David Helbock & Julia Hofer: Faces of Night Peter Füssl · Sep 2025 · CD-Tipp

David Helbock liefert in den unterschiedlichsten Band-Formaten – natürlich auch solo – kontinuierlich höchst Bemerkenswertes und Abwechslungsreiches. Dies trifft auf die drei Trios der vergangenen Jahre und das Fusion-orientierte Austrian Syndicate ebenso zu, wie auf die Duos mit dem Geiger Simon Frick, dem Trompeter Lorenz Raab, oder zuletzt mit der französischen Sängerin Camille Bertault. Dementsprechend gespannt durfte man auf sein neues Projekt mit der aus Kärnten stammenden, in Jazz-Kreisen eher nur Insidern bekannten Cellistin und E-Bassistin Julia Hofer sein, zumal mit der Sängerin Veronika Harcsa, dem Gitarristen Mahan Mirarab und Lorenz Raab am Flügelhorn auch noch drei interessante Gäste eingeladen wurden.

Hofer hat in Wien, Köln und Mannheim studiert, ist an den Vereinigten Bühnen Wien engagiert, unterrichtet an der Gustav Mahler Privatuniversität in Klagenfurt und am Jam Music Lab in Wien und erregt einiges Aufsehen mit ihren YouTube-Interviews und -Lessons für Europas größten Musikhändler Thomann. Wer meint, das klinge alles ein bisschen „akademisch“, wird rasch eines Besseren belehrt, denn sie agiert ganz im Gegenteil auf mitreißende Weise Groove-orientiert und entlockt dem E-Bass, dem bundlosem Bass und dem Cello ein farbenreiches Klangspektrum. Eine durchwegs inspirierende musikalische Partnerin für Helbock, der mit seinen außergewöhnlichen Tastenexkursionen – inklusive Soundfindungen innerhalb des Klaviers – zur Höchstform aufläuft. Umrahmt werden diese Nacht-Lieder, in denen Mystisches auf Tanzbares trifft, von zwei Versionen des „Woman’s Dance“ des griechisch-armenischen Jahrhundertwende-Gurus oder -Scharlatans (je nach Sichtweise) Georges I. Gurdjieff. Ob es sich tatsächlich um einen „heiligen“ Tanz handelt, wie der esoterische und künstlerisch multitalentierte Großmeister meinte, sei dahingestellt, jedenfalls verfügt die von Helbock und Hofer eindringlich zelebrierte Melodie über himmlische Qualitäten und wird zum perfekten Vehikel für die schönsten Seiten der Melancholie. Nicht weniger emotionsgeladen und mit besonderen Effekten garniert wird ein Thema aus Robert Schumanns Pianokonzert in a-moll präsentiert, wobei durch Lorenz Raabs gefühlvolles Flügelhorn-Solo der romantische Charakter besonders verstärkt wird. Die lyrischen Qualitäten Raabs kommen auch in der Helbock-Komposition „Song of a Dream“ perfekt zur Geltung – eine wundervolle Ballade, bei der Helbock und Hofer den Reiz der Verlangsamung auskosten. Ebenso aus Helbocks Feder stammt „Clara’s Romance“ – ganz großes Gefühlskino, vom in Teheran geborenen und in Wien und Berlin lebenden Mahan Mirarab, der eine doppelhalsige Gitarre (einmal mit, einmal ohne Bünde) spielt, mit lässigen Grooves veredelt. Groove ist auch das Metier, in dem sich Julia Hofer besonders wohlzufühlen scheint, etwa in Helbocks „Dancing to Another Space“, wo sie sich von Beginn an mit Mirarab duelliert, ehe der Pianist mit rasanten Läufen für zusätzliche Spannung sorgt. Die vierte Komposition, die Helbock zum aktuellen Album beiträgt, ist „Dark Soul“, dessen eingängige Melodie von Hofer auf dem Cello interpretiert wird, und das sich reizvoll im Spannungsfeld zwischen Klassik/Romantik und rasantem Jazz bewegt. In zwei der vier Fremdkompositionen des Albums präsentiert Veronika Harcsa, die im Duo mit dem ebenfalls aus Budapest stammenden Gitarristen Bálint Gyémánt bekannt geworden ist, ihre außergewöhnliche Vokalkunst. Den 1960-er Jahre Funk-Jazz-Klassiker „Freedom Jazz Dance“ von Eddie Harries bringt sie scattend zum Glühen, während Monks schon tausendfach aufgenommenes, lyrisches Meisterstück „Round Midnight“ vermutlich zum ersten Mal mit einem ungarischen Text versehen erklingt. Die beiden anderen Fremdkompositionen stammen aus der Feder von Prince, dem David Helbock 2012 sein grandioses Album „Purple“ (Traumton) widmete. Auf diesem fand sich auch schon eine Solo-Version des Über-Hits „Purple Rain“, der nun von Hofer/Helbock äußerst effektvoll und mit Pathos aufgeladen inszeniert wird. Ein wahres Funk-Monster ist das von Prince And The New Power Generation auf dem Album „Love Symbol“ (1992) veröffentlichte und vom Text her skandalisierte „Sexy M.F.“ – hier witzig arrangiert und von Mirarabs Gitarre zusätzlich angetrieben. Tempo macht auch Julia Hofers Komposition „Night Dances“, in der sie den Bass pulsieren lässt und das Cello wirkungsvoll zum Tanzen bringt. Angesichts des exzellenten Debütalbums dieses vielversprechenden neuen Duos freut man sich schon auf die Live-Auftritte!          

(ACT) 

Konzert-Tipps:  7.12. Industrie36 Rorschach, 28.1.26 Porgy & Bess Wien, 20.2. Jazzambach Götzis
davidhelbock.com

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