„Cool Machines“ und farbenprächtige Insekten in Bludenzer Ausstellungen Karlheinz Pichler · Jul 2023 · Ausstellung

Mit „Cool Machines“ des deutsch-ungarischen Künstlerinnenduos T(n)C (The (new) Constellation) im Kunstraum Remise sowie „KäferBrezn PixelTanz“ von Lisa Althaus im Kukuphi sind in Bludenz derzeit zwei sehr unterschiedliche aber gleichwohl sehenswerte Ausstellungen zu sehen.

T(n)C im Kunstraum Remise

T(n)C, das sind Tina Kult und Agnes Varnai, zeigen im Kunstraum Remise eine Installation, in deren Zentrum Videoarbeiten stehen. In der vierteiligen Kurzfilmserie „Retraining Laziness“ (2023), die auf zwei Monitoren im hinteren Bereich des Ausstellungsraumes gezeigt wird, stehen Menschen und Maschinen, die von einem Wirtschaftssystem angetrieben werden, das jedes Individuum auf der Grundlage seiner Produktivität bewertet, in Konkurrenz zueinander. In dem Bemühen, sich zu verbessern, um relevant zu bleiben und der Gesellschaft, der sie angehören, zu nutzen, befinden sie sich in einem ständigen Modus der Selbstausbeutung. Dazu die beiden Künstlerinnen: „Sie arbeiten, weil sie können, und nicht, weil sie müssen. Doch aufgrund einer Anomalie verlässt ein Roboter die Fließbänder, um eine müßige und selbstbestimmte Existenz zu erkunden. Die Kurzfilmserie ‚Retraining Laziness‘ folgt einem Gespräch zwischen einem menschlichen Arbeiter und einem funktionsunfähigen Roboter, während sie über ungesunde Produktionsbedingungen und ihr eigenes Verhältnis zu Arbeit und Zeit diskutieren.“
Auf einer flachen, bühnenartigen, mit sandfarbenem Stoff überzogenen Konstruktion, die formal ein wenig an die Bretterliegenlandschaften in Schwimmbädern erinnert, können die Besucher Platz nehmen und die Videos bequem konsumieren. Wobei ähnliche „Sitzinseln“ auch in den 3D-Animationen auftauchen und quasi eine assoziative Verbindung zwischen realer und virtueller Welt herstellen.
Lässt der Besucher oder die Besucherin der Ausstellung den Blick schweifen, fallen immer wieder auch kleine, irritierende Objekte aus Salzteig auf. Sie stehen für ein Formenvokabular, das den Ausgangspunkt für die science-fiction-artigen Welten der Videos bildet. Eingescannt und digitalisiert schaffen T(n)C auf Basis solcher Skulpturen digitale Räume, die analog kaum vorstellbar wären.      
Eine weitere Werkserie aus dem Jahr 2023 trägt den Titel „Days (light box)“ . Dabei handelt es sich um vier virtuelle, dystopische Strandlandschaften, die in Leuchtkästen gezeigt werden, für die T(n)C funktionsunfähige Bildschirme dekonstruiert und wiederbelebt haben. Gemäß T(n)C soll diese Serie die kollektive Faszination der Konsumwelt für exotische Reiseziele erforschen und aufzeigen, wie diese Orte zu einem modernen Synonym für das Paradies geworden sind.
Letztlich wird die von Luka Jana Berchtold kuratierte und fein inszenierte Schau noch von halb geschmolzenen, deformierten Monobloc-Stühlen abgerundet. Diese stapelbaren Kunststoff-Stühle werden seit den frühen 1970er Jahren gefertigt und gelten als meistproduzierte Stühle der Welt. In Gärten, auf Terrassen, in Bistros oder an Stränden sind sie gleichsam omnipräsent.
Die 1991 in Kasachstan geborene Tina Kult studierte digitale Kunst bei Ruth Schnell an der Universität für angewandte Kunst Wien sowie experimenteller Film und Medienkunst an der Universität der Künste Berlin. Agnes Varnai (*1990 Ungarn) studierte Mode an der Universität für angewandte Kunst in Wien und führt neben ihrer künstlerischen Tätigkeit das Label „Ordained Hardware“. Kult und Varnai arbeiten sowohl als Kollektiv, als auch als Solo-Künstlerinnen. Außerdem verfolgen beide Projekte in Kollaboration mit anderen Kunst- und Kulturschaffenden.      

Lisa Althaus im Kukuphi       

Die 1972 in Klaus geborene Zeichnerin, Illustratorin und Malerin Lisa Althaus wartet in der Kellergalerie Kukuphi – wobei Kukuphi für Kunst, Kultur und Philosophie steht – mit einem Werkquerschnitt auf, der bis zu sehr gefälligen Papierobjekten aus den frühen 1990er Jahren und einer überdimensionalen, in ultramarinem Yves-Klein-Blau gehaltenen Stoffbreze auf Samt (1997) zurückreicht. Im Zentrum ihrer Ausstellung „KäferBrezn PixelTanz“ steht aber ihre ganz neue Gemäldeserie „Insekten“, hinter der nicht zuletzt der Appell steht, den gesamten Reichtum der Lebewesen unseres Planeten in den Blick zu nehmen und entsprechend verantwortungsvoll zu handeln.
Gemäß Wikipedia sind bislang fast eine Million Insektenarten wissenschaftlich beschrieben worden. Damit wären mehr als 60 Prozent aller beschriebenen Tierarten Insekten. Nach verschiedenen Hochrechnungen rechnet man allerdings mit einem Vielfachen davon, wobei vor allem in den tropischen Regenwäldern noch Millionen unentdeckter Arten vermutet werden.
Die Künstlerin meint denn auch: „Mein Bilder spiegeln die Faszination und den Respekt vor dieser besonderen Spezies wider. Selbst wenn die Menschheit sich selbst auslöschen sollte – die Insekten werden uns überleben, wenn wir sie in Ruhe lassen. Sie teilen unsere Hybris nicht.“
Lisa Althaus hat Insekten wie etwa den Alpenbock, die schwarzhalsige Kamelhalsfliege, die Stielaugenfliege oder den Hirschkäfer in symbiotischem Miteinander mit menschlichen Porträts in Öl gemalt. Wobei die Tiere im Verhältnis zu den Köpfen überdimensional dargestellt sind. So schmiegen sich die Scheren des Hirschkäfers eng an das Dekolletee und den Schulterbereich einer Frauenfigur an, während die Stielaugenfliege über einem horizontal gemalten Frauenkopf zu schweben scheint.
Von der Umsetzung her sind sowohl Insekten wie auch Köpfe vom unverwechselbaren manieristischen Malstil von Althaus geprägt. So sind die Hinterköpfe der gemalten Frauen übertrieben in die Länge gezogen, die Augen weit schräg nach oben geschlitzt, die Lippen eng geschürzt und die Nasen länglich, schmal und leicht gebogen. Sie erinnern mitunter an Geisha-Bildnisse oder auch an altmeisterliche japanische Historienmalereien.
Und bei den Insekten sind die markanten Erkennungszeichen wie etwa Antennen, Flügel oder Gliederköper farbenprächtig und überhöht dargestellt.
Natürlich ist, wie bei Althaus nicht anders üblich, alles perfekt gemalt, wobei stets ironische Begleittöne sowie Analogien zu ihren buchillustratorischen Tätigkeiten mitschwingen.

T(n)C: „Cool Machines“
bis 30.7.23
Mi – Sa, So u. Ftg. 15 – 18
Kuratierende Künstlerin: Luka Jana Berchtold
Kunstraum Remise, Bludenz
www.allerart-bludenz.at/kunstraum-remise

Lisa Althaus: „KäferBrezn PixelTanz“
Kellergalerie Kukuphi, Bludenz
bis 21.7.23
Do, Fr 16 – 19, Sa 10 – 14
Kunstraum Remise, Bludenz
https://www.facebook.com/kukuphi.bludenz

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