David Six: Dance With The Ghosts Quartet Peter Füssl · Jun 2023 · CD-Tipp

Sanft klopft Lukas König den in seiner Schrägheit gar nicht sonderlich auffallenden 5/7-Takt auf der Trommel, David Six‘ sanft-melodische Pianoklänge gesellen sich dazu und verbreiten eine Stimmung, die von Mario Roms melancholisch-gefühlvoller Trompete weitergesponnen wird, ehe Beate Wiesinger ihren Kontrabass ein Solo singen lässt. „Chant“ heißt der Opener, der gleich programmatisch die emotionale Tiefe festlegt, mit der dieses Quartett aus exzellenten österreichischen Top-Musikern den Kompositionen des 37-jährigen, aus Oberösterreich stammenden Six Leben einhaucht.

Zu diesem Stück ließ er sich durch die so unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Hintergründe im Freundeskreis seiner kleinen Tochter inspirieren, die sich dennoch mit Leichtigkeit zu einem gemeinsamen Lebensweg verbinden lassen. Nicht weniger stimmungsvoll gerät das zweite Stück „Zarifa“, das der ersten Bürgermeisterin Afghanistans Zarifa Ghafari gewidmet ist, die sich im Alter von 26 Jahren gegen 137 männliche Mitbewerber in einer von den Taliban beeinflussten Region durchsetzte und trotz massiver Bedrohung und zahlreicher Anschläge ihre Vision von Gleichberechtigung umzusetzen versuchte. Ein düsteres, traumverlorenes und doch unterschwellig spannungsgeladenes, stets an Dramatik zulegendes Stück, in dem Rom seine Trompete Verzweiflungsschreie ausstoßen lässt. Diskussionen und Überlegungen zu politischen und gesellschaftlichen Themen liefern oft den konzeptionellen Background für die Kompositionen, die manches emotional erfassen, was sich intellektuell gar nicht so leicht fassen lässt. „Moria“ reflektiert nach einem nachdenklichen Pianointro mit verhallten, sich schließlich dramatisch aufbäumenden Trompetentönen die furchtbaren Verhältnisse im in die internationalen Schlagzeilen geratenen Flüchtlingscamp auf Lesbos. „Light & Airy“ hingegen speist sich aus dem brennenden Interesse des klassisch ausgebildeten Pianisten – der als Mitglied des experimentierfreudigen Orchesterkollektivs stargaze weltweit in Projekten jenseits aller Genregrenzen aktiv ist – für die klassische indische Musik. Der „Norway Maple Song“ ist eine ursprünglich für die klassische Gitarristin Zsofia Boros geschriebene, wundervolle Hommage an den Norwegischen Ahorn, der dank seiner Resistenz gegen jegliche Art von Umwelteinflüssen zum Hoffnungsschimmer in der schwelenden Klimakrise wird, mit der sich auch das finale „Gloaming“ auseinandersetzt. Dieses exzellent musizierte, irgendwie zauberhaft entrückt, gleichzeitig durch die politischen Implikationen aber auch präsent wirkende, eine außergewöhnliche Intimität vermittelnde Quartett-Album bestätigt auf eindrucksvolle Weise die kompositorischen und pianistischen Fähigkeiten von David Six. Es ist der Auftakt seiner „Dance With The Ghosts“-Trilogie, die mit einem im September erscheinenden im Sextett musizierten Kammermusik-Album und einer Solo-/Duo-Produktion im kommenden Jahr komplettiert werden soll. Beim vorliegenden Album lohnt sich in jedem Fall der Griff zur optisch sehr schön aufgemachten Vinyl-Version, weil diese mit einem sechzehnseitigen Booklet mit sehr interessanten Liner-Notes des Komponisten versehen ist und einen Download-Code für zwei weitere Stücke – eines davon Julian Assange gewidmet – mitliefert.

(Sessionwork Work Records)

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