Der Fuchs Gunnar Landsgesell · Jän 2023 · Film

Nach den Erinnerungen an seine Kindheit mit einer drogenabhängigen Mutter (hochgelobt: „Die beste aller Welten") hat Regisseur Adrian Goiginger in seinem dritten Film Erinnerungen seines introvertierten Urgroßvaters an seine Zeit als Motorradkurier der deutschen Wehrmacht verarbeitet, dem vorübergehend ein junger Fuchs zum Gefährten wurde. Ein bemerkenswertes Zeitbild.

Tiere sind dankbare Gefährten. Man kann ihnen die Liebe entgegenbringen, die gegenüber Menschen vielleicht schwerfällt. Ein geflügeltes Wort: Ein Tier hat einen noch nie enttäuscht. Im Fall der Geschichte des Urgroßvaters von Regisseur Adrian Goiginger wird ein junger Fuchs vorübergehend dieser Rolle gerecht. Die Hintergründe werden zu Beginn des Films beleuchtet, die Umstände sind kompliziert genug: Franz ist der Sohn einer Bergbauernfamilie, die Mitte der 1920er Jahre aus ökonomischer Not den Kleinen (er wäre im Volksschulalter) an einen Großbauern (kurz und pointiert: Cornelius Obonya) „abgeben“. Von seinem Vater (Karl Markovics als Analphabet, tapfer im Pinzgauer Dialekt) hört Franz nie wieder etwas. Sobald Franz volljährig ist, heuert er bei der Armee an. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges bedeutet, dass Franz als Wehrmachtssoldat in den Krieg zieht. Doch „Der Fuchs“ ist kein Kriegsfilm, auch kein Heimat- (oder Tier-)Film, sondern entwickelt sich als introspektive Studie einer sozialen Isolation, in der die Welt den Protagonisten wie ein fernes Rauschen umweht.

Gemischte Gefühle

Man könnte Adrian Goiginger als eine Art „Shooting Star“ bezeichnen, sein Erstlingsfilm „Die beste alle Welten“ wurde hochgelobt. Er hat darin auf bemerkenswerte Weise die Kindheit mit einer Mutter beschrieben, die drogenabhängig ist. Auch sein dritter Film spürt mit den großväterlichen Erinnerungen familiären Spuren nach. Und auch hier spielen Drogen eine, wenn auch weniger explizite Rolle. Die Tabletten in dem kleinen Behältnis, die Franz (Simon Morzé) erhält, sollen ihn im Blitzkrieg gegen Frankreich aufputschen. Die Nazis hatten im Labor Methamphetamin hergestellt und als Pervitin unter die Soldaten gebracht. Im Film sieht man, wie Franz immer wieder eine Tablette einwirft. Daraus macht Goiginger kein großes Ding, aber letztlich ist „Der Fuchs“ doch ein Film wie in einer Blase. Da rollen die Wellen des Meeres, wo Franz und sein Kamerad sich am Strand niederlassen, da schimmert die Natur, durch die er mit seinem Beiwagen-Motorrad fährt; da donnert der Krieg im Hintergrund, doch Franz scheint immer abgekoppelt. Und auch in einer Episode – Franz, der Besatzer, begegnet einer Französin (Adriane Gradziel) in einem Bauernhaus und bleibt eine kurze Zeit dort – materialisiert sich die Welt nicht, sondern scheint für den jungen Mann unerreichbar. Goiginger verwebt auf interessante Weise die soziale Isolation seiner Figur, die offenbar traumatisiert durch den Verlust der Familie ist, mit den Grenzerfahrung des Krieges und spinnt daraus eine durchaus überraschend versonnene Erzählung, in der einzelne Bilder wohl an den Filmphilosophen (und New-Hollywood-Akteur) Terrence Malick angelehnt sind. Gut gelöst scheint die feine Linie, an der sich der Film in der Beschreibung seiner Hauptfigur bewegt: Einsamkeit wird nicht per se problematisiert, sondern erst dann zum Thema, wenn das soziale Umfeld irritiert auf den Einzelgänger reagiert. So lebt Franz mit seinem geheimen Gefährten mitten im Krieg in einem seltsamen Vakuum, das periphere Blicke auf Tote am Straßenrand, aber kaum Aufschlüsse über die Umstände dieses Krieges zulässt. Damit irritiert der Film mit einem ahistorischen Geschichtsverständnis, das wohl auf der selektiven Erzählung des Großvaters, erneut durch die Inszenierung des Privaten gebrochen, beruht. Es ist die episodische Geschichte eines Soldaten, in der die Rolle der Wehrmacht selbst unbeleuchtet bleibt. Franz ist in keine Kriegshandlungen verwickelt, er wird kein Zeuge der Verbrechen der Wehrmacht, er führt, obwohl Teil dieses Apparats, ein Leben für sich. Den Handlungsrahmen setzt die Beziehung zu einem Tier, der emotionale Höhepunkt ist die schmerzlichen Trennung vom Fuchs. Das ergibt eine paradoxe Spannung, gruppiert der Film doch seine gesamte Erzählung auf soziale Topoi: Erinnerung, Abschied, Zuwendung. Ein Porträt, oder sollte man sagen eine Hommage, der besonderen Art.

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