzburger Mozarteum genießt er in der Barockszene fast schon Kultstatus. Er hat mit allen bedeutenden Originalklangensembles zusammengearbeitet und über 100 CDs eingespielt. 

Ein Italiener am französischen Königshof

Für das Programm „Le Divertissement Royal de Versailles“ stand Alfredo Bernardini eine opulente Orchesterbesetzung zur Verfügung: Hörner, Trompeten, Pauken und sonstige Schlaginstrumente (vor allem der von Stefan Greussing historisch informiert gespielte Woodblock bleibt in Erinnerung!), zwei Traversflöten, vier Oboen, zwei Fagotte, Laute, Cembalo und Streicher. Opulent klang auch das Eröffnungsstück, eine Suite aus der Oper „Alceste“ von Jean-Baptiste Lully. Er war einer der einflussreichsten Repräsentanten der französischen Barockmusik, stammte allerdings – wie Alfredo Bernardini in seiner unterhaltsamen Moderation nicht ganz unpatriotisch erläuterte – ursprünglich aus Florenz. Er kam aber bereits im Alter von 14 Jahren nach Frankreich und machte dort seine große Karriere als Hofkomponist Ludwig XIV. Sein Tod ist ebenso ungewöhnlich wie seine Lebensweg, beim Dirigieren rammte er sich einen Zeremonienstab in den Fuß und starb anschließend an einer Blutvergiftung. Lullys Musik ist festlich, süffig, abwechslungsreich, brillant orchestriert und wird vom Orchester auch ebenso brillant gespielt.
Nicht nur im Schloss Versailles, auch auf dem Schlachtfeld musste keineswegs auf Musik verzichtet werden, darum wurde aus den Reihen der Hofmusiker die sogenannte „Grande Écurie“ zusammengestellt, eine mobile Gruppe, besetzt mit Bläsern und Schlagzeug. Sechs solcher Stücke für den Fronteinsatz, geschrieben von André Philidor, bildeten einen akustischen Kontrast zur vorhergehenden großen Orchesterbesetzung.

Ein Oboist als Entertainer

Natürlich sollten auch die royalen Mahlzeiten musikalisch untermalt werden, am besten mit just in time für den jeweiligen Tag komponierter und ständig neuer Musik. Darum gibt es unzählige Werke für diese Anlässe, beispielsweise eine „Symphonie pour le souper du Roy“ von Michel Delalande. Diese Musik erinnert verblüffend an die Orchestersuiten Nr. 3 und 4 von J. S. Bach und es lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob – und wenn ja wer – sich in diesem Fall von wem inspirieren ließ, da die genauen Daten der Kompositionen nicht feststellbar sind. Jedenfalls erfüllt Delalandes Musik alle Kriterien, die man mit dem Begriff „festliche Barockmusik“ in Zusammenhang bringt: Holz- und Blechbläser sowie diverse Schlaginstrumente entfalten gemeinsam mit den Streichern eine Klangpracht, der sich niemand entziehen kann. Alfredo Bernardini leitete das große Ensemble von der Oboe aus, spielte, als wäre es das Einfachste der Welt, dirigierte und unterhielt das Publikum durch seine humorvollen Werkeinführungen in perfektem Deutsch. Absolut bewundernswert.
Nach der Pause hatten die beiden Traversflötistinnen Angelika Gallez und Julia Schwegler ihren großen Auftritt in der Symphonie „Les Éléments“ von Jean-Féry Rebel, nicht nur ihre Darstellung zweier Nachtigallen geriet sehr überzeugend. Berühmt ist Rebels Werk vor allem wegen seines Beginns „Le Chaos“, der komponierte Urknall sozusagen, in dem der Komponist alle zwölf chromatischen Töne in einer Art Cluster auf einmal erklingen lässt – ein akustisch absolut unerwarteter, fast schockierender Effekt. Auf jeden Fall weitaus atonaler als jenes Chaos, das sechzig Jahre später Joseph Haydn an den Beginn seines Oratoriums „Die Schöpfung“ stellte.

Neue Orchesterfarben

Eine Generation nach Jean-Baptiste Lully war Jean-Philippe Rameau der berühmteste Komponist Frankreichs. Er diente nicht mehr Ludwig XIV. sondern seinem Nachfolger Ludwig XV., der allerdings weder der Sohn noch der Enkel des Sonnenkönigs war, sondern dessen Urenkel. Aber das ist eine andere, sehr komplizierte Geschichte… Rameau war vor allem als Opernkomponist berühmt, durch seine virtuose Behandlung der Instrumente eröffnete er zukunftsweisende orchestrale Klangwelten.
All dies wurde durch Alfredo Bernardini und das Concerto Stella Matutina brillant, virtuos und klangprächtig umgesetzt. Außer der musikalisch ausgefeilten Gestaltung und der barocken Fülle überzeugten vor allem Oboen und Fagotte durch ihre perfekte Intonation, was angesichts der Instabilität vor allem der barocken Doppelrohrblattinstrumente keine Selbstverständlichkeit ist. Ein in jeder Hinsicht großer Abend im Jubiläumsjahr des Ensembles. 

Tipp:
Concerto Stella Matutina: „Der Barbier von Sevilla“, Oper von Gioachino Rossini
6./7.11., Kulturbühne AMBACH Götzis
www.stellamatutina.at 

 

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