Chorseminar Liechtenstein: Haydns „Jahreszeiten“ als prächtige Tonbilder mit viel Heiterkeit
Joseph Haydns „Die Jahreszeiten“ wurde mit drei Solisten, dem SOL, dem Chorseminar und dem Dirigenten William Maxfield zum Erlebnis.
Anita Grüneis · Apr 2023 · Musik

Besser hätte es für das Chorseminar Liechtenstein nicht kommen können: Ein bis auf den letzten Platz besetzter Saal im SAL, ein bestens disponiertes Liechtensteiner Symphonieorchester (SOL), ein Chor, der mit Leidenschaft sang und die drei Solisten:innen Eva Oltivànyi, Sopran, Michael Nowak, Tenor, und Huub Claessens, Bass, die mit viel Liebe zur Musik und ihren reifen Stimmen Geschichten erzählten. Dazu der Dirigent William Maxfield, der alles bestens zusammenhielt und vor den Ohren der Zuhörerinnen und Zuhörer vier gewaltige Tonbilder auf die Bühne zauberte. Das Publikum honorierte dies auch entsprechend: Es gab stehende Ovationen, Bravo-Rufe und tosenden Applaus. Schon die Premiere am Samstag in der evangelischen Kirche in Altstätten war ein riesiger Erfolg, auch dort hatte das Publikum lange und begeistert applaudiert.

Der Frühling lässt juchzen

Das Orchester fegte gleich bei der Ouvertüre los. „Die Einleitung stellt den Übergang vom Winter zum Frühling dar“, heißt es in den Noten. Der Winter war offenbar hart gewesen und so vertrieb ihn das Orchester mit lauten Paukenschlägen. Nach diesem wuchtigen Auftakt hielt der Frühling seinen musikalschen Einzug. Da flirrten die Klänge und Geigentöne juchzten. „Komm holder Lenz“ bat der Chor, der Bass erzählte vom Bauern, der den Samen auswirft und der Tenor flehte gemeinsam mit dem Chor den Himmel an, gnädig zu sein. Das Orchester unterstrich diesen Bittgesang, bis der Sopran verkündete, dass das Flehen erhört wurde. In dieser Passage wurden die Chorstimmen zu einem weiteren Instrument des Orchesters. Alles war vereint, alles lebte, alles schwebte, wie im Libretto geschrieben. Der Frühling endete, wie er begonnen hatte, mit Paukenschlägen.

Vom Morgenlicht bis zur Hitze

Der Sommer begann mit einer Morgendämmerung und so war auch die grüne Bühnenbeleuchtung einem tiefen Rot gewichen. Der Tenor setzte ruhig ein und beschrieb mit seiner weichen Stimme das sanfte Morgenlicht. Dahinter ließ das Orchester aber die kommende Hitze anklingen, bis Bass und Hörner den ausgeruhten Landmann zur Jagd riefen. Tänzerisch und fröhlich wurde die Stimmung, Chor und Solist:innen gaben alles, denn es hieß: „Dir jauchzet die Natur“. Bis sich in dieses Hochgefühl der Stimmen und Töne eine erste Warnung einschlich: Ach, das Ungewitter naht! Nun ließ es das Orchester ordentlich blitzen und donnern und auch die Chorstimmen schwollen bedrohlich an – bis sie dann verkündeten: „Von oben blinkt der helle Stern und ladet uns zur sanften Ruh“.

Das Weinfest ist ein „Haydn-Spaß“

Nach einer kurzen Pause wurde das Publikum von einem grün-braunen Herbst empfangen. Ein Bild voller Hoch-Stimmungen – es war Erntezeit. Alles war gut gelaunt, doch dann wurde die Musik drängender und der Chor hochdramatisch, die Hörner riefen vollmundig zur Hirschjagd. Im Herbst ist aber auch Weinlese und dabei wird die Fröhlichkeit zum Lustgeschrei – laut Libretto. An diesem Abend im SAL wurde der Herbst ein „Haydn-Spaß“ und zum Liebling im Zuschauerraum und auf der Bühne – da schunkelten selbst die Klänge im Orchester, der Chor rief aus vollen Kehlen: „Juchhe, Juchhe, der Wein ist da“ und das Publikum applaudierte spontan und heftig.

Die Kühle des Winters zieht ein

Dann wurde es frostig, das Bühnenlicht ergraute und wurde dann blau. Das Orchester reduzierte seine Klänge bis zur Kühle. „Licht und Leben sind geschwächet“, sang der Sopran und die Stimme von Eva Oltivànyi klang dabei besonders lyrisch. Der Tenor erzählte vom gefesselten See und die Stimme von Michael Nowak war voller Nachdenklichkeit bis er von einem verirrten Wanderer berichtete, der eine Hütte findet. Da wurden die Klänge des Orchester heller, blieben aber insgesamt zurückgenommen. Erst beim Spinnerlied erstarkten sie wieder. Am Ende dieses Oratoriums folgte das Erhabene: „Erblicke Deines Lebens Bild“, mahnte der Bass Huub Claessens, der immer alles voller Spielfreude geschildert hatte, nun aber seine volle Stimme zügelte und demütig klingen ließ. Im fulminanten Terzett mit Chor zum Ende des Konzerts zeigten alle noch einmal, wieviel Wucht in diesem Haydn-Werk steckt. Aus den „Jahreszeiten“ war an diesem Abend ein Musikgemälde entstanden, das Lyrik und Dramatik, Bittgesang und Humor vereinte, und dabei die Natur in seiner viermaligen Veränderung zeigte. Das waren drei Stunden prallen Lebens, gefüllt mit Spielfreude und Stimmgewalt. Dieser textstarke und oft heitere Bilderbogen wird noch lange in Erinnerung bleiben.

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