David Helbock: Austrian Syndicate Peter Füssl · Aug 2023 · CD-Tipp

Schon die Besetzung mit dem international erfolgreichen Vorarlberger David Helbock an Keyboards und Synthesizern, seinem ehemaligen Lehrer und Mentor, dem seit den 1980-er Jahren umtriebigen Amerikaner Peter Madsen am Piano, dem Wiener Rhythmus-Dreamteam Raphael Preuschl (Bass, Bassukulele) und Herber Pirker (Drums) sowie dem von seinen Aktivitäten bei Martin Grubinger her bekannten Perkussionisten und Hakim-Ludin-Meisterschüler Claudio Spieler löst unter Kennern höchste Erwartungen an dieses hochkarätige Quintett aus. Und wer beim Begriff „Syndicate” an Joe Zawinul denkt, liegt natürlich auch nicht falsch, zumal „Money in the Pocket“, der Opener von Helbocks mittlerweile schon sechsten ACT-Album, aus der Feder des genialen Wiener Tastenstars stammt, der mit Cannonball Adderley und Miles Davis ebenso Jazz-Geschichte schrieb, wie mit Weather Report und dem von ihm von 1988 bis 2007 geleiteten Zawinul Syndicate.

Der gemütliche Soul-Jazz des 1966 von Adderley aufgenommenen Originals bleibt allerdings nur in einigen von Peter Madsens Piano dominierten Interludes erhalten, die in einer wahnwitzigen Up-tempo-Spielwiese für den mit sechs Keyboards und Synthesizern aufmunitionierten Helbock eingebettet sind. Dieser fettet die leicht ins Ohr gehende Melodie mit witzigen elektronischen Effekten auf und lässt das brodelnde Gebräu vom peruanischen Drummer und ehemaligen Zawinul-Weggefährten Alex Acuña, der den Reigen prominenter Gäste eröffnet, mit Latin-Rhythmen befeuern. David Helbocks „Herzensprojekt“ mag zwar im Geiste Zawinuls eine gelungene Bündelung von Fusion-Jazz und Weltmusik sein, verharrt aber keineswegs in musealer Heldenverehrung, sondern geht sehr spezielle eigene Wege. Etwa dadurch, dass Helbock alle elektronischen Tasteninstrumente und Madsen den akustischen Flügel bedient, wodurch sich reizvolle Effekte mittels außergewöhnlicher Tastenverschränkungen und kreativer Interaktionen erzielen lassen. Beide steuern jeweils vier Kompositionen bei. Der aus Tunesien stammende Vokalist und Oud-Virtuose Dhafer Youssef, der vor dreißig Jahren in Wien seine Weltkarriere startete, leitet mit seinem unvergleichlichen, an Sufi-Techniken geschulten, unter die Haut gehenden Gesang von der „Hymn to Vienna“ in Peter Madsens pulsierendes, mit orientalischen Elementen verbrämtes Fusion-Stück „The Third Man“ über. In „Crimson Woman“ kombiniert Madsen Prog-Rock-Elemente mit Funk und lässt seinen langjährigen Arbeitgeber, den ehemaligen James Brown-Weggefährten Fred Wesley, ein beseeltes Posaunensolo drüberlegen. „We Need Some Help Down Here“ ist eine von stimmungsvollen Klängen auf dem Flügel und einer unglaublich leicht ins Ohr gehenden, auf dem Synthie intonierten Melodie geprägte Ballade, während „Nuyorican“ Latin-Dance-Flair für konditionell fitte Hochgeschwindigkeitstänzer:innen verströmt. Nicht weniger vielfältig sind die vier Kompositionen aus David Helbocks Feder. Die getragene „Ballad for Schönenbach“ bezaubert mit verschränkten Melodien auf dem Piano und den teilweise Panflöten-artig klingenden Keyboards und wird der speziellen Atmosphäre in der abgelegenen Vorsäßsiedlung im Bregenzerwald durchaus gerecht. Acid-Jazz-Reminiszenzen werden bei „The Ups and Downs” wach, das von der derzeit mit ihrem aktuellen Album „Phoenix“ ganz besonders angesagten jungen New Yorkerin Lakecia Benjamin auf dem Altsaxophon veredelt wird. Die sphärischen, improvisiert wirkenden Klänge von „Adventure“ verdichten sich zu einem treibenden Fusion-Groove, während der „Grundbira Dance“ (wohl nur Vorarlberger und Eingeweihte wissen, was damit gemeint ist) mit einem zungenbrecherischen und atemberaubend schnellen indischen Konnakol-Solo von Claudio Spieler eingeleitet wird und in mehreren Tempowechseln zu immer beschaulicheren Grooves findet. Bassist Raphael Preuschl steuert mit „Dinde et Dindon“ ein rhythmisch raffiniertes, abwechslungsreiches Funk-Monster bei. Dem Closer – W.A. Mozarts von Helbock arrangiertes „Komm, lieber Mai und mache“ – verleiht schließlich die auch schon bei Zawinul aktiv gewesene portugiesische Vokalartistin Maria João auf ihre unvergleichlich witzige Weise afro-karibisches Flair. Ein würdiges Finale für dieses Aufsehen erregende Debütalbum des gleichermaßen kreativen wie virtuosen Quintetts, das vor Energie strotzt und vor Spielfreude nur so zu sprühen scheint. Und einmal mehr bewahrheitet sich Joe Zawinuls Erfolgsrezept, wonach Musik einfach zu hören und kompliziert zu spielen sein soll.

(ACT)

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR September 2023 erschienen.

Konzert-Tipp: 21.10. Tangente Eschen, 29.10. Porgy&Bess Wien, 1.11. Treibhaus Innsbruck, 2.11. Spielboden Dornbirn

Teilen: Facebook · E-Mail