Chris Dahlgren / Dhalgren: Got Milk Peter Füssl · Feb 2024 · CD-Tipp

Nach dem vor drei Jahren erschienenen Album „Songs From A Dystopian Utopia“ hat der aus New York stammende und in Berlin und Salzburg lebende Bassist Chris Dahlgren soeben das dritte Album seines Singer-Songwriter-Projekts Dhalgren bei Alfred Vogels Boomslang Records veröffentlicht. Dieser sitzt auch wieder hinter den Drums und an der Perkussion, und Dahlgren hat auch nichts am Berliner Dreamteam verändert: Arne Braun an E- und Akustikgitarre, Evi Filippou am Vibraphon, Sidney Werner am Kontrabass und die Sängerin Almuth Kuehne als special guest auf drei Songs, etwa auf dem sonderbaren ätherischen „Corona no. 16“.

Das ist eines von drei Stücken, in dem Dahlgren, der in dieser Formation nicht Bass, sondern Akustikgitarre und Viola da gamba spielt, explizit die Pandemie und die damit verbundenen Kalamitäten ins Rampenlicht rückt. Und das keineswegs ängstlich und jammervoll, sondern bissig und witzig, wie in „Hey Corona“ mit seinem schrägen, eines Tom Waits würdigen Rock-Groove: „Boom cha- chicka boom boom cha- chicka boom /Hey, Corona, you’ve got verve / Showing us that we get what we deserve / And Corona, you’ve got style / Blue is the new black, gonna stay for a while / Boom cha- chicka boom boom cha- chicka boom / Bears are roaring, bulls sit on tails / GDP’s falling / health system fails” – ja, Dahlgrens Texte haben es durchaus in sich und gewinnen in seinem eigentümlich unaufgeregten, auf jegliche vokalartistischen Schnörkel verzichtenden Gesang durchaus an Intensität, Eindringlichkeit und Suggestivkraft. Das gilt auch für Poetisch-Melancholisches, wie die wunderschöne Ballade „Box of Dreams“. Dahlgren, der bei La Monte Young und Christian Wolff Komposition studiert hat, schöpft aus einem reichhaltigen Fundus unterschiedlichster Stile – Folk, Latin, Ambient Jazz, Dream Pop, um nur einige zu nennen – und findet stets die perfekten kammermusikartigen Arrangements zur Beförderung seiner hochkarätigen Lyrics, die sich auch aus Natureindrücken und alltäglichen Erfahrungen des Künstlerdaseins speisen. Erwartungsgemäß erschaffen die exquisiten Musiker:innen aus den musikalischen Vorgaben mit viel Phantasie und Einfühlungsvermögen die perfekte Soundkulisse für Chris Dahlgren, der sich hier von seiner problembewussten, aber auch wohltuend selbstironischen und durchaus hoffnungsfrohen Seite präsentiert.

(Boomslang Records/Galileo Music)

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